Maria Lev ist Partygängern der Seitenstraßenkultur in Leipzig ein Begriff. Als DJane, als Veranstalterin oder auch als Mitfeiernde gestaltet sie und hinterlässt Spuren im wirbelnden Sand hiesiger Kunststürme. Nun ist da ein neues Projekt von ihr am Geborenwerden. Am 2. April geht's es in der Damenhandschuhfabrik in der Klingenstraße zur Sache.In der Nähe vom Adler öffnen sich blaue Tore fürs Volk.

Da heißt es: tanzen und über den eigenen Horizont springen. Volly Tanner traf Maria am Lindenauer Markt, um mit ihr zu schwätzen und den L-IZ-LeserInnen Hintergründe zu präsentieren. Keine Angst vor Freaks, Freunde!Am 2. April soll es in der Damenhandschuhfabrik im Leipziger Westen blau leuchten – für Queers, Freaks and Friends. Da fragt sich der subkulturell Ausgeschlossene natürlich: was, verdammt nochmal, sind Queers? Und was sind Freaks? Anfang des 20 Jahrhunderts gab es ja mal einen Film namens “Freaks” – über einen Zirkus im den USA – aber die sind doch schon alle tot.

Queers und Freaks haben eines gemeinsam – sie verkörpern das, was von der Gesellschaft als nicht “normal” angesehen wird. Queer ist im ursprünglichen Sinne ein Begriff für alle und alles, was aus der Reihe tanzt. Also nicht einmal im sexuellen Sinne. Mittlerweile wird es rein sexuell gesehen. Eben abweichend von der traditionellen/christlichen Vorstellung von Sexualität.

Ein Freak zu sein bedeutet, seine Phantasie auszuleben. Natürlich nur solange man sich nicht auf die kriminelle Ebene begibt. Das ist sehr wichtig, da oftmals aus Unverständnis und Angst Schlussfolgerungen dieser Art entstehen. Als Krimineller ist man kein Freak, sondern nur kriminell.

Oftmals wird Freak abwertend gesehen, da der Mensch grundsätzlich Dinge ablehnt, die er nicht verstehen kann. Es übersteigt den eigenen Horizont. So viele Menschen haben in irgendeiner Hinsicht eine auffallende Macke. Dann ist man eben ein Freak.

Und warum heißt die Veranstaltung “Lumiére Bleue”? Was leuchtet denn blau?

Die Welt im blauen Licht. Eben anders. Es sollen keine Kondome am Tresen verteilt werden. Der Anspruch liegt darauf, dass die Gäste sich schick machen, sich wohl fühlen und offen für alle andersartigen Menschen sind. Im russischen steht die Farbe “blau” im Übrigen für schwul. “Blau” ist sexy und französisch umso mehr.Der stadtbekannte und extrem innovative Zacker ist auch mit im Boot und die Muschi/Sushi/Mädels. Die bespielen einzelne Floors. Auch wieder so ein Code für Eingeweihte. Was bedeutet das denn genau? Floors bespielen?

Eigentlich stecke ich nicht allein hinter der Geschichte. Meine Lebenspartnerin Margarita ist ebenso beteiligt und sorgt für den künstlerischen Touch. Der Flyer zum Beispiel wurde von ihr entworfen. Auch ein paar Helfer stehen uns zur Seite. Das letztendliche Konzept entstand jedoch bei einem Dinner mit Zacker. Er hat uns sehr inspiriert und eigentlich auf den richtigen Pfad gebracht.

Obwohl er anfänglich doch etwas skeptisch war, wie Leipzig darauf reagiert. Die Botschaft von “Lumière bleue” hatte er schon oft versucht in seinen Veranstaltungen rüberzubringen, nur etwas dezenter verpackt. Deshalb war es perfekt, die “No No No” Truppe, die er mit Kranfahrer und Clair darstellt, als Teil der Veranstaltung einzubinden. Ich hatte mir gewünscht, dass es auch eine erstmalige Zusammenarbeit mit Zacker und den MuschiSushi-Leuten wird.

