"Wir sind seit Juni dieses Jahres im Stadtteil Grünau unterwegs", berichtet Tino Neufert von "mobileStreetwork" im L-IZ-Interview über die aktuelle Arbeit des Projekts der aufsuchenden Straßensozialarbeit für Alkoholkranke. Vorgespräche im Leipziger Osten liefen bereits. Für das Gesamtprojekt setzt der Streetworker auf die Regelfinanzierung durch die Stadt Leipzig.

Herr Neufert, vor einem Jahr wurde engagiert nach einem Weg zur Fortführung Ihres Projekts “Aufsuchende Straßensozialarbeit für Alkoholkranke” gesucht. Befinden Sie sich nun – auch finanziell – in einem ruhigeren Fahrwasser?

Unser Projekt ist nach dem Auslaufen der EFRE-Finanzierung im Mai seit Juni dieses Jahres bis zum Ende 2012 gesichert. Wir versuchen zurzeit, das Projekt in eine Regelfinanzierung durch die Stadt Leipzig zu bringen und sind guter Dinge, dass dies auch funktioniert.

Wird die aktuelle Lösung auch auf Dauer tragen?

Streetwork ist kontinuierlicher Aufbau von Beziehungen und Vertrauen zu den Menschen, die wir täglich auf der Straße treffen. Um dies zu erreichen, ist Stetigkeit Grundvoraussetzung. Die Übernahme unseres Projektes in die Regelfinanzierung durch die Stadt Leipzig wäre in dieser Hinsicht ein sehr wichtiger Punkt. Alle beteiligten Akteure arbeiten auf dieses Ziel hin.

Welche Wirkung konnte aus Ihrer Sicht durch die Fortführung des Projektes erzielt werden?

Die kontinuierliche Arbeit am Platz hat dazu geführt, dass viele Klienten mittlerweile unsere Hilfsangebote annehmen und gezielt Kontakt zu uns aufnehmen, wenn sie Probleme oder Notlagen aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Die Vermittlungen in weiterführende Angebote stehen dabei an erster Stelle. Ambulant betreute Wohnformen, Vermittlung zum Arzt oder in Krankenhäuser oder zum Sozialamt der Stadt Leipzig sind beispielhaft zu nennen.

Des Weiteren haben wir in den letzten Jahren Freizeitangebote geschaffen, die unsere Klienten ansprechen und von ihnen genutzt werden. Das geht vom Frühstücksbowling über Weihnachtsfeiern bis hin zu Tagesfahrten, Fahrradausflügen, Skatrunden oder der jährlich stattfindenden SZL-Urlaubsfahrt.

Suchtspezifisch arbeiten wir sehr intensiv mit Entgiftungseinrichtungen hier in Leipzig zusammen. Wir vermitteln über 100 Klienten jährlich in Entgiftungen, motivieren Klienten zum regelmäßigen Besuch von Suchtberatungsstellen oder helfen bei Anträgen zur Aufnahme von Langzeittherapie. Auch haben wir einen Infokurs “Sucht und Alkohol” ins Leben gerufen, der seit September 2010 besteht, wöchentlich stattfindet und grundlegende Informationen zu den genannten Themen gibt. Die Selbsthilfegruppe der SZL in der Plautstraße wird ebenfalls von unseren Klienten genutzt.
Wie bringen Ihre Klienten und Sie sich im Stadtteil ein?

Ordnungspolitische Ziele verfolgen wir mit der Teilnahme des durch die Stadt Leipzig initiierten Frühjahrsputzes und dem zusätzlich durch unser Projekt ins Leben gerufenen Herbstputz. Wir reinigen mit Klienten zusammen die Plätze, an denen sie sich selbst aufhalten und Brachflächen, die als Müllhalden das Stadtteilbild verschandeln. Beim letzten Herbstputz, der im Oktober dieses Jahres stattfand, nahmen über 30 Klienten teil. Verschiedene Plätze reinigen Klienten mittlerweile vollkommen selbständig. Die Utensilien wurden durch das Ordnungsamt, Abteilung West, bereitgestellt.

Nicht zuletzt suchen wir immer wieder den Kontakt zu Vereinen, Initiativen, Behörden, ansässigen Gewerbetreibenden und Bewohnern, mit denen wir das Gespräch suchen und im Bedarfsfall mediatorisch und vermittelnd tätig werden. Dadurch haben wir bereits zur Entspannung und Deeskalation am Trinkplatz und dessen Umgebung beigetragen und für gegenseitiges Verständnis geworben.

Das Ordnungsamt West, aber auch die Polizei des Reviers West, sprechen in diesem Zusammenhang von einem spürbaren Rückgang der Beschwerdelage und einer generellen Abnahme der “Besucherzahlen” an den Trinkplätzen.

Ihr Projekt