Die Sachsen werden zahlen. Mindestens 2,75 Milliarden Euro. Für nichts. Für das Abenteuer, das die sächsische Landesregierung vor über zehn Jahren begann, um die Landesbank zu einem Mitspieler beim großen Spiel an den Finanzmärkten zu machen und das 2007 so kläglich endete. Und am Ende wird es nicht mal jemanden geben, der dafür so richtig zur Verantwortung gezogen wird. Jetzt sorgt eine fehlende Unterschrift für die nächste Peinlichkeit.

Die “Süddeutsche Zeitung” berichtete darüber schon am 5. Februar unter der Überschrift: “Fehlende Unterschrift könnte Pleite-Bankern helfen”. – “Die SachsenLB war eine der ersten Banken in Deutschland, die sich mit windigen Anleihen verzockt hatten und vom Staat gerettet werden mussten, um eine Pleitewelle in der Geldbranche zu verhindern. Jetzt wird die SachsenLB wohl eine der letzten Banken sein, deren Vorstände zur Rechenschaft gezogen werden können – sofern das überhaupt noch möglich ist”, schrieb sie dazu. Und kam dann auf den Lapsus, der der Staatsanwaltschaft Leipzig unterlief. Diese “hat ein Schriftstück, das drei frühere Vorstände der Sachsen LB auf die Anklagebank bringen sollte, ohne die notwendige Unterschrift an das Oberlandesgericht (OLG) Dresden geschickt. Die Ex-Manager um den einstigen Vorstandschef Michael Weiss sollen die Bilanz geschönt und Bankvermögen veruntreut oder Beihilfe dazu geleistet haben. Also keine Kavaliersdelikte.”

Zuvor hatte das Landgericht Leipzig “die Anklage gegen die drei Ex-Vorstände zurückgewiesen, weil die Anschuldigungen ‘nicht nachvollziehbar’ seien.” Eine Entscheidung, die nach all den Verhandlungen um die SachsenLB zumindest für die Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar war. Sie reichte umgehend Beschwerde beim Oberlandesgericht in Dresden ein. Maschinell erstellt, wie das heute so üblich ist. Wer kennt nicht all diese amtlichen Schreiben, unter denen am Ende frech zu lesen steht, das Dokument sei maschinell erstellt und deshalb eine Unterschrift nicht notwendig.

So ein vages Gefühl hatte man auch bei der Leipziger Staatsanwaltschaft und schrieb noch drunter: “Diese Mitteilung wurde elektronisch erstellt und enthält deshalb keine Unterschrift, wofür um Verständnis gebeten wird.”

Aber genau dafür zeigte das Oberlandesgericht kein Verständnis. Am Donnerstag, 13. Februar, teilte das Oberlandesgericht in Dresden nun trocken mit: “Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die teilweise Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen die ehemaligen Vorstände der Sachsen LB verworfen.”

Und macht die Blamage der Leipziger Staatsanwaltschaft nun perfekt, die ja aus guten Gründen Beschwerde eingelegt hatte. Das bestätigte das OLG sogar:

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hatte gegen drei Vorstände der Landesbank Sachsen Girozentrale (Sachsen LB) Anklage wegen “unrichtiger Darstellung und Untreue” bzw. wegen Beihilfe dazu gem. §§ 331 Nr. 1, 2, 340m HGB, §§ 266 Abs.1 und 2, 263 Abs. 3 StGB vor dem Landgericht Leipzig – Wirtschaftsstrafkammer – erhoben. Ihnen wurde im wesentlichen vorgeworfen, als Mitglieder des Vorstands der Landesbank Sachsen Girozentrale in den Jahresabschlüssen für die Jahre 2003 und 2004 jeweils Beträge in dreistelliger Millionenhöhe unrichtig als Forderungen eingestellt zu haben, um dadurch einen Verlust der Bank mit der Folge zu vermeiden, weiterhin in den Genuss der erfolgsabhängigen Vergütung zu gelangen. Ein Teil der Vorwürfe wurde in ein getrenntes Verfahren überführt.Doch vor Gericht und auf hoher See ist alles ungewiss.

Mit Beschluss vom 26. November 2013 hat die Wirtschaftskammer des Landgerichts Leipzig die Eröffnung des Hauptverfahrens für die abgetrennten Vorwürfe aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Gegen diesen Nichteröffnungsbeschluss legte dann die Staatsanwaltschaft Leipzig sofortige Beschwerde ein. Aber der Beschwerdeschriftsatz endet eben leider mit den maschinenschriftlich erstellten Worten: “gez. … Staatsanwältin Diese Mitteilung wurde elektronisch erstellt und enthält deshalb keine Unterschrift … .”.

