Die Kernfamilie „Vater, Mutter, Kind“ ist nicht mehr die Norm, denn circa 13 Prozent der Familien in Deutschland sind Patchwork-Familien. Wenn aus einem Liebespaar Eltern werden, ist das oft schon Herausforderung genug – Patchwork-Familien setzen noch einen drauf. In Stieffamilien treffen zwei eingeschworene Familienkreise aufeinander – mit Besonderheiten, Lebensstilen, Erfahrungen und Problemen, aber auch großen Chancen.

Als Sexual- und Paarberaterin und Patchwork-Mutter kenne ich die Herausforderungen, die man als Stieffamilie erlebt und verrate Interessierten 6 Tipps für eine starke und liebevolle Beziehung als Patchwork-Eltern.

Meine 6 Beziehungstipps für Patchwork-Eltern

Wenn du selbst Patchwork-Elternteil bist, weißt du, wie herausfordernd, aufregend und intensiv dieses Familienmodell sein kann. Ich verrate 6 Beziehungstipps, wie Patchwork-Paare Krisen meistern und gemeinsam stark werden.

1) Familienzeit ist Paarzeit: Zeit für gemeinsame Momente

Für eine gute Paarbeziehung ist Familienzeit wichtig. Der Grund ist einfach: Besonders zu Beginn der neuen Partnerschaft erfährt man sehr viel übereinander, wenn man gemeinsam Zeit mit Kind und Kegel verbringt. Später stärkt die gemeinsame Qualitätszeit die Bindung als Familie und zu den Bonus-Kindern. In der Kennenlernphase nur zu zweit kann man unschöne Gewohnheiten gut verbergen. Im Zusammensein mit Kindern merkt man schnell, ob es Red Flags gibt, die man nicht in der Lage ist, zu tolerieren.

2) Paare benötigen Auszeiten vom Familienleben

Bei Auszeiten geht es Patchwork-Eltern nicht anders als Elternpaaren in anderen Familienmodellen. Allerdings haben sie unter Umständen einen entscheidenden Vorteil: das Wechselmodell oder/und geteiltes Sorge- und Umgangsrecht der anderen leiblichen Elternteile. Während Kernfamilien auf Babysitter oder Großeltern zurückgreifen müssen, um Zweisamkeit zu genießen, haben Patchwork-Eltern regelmäßig keine Kinder im Haus. Wer kann, sollte sich regelmäßig ein Wochenende als Paar einfordern. Das ist auch für die neue Familienkonstellation wichtig und schafft Strukturen.

Kinderfrei! Foto: Ionas Nicolae via pixabay

3) Reden ist Gold: offene und ehrliche Kommunikation ist wichtig

Elternpaare sollten regelmäßig Gespräche führen, um über die Bedürfnisse aller Familienmitglieder zu sprechen. Zudem ist es wichtig, Sorgen und Probleme ernst zu nehmen und sie gemeinsam anzugehen. Das ist gut für die Teambildung und schafft Vertrauen in die Kompetenzen des anderen. Wichtig dabei: Paaren sollten sich immer wieder Momente nehmen, in denen es nicht um Kinder- und Familienthemen geht, sondern in denen sie als Liebespaar im Fokus stehen. Eine offene Kommunikation verhilft zu einer gesunden Streitkultur. Reminder: Oft steckt hinter einem Streit über die Kinder ein unerfülltes Bedürfnis, das das Paar betrifft.

4) Geduld und Empathie als Grundlage

Wenn es zwei Eigenschaften gibt, die Patchwork-Eltern benötigen, dann sind es Geduld und Empathie – sehr viel davon. Stieffamilien sind ein bunter Haufen aus vielen verschiedenen Emotionen, Bedürfnissen und Wünschen, die auch bisher nicht verarbeiteten Trennungen, Eifersucht, Überforderung und Wut beinhalten können. Hinzu kommen auch ganz viel Liebe und Eifer. Neben all diesen Dingen möchten Paare ausreichend Zeit für Zweisamkeit und „sexy time“ haben, die oft hinten anstehen. Auch hier helfen Geduld und Empathie wahre Wunder – vorausgesetzt, das Liebes- und Sexleben steht recht weit oben auf der Prioritätenliste. Die Aufgabe als Elternpaar: Sie müssen den Raum für diese Themen halten können oder bereit sein, es zu lernen.

5) Gemeinsame Ziele verfolgen

Es ist empfehlenswert, bereits zu Beginn einer Beziehung über die persönlichen Ziele zu sprechen, um als Patchwork-Familie gemeinsam neue zu definieren. Paare sollten gemeinsam festlegen, wohin die Reise geht und sich immer wieder rückversichern, dass sie den Weg und das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Das ist im Familienalltag stressig, aber gibt der Partnerschaft das nötige Fundament. Dabei müssen es nicht die großen Lebensziele sein, sondern oft die Alltäglichen: immer gemeinsam zu Abend essen, regelmäßige Date Nights, eine bessere Kommunikation oder sonntags ausschlafen.

Patchworkfamilie. Foto: Gerd Altmann via pixabay

6) Selbstreflexion für eine bessere Liebesbeziehung

Das eigene Verhalten zu reflektieren, ist für Eltern essenziell – als Elternteil, als Partner und auch als Teil der neuen Familien. Jeder Einzelne sollte konstant nach Möglichkeiten suchen, die Beziehungen untereinander zu verbessern. So ist man als Familie für Krisen gewappnet und etabliert eine gesunde Konfliktstruktur, wenn es einmal kriseln sollte. Das ist für Patchwork-Eltern besonders wichtig, wenn unterschiedliche Erziehungsstile aufeinandertreffen, die kollidieren könnten. Mein Tipp: Eltern sollten bei Konflikten zuerst in den Spiegel schauen und auf den Partner oder die anderen Familienmitglieder. Oft lösen sich Streitthemen bereits durch Selbstreflexion.

Patchwork-Familien brauchen eine gesunde Balance

Man muss kein Zen-Meister sein, um Harmonie, Ruhe und Balance in das eigene Familienleben zu bringen. Wichtig ist, dass Elternteile ihre eigenen und die Bedürfnisse ihres Partners (und der Kinder) im Blick haben und ein Gespür dafür entwickeln, was sie gerade brauchen. Hinhören, Hinsehen, Hinfühlen ist das Motto für Stieffamilien!

Die Idee dahinter ist ganz einfach: Jeder möchte seine individuellen Bedürfnisse befriedigen und sich gesehen, gehört und verstanden fühlen. Mit einer gesunden Balance aus Familien- und Paarzeit sowie individuellen Momenten für sich selbst, gelingt der Traum einer bunten, liebevollen Patchwork-Familie mit den Eltern als Liebespaar im Mittelpunkt.

Über Vivien Schadewaldt

Vivien Schadewaldt ist zertifizierte Sexual- und Paarberaterin für Eltern und unterstützt (werdende) Eltern in Coachings auf ihrem Weg in ein erfülltes Liebesleben. Zudem ist sie Redakteurin beim Magazin „Erotikblitz“ und Co-Host des Podcasts „Bedtime Talk“

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