Auslöser war eine Plastikflasche. Die soll Carolina J. am frühen Morgen des 4. Februar vergangenen Jahres vor einer Disco in der Innenstadt einem fahrenden Wagen hinterhergeworfen haben. Die Flasche war leer, nichts und niemand kam zu Schaden. Doch zwei Polizisten fragten sie, ob alles in Ordnung sei.
“Das ist ganz normales Handeln”, sagte der Polizist gestern vor dem Amtsgericht Leipzig, wo gegen Carolina und zwei junge Männer verhandelt wurde. “Ich und die Praktikantin, mit der ich unterwegs war, gingen auf sie zu und haben ganz ruhig gefragt, ob etwas passiert und alles okay sei.” Carolina J. antwortete darauf nicht und soll die Praktikantin mit “Fotze” beschimpft haben. Dann ging sie weiter. Die Polizei folgte ihr, forderte ihren Ausweis zu sehen um die Personalien festzustellen.
Daraufhin soll sie gesagt haben: “Du schwule Schwuchtel. Ey Alter, ihr könnt mir gar nichts.” Als sie festgehalten wurde, soll sie dem Polizisten auf die Nase geschlagen und die Schimpfkaskade fortgeführt haben: “Schwanzlutscher” und “scheißblondes Bullenschwein” soll gefallen sein. Nico S., der Carolina kennt, kam dazu und versuchte, sie aus den Händen der Polizisten zu befreien.
Mittlerweile war die Verstärkung der Beamten eingetroffen. Nico S. widersetzte sich deren Versuchen, ihn zu fest zu halten. Die Beamten setzten ihn ins Polizei-Auto, wo er sich auf den Rücken gelegt und versucht haben soll, mit seinen Beinen die Scheibe kaputt zu stemmen. Die Polizisten hinderten ihn daran.
“Hurensohn, ich schlag dir die Fresse ein”, soll Nico S. gesagt haben. Ahmed A., ein weiterer Bekannter, eilte hinzu und versuchte wiederum, Nico S. aus der Gewalt der Polizisten zu befreien. Er soll sich ein heftiges Gerangel mit den Beamten geliefert haben. Er und ein Polizist sind gegen eine Schaufensterscheibe gekracht, die jedoch keinen Schaden nahm. Das Trio hatte sich so heftig gegen die Polizisten gewehrt, dass schlussendlich fünf Fahrzeuge dafür im Einsatz waren. “So etwas habe ich in elf Jahren Streife noch nicht erlebt gehabt. Es war wie eine Kettenreaktion der Gewalt”, resümierte der Polizist.
Bei der Verhandlung gestern war Nico S. zudem des versuchten Raubes angeklagt: Er soll einen Studenten zur Herausgabe seines Handys gedrängt haben. Als dieser sagte, er habe keines dabei, durchsuchte Nico S. ihn und als er keines fand, soll er ihm ins Gesicht geschlagen haben. Carolina J. war außerdem angeklagt, eine Freundin an einem anderen Disco-Abend im Streit geschlagen und getreten zu haben.
Alle Taten, wie sie die Staatsanwaltschaft vorgebracht hatte, gab das Trio zu. Das Gericht erlebte drei reuige junge Menschen, die sich bei ihren Opfern entschuldigten. Carolina J. sitzt wegen einer anderen Strafe bereits seit sieben Monaten im Gefängnis in Chemnitz. Sie ist schwanger und sagt, dies habe ihr Weltbild komplett verändert. Auch der Sozialdienst des Gefängnisses attestierte ihr, dass sie nachgereift sei. Carolina hatte sich bereits vor dem Prozess schriftlich bei den Polizisten für ihren Ausraster entschuldigt.
Auch Nico S. reuen seine Taten. Bereits kurz nach dem Disco-Gerangel sprach er mit einem beteiligten Polizisten und sagte, dass es ihm leid tue. Ahmed A. hat zahlreiche Verurteilungen vorzuweisen. “Bereits zwölf Einträge haben Sie im Bundeszentralregister”, bemerkte Richterin Claudia Eppelt-Knochenstiern. “Es wird Zeit, dass Sie alles in den Griff bekommen.”
Doch Ahmed A. hat sich bereits seit anderthalb Jahren nichts mehr zu Schulden kommen lassen. “Mein Mandant bemüht sich derzeit um eine eigene Wohnung, er sucht zudem einen Ausbildungsplatz”, so sein Anwalt, der sich redlich mühte, die Wandlung seines Mandanten zum Paulus darzustellen.
Im Urteil schlug es sich so nieder: Die 20-jährige Carolina J. wurde zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Da die Strafe mit einem vorangegangenen Urteil zusammengezogen wurde, gilt die Haft als bereits verbüßt und sie kommt bald frei. “Sie bekommen in den nächsten Tagen Ihr Kind, da haben Sie noch viel vorzubereiten und dann hoffentlich einen Grund, alles in geordneten Bahnen zu halten”, so Eppelt-Knochenstiern zu ihr. “Ich möchte für mein Kind das Beste”, so Carolina im Gerichtssaal. “Das haben mir aber schon viele hier versprochen”, kommentierte die Richterin.
Der 20-jährige Nico S. muss 80 Arbeitsstunden bis Ende Oktober ableisten, der 23-jährige Ahmed A. wurde zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen à zehn Euro, also 700 Euro, verurteilt. Damit blieb das Gericht unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung für Carolina, ein Jahr auf Bewährung für Nico und 90 Tagessätze für Ahmed beantragt hatte.
Richterin Eppelt-Knochenstiern trug der Reue der Angeklagten Rechnung, unterstrich jedoch, dass die Polizei generell nicht genug respektiert wird. “Sie erwarten doch auch, dass die Beamten Ihnen helfen, wenn Ihnen etwas zustößt und in Ihren Taten haben Sie jeglichen Respekt vermissen lassen.” Die Polizei müsse sich schließlich nicht alles gefallen lassen. “Und wenn so etwas wie dieser Flaschenwurf geschieht und die Beamten, wenn sie das sehen, gehen einfach weiter, dann heißt es sie würden sich ja nicht kümmern”, so Eppelt-Knochenstiern.
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