Eigentlich gehört „Penthesilea“ von Kleist zu den Dramen, die Zuschauer besoffen machen und Schauspieler verzweifeln lassen. Schon wegen dieser ganzen bombastischen Blankverse. Aber auch dieser völlig idiotische Konflikt der Amazone Penthesilea ist zum Haareraufen. Aber irgendwie erstaunlich gegenwärtig in einer Zeit, in der die blutigen Krieger wieder aus lauter Blödheit drauflos morden.

Irgendwie muss es Heinrich von Kleist 1808 ganz ähnlich gegangen sein. Napoleon wütete sich durch Europa, das preußische Heer hatte zusammen mit den Sachsen bei Jena eine demütigende Niederlage erlitten. Und damit war auch dieser alte preußische Zopfgeist hingemetzelt worden: Das so unbesiegbare Preußenheer war von Napoleons Kanonen einfach niedergetrommelt worden – und die verzopften preußischen Generäle waren mit ihrem ganzen Kriegerstolz auf die Nase gefallen.

Aber so ein Gemälde wäre Kleist natürlich zu piefig gewesen. Er wollte das ganz große Drama um Verhängnis und blinde Gefühle. Dazu eignet sich  dieser Penthesilea-Stoff natürlich – die wilde Kriegerin, die sich blöderweise in ihren strahlenden Gegner Achill verliebt, den sie nur bekommen kann, wenn sie ihn besiegt. Besiegen kann sie ihn nur im Rausch – doch der blutrünstige Kampf artet aus: Sie verfetzt den Geliebten und merkt erst hinterher, dass sie im Festhalten an den alten, dämlichen Amazonen-Bräuchen die Liebe ihres Lebens zerstört hat.

Wenn man genauer hinhört, merkt man bei diesem Kleist auch ein Nachgrübeln darüber, wie sehr alle unsere (preußischen) Normen eigentlich Verblendung, starrer, alter Mummenschanz sind, ein Regelwerk, das für Menschliches keinen Platz lässt, für einen anderen Umgang mit dem Gegner schon gar nicht.

„Als ob sie in den Orkus führe, schmetternd/
Bis an des Felsens tiefsten Fuß zurück,/
Und bricht den Hals sich nicht und lernt auch nichts:/
Sie rafft sich bloß zu neuem Klimmen auf“,

zitiert das Figurentheater Westflügel eine dieser hintersinnigen Kleiststrophen, wo die Kritik an den militärischen Schlagetots versteckt ist. Die auch politische Schlagetots sein können, die ewigen Narren, die jedes Mal Unheil anrichten und einfach nichts draus lernen.

Aber wie inszeniert man das, wenn man das Verhängnis der Penthesilea zeigen möchte?

„Dieser Abend ist eine Begegnung zwischen der Tänzerin Marina Tenório und dem Figurenspieler Michael Vogel und eine Annäherung an Kleists Werk jenseits der Sprache“, macht das Figurentheater neugierig auf den 18. Januar. „Ein Versuch, das Unaussprechliche darin durch eine andere Form, aus Körper, aus Raum zu fassen. Gemeinsam widmen sie sich einem der zentralen Motive aus ‚Penthesilea‘: dem Augenblick des Stürzens, des Fallens.“

Tanz verbindet sich mit Figurenspiel. Aus der wilden Jagd der unbedingten Jägerin wird ein unendlicher Sturz in tiefste Verzweiflung. Immerhin. Das war auch der Punkt, der Kleist besonders reizte: die Kriegerin, die nach dem Blutrausch merkt, dass sie voller Emotionen ist, die sie nicht mehr beherrschen kann. Das Gegenteil der kalten Krieger und Terrorveranstalter von heute. Sie leidet – und hält nicht aus, was sie angerichtet hat. Das kennt man von den großen Strategen in der Regel nicht. Denen sind die Opfer ihrer „militärischen Operationen“ meist wurstegal.

Eine Inszenierung also für Leute, die starke Emotionen aushalten.

Aufführung im Westflügel Leipzig (Hähnelstraße 27) am Mittwoch, 18. Januar, um 20 Uhr.

Karten: 12,-/8,- Euro ermäßigt. Reservierungen: Tel. (0341) 260 90 06 (Mailbox) oder Mail: service@westfluegel.de

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