Genug für das OLG, die Beschwerde aus rein formalen Gründen abzulehnen. – “Der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat die sofortige Beschwerde als unzulässig angesehen und deshalb verworfen. Die sofortige Beschwerde ist nach Ansicht des Senats mangels Unterschrift nicht formgerecht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen. Der Senat stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes, wonach ein ‘bestimmender Schriftsatz’ seine fristwahrende Funktion nur erfüllen kann, wenn er dem Schriftformerfordernis entspricht, d.h. er entweder handschriftlich von dem Bestimmenden unterzeichnet ist oder durch einen Beglaubigungsvermerk sichergestellt ist, dass das Schriftstück dem Sinn des Verantwortlichen entspricht und mit dessen Willen in den Verkehr gelangt ist. Dem entspreche die sowohl per Telefax als auch mit normaler Post übermittelte Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft Leipzig hier nicht.”

Klare Aussage: Ohne Unterschrift kein rechtswirksames Dokument. Der Nachsatz ist dann freilich auch für die sächsischen Steuerzahler frustrierend: “Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel möglich.”

Entsprechend derb sind denn auch die Kommentare aus der Politik.

“Der Fehler der Leipziger Staatsanwaltschaft ist so unerklärlich, dass fast schon der böse Anschein des Vorsatzes entstehen kann. Während “kleine Leute” teilweise wegen Bagatellen jahrelang juristisch verfolgt werden, bleibt hier ein Milliardenschaden auf Kosten der Allgemeinheit unaufgeklärt und ungesühnt”, erklärt dazu der rechtspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Landtag, Klaus Bartl. Er hat dazu auch gleich eine Kleine Anfrage (Landtags-Drucksache 5/13810) im Landtag gestellt, in der er auch hinterfragt, ob nicht doch eine gültige “elektronische Signatur” vorlag. So eine Beschwerde einfach aus formalen Gründen abzulehnen, das ist auch keine Kleinigkeit.

“Deshalb fordere ich den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen auf, unverzüglich eine Überprüfung und intensive Untersuchung dieses schier unglaublichen Vorgangs einzuleiten”, sagt Bartl. “Zugleich erwarte ich, dass der Justizminister im Rahmen der ansonsten streitbaren Berichtspflichten nach dem Organisationsstatut einen Bericht anfordert, der dann auch dem Landtags-Rechtsausschuss vorgetragen wird. Hier geht es ja nicht ums politische Reinregieren in die Justiz, sondern darum, die Scherben zusammenzukehren.”

Von einem Desaster spricht Antje Hermenau, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag: “Es ist hochpeinlich für die Leipziger Staatsanwaltschaft, dass ihre Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Verfahrens gegen die Herren Weiss und Fuchs aufgrund eines Formfehlers zurückgewiesen wurde. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hätte wissen müssen, dass ein derartiger Prozess größtmögliche Genauigkeit erfordert. Es ist die Frage, ob diese Schlampigkeit disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen muss.”

Dem Oberlandesgericht Dresden sei hingegen kein Vorwurf zu machen, dass es die Beschwerde nicht anerkenne. “Doch ich fürchte, dass bei den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entsteht, dass es von Anfang an kein wirkliches Interesse gegeben hat, die Verantwortlichen des SLB-Desasters zur Rechenschaft zu ziehen. Das sorgt für Vertrauensschwund in unsere Demokratie”, sagt Hermenau. “Wir Grünen haben uns immer dafür eingesetzt, nicht nur die Vorstände, sondern auch die Aufsichtsräte zur Verantwortung zu ziehen. Derzeit ist nur sicher, dass Sachsens Steuerzahler die Zeche von 2,75 Milliarden Euro für die Übernahme der maroden SachsenLB zahlen müssen.”

Die “Süddeutsche” am 6. Februar zu diesem Vorfall: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/prozess-gegen-sachsenlb-vorstaende-fehlende-unterschrift-koennte-pleite-banker-schonen-1.1879887

Die Kleine Anfrage zum Thema durch den Linke-Abgeordneten Klaus Bartl: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=13810&dok_art=Drs&leg_per=5

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