Nur hat sich alles etwas hinausgezögert und aus dem Dreier-Team haben zwei der Mädels Interesse gezeigt. In diesem Sinne hat es nicht ganz geklappt, aber immerhin sind Akkro und Makta mit am Start, die erstens einen Teil von MuschiSushi repräsentieren und sich zweitens auch musikalisch super einfügen. Die Floor Differenzierung entstand lediglich aus musikalischen Gründen, da es einzelne eigespielte Teams sind. Und ich hoffe, dass sich die Gäste nicht aufteilen, sondern das alles als ein Ganzes sehen.Es wird ebenfalls von einem Erscheinen gemunkelt. Dem Erscheinen der legendären Legs Akimbo. Wer ist dies denn und was hat diese Erscheinung in petto?

Legs Akimbo ist eine Künstlerin wie viel andere auch. Nur in diesem Fall verkörpert sie den Charakter der Veranstaltung, auf ihre freakige und selbstbewusste Art. Sie soll die Gäste darin bestärken, sich in ihrer Haut wohl zu fühlen. Ich weiß, dass viel Menschen die in den Zwängen stecken, ihre Phantasie auszuleben, oftmals gesellschaftlich kritisiert werden und es nicht leicht haben. Man braucht viel Stärke, um die eingeredeten Komplexe zu überwinden. Ich weiß, wovon ich rede, als russisch-jüdische Lesbe mit 7 Piercings im Gesicht und abrasierten Haaren. Meine Eltern hoffen noch immer, dass ich “normal” werde.

Du erzähltest mir mal, dass die Ausrichtung der Veranstaltung mehr künstlerisch ist. Genderswitcher bekämen ermäßigten Eintritt, es solle auch die Toleranz der Szene nach außen vermittelt werden. Genderswitcher? Noch nie gehört in meiner Stammkneipe. Erklärs mal bitte mit auch für mich verständlichen Worten.

Genderswitch ist ein einfaches Spiel mit den Geschlechtern. Diese klassische Rollenverteilung wird verworfen. Das von der Natur zugewiesene Geschlecht ist kein Gefängnis. Genderswitch ist auch nicht nur auf Transsexualität bezogen. Nicht jeder Mann in Frauenkleidung ist schwul und nicht jede Frau in Männerkleidung ist lesbisch. Wir schauen einfach über unseren Horizont hinaus und leben unsere Phantasien. Das ist Kunst auf einer anderen Ebene, nicht im klassischen Sinne. Man hat eben nie den Stempel “Künstler” aufgedrückt bekommen. Aber im Grunde ist es nichts anderes. Man lebt die Kunst in Form von äußerlichem Erscheinungsbild, Lebensstil oder anderen kleinen Dingen. Stell Dir “Lumière bleue” als eine große Bühne vor und jeder einzelne Gast ist ein Teil des Schauspiels.

Du selber bist den Szenegängern auch durch Dein Mittun an der Gothic Pogo Party bekannt. Nun jedoch Damenhandschuhfabrik – wie kams dazu – ist ja sozusagen Deine eigene Reihe.

Die GPP ist für mich wie ein Patenkind, um das ich mich seit 6 Jahren kümmere. Und vor zwei Jahren ist das eigene Baby “Lumière bleue” geboren worden. Damals noch sehr ungeprägt und klein. Aber man lernt, wächst und entwickelt sich mit der Zeit. Veranstaltungen zu organisieren ist meine Leidenschaft, bislang mehr im Deathrock und MinimalWave Bereich, aber ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich mich einfach getraut habe, etwas Neues zu machen, wo ich mich ebenfalls, wenn nicht sogar noch mehr wiederfinde. Die DHF habe ich vor anderthalb Jahren für
mich entdeckt und habe dort bereits 4 große Veranstaltungen durchgeführt. Es ist kein 0815 Laden. Der Club hat Seele und passt in jeder Hinsicht.

Gibts schon einen Turnus?

Geplant sind 3 Veranstaltungen im Jahr. Nicht zu oft, da jede einzelne etwas besonderes sein sollte. Ich würde mir auch wünschen, dass seits der Gäste Anregungen kommen, wie man das Konzept mit Kleinkunst o.ä. ausgestalten kann. Da setze ich keine Grenzen. Nur musikalisch möchte ich es in dem Spektrum der ersten Veranstaltung beibehalten.

Was wünscht Du Dir persönlich für den 2. April?

Ich wünsche mir, dass die Gäste sich die Botschaft zu Herzen nehmen. Und natürlich alle, die interessiert sind und aufgeschlossen, sind recht herzlich eingeladen.

Das wünschen wir natürlich auch. Danke.

Damenhandschuhfabrik Leipzig
www.damenhandschuhfabrik.de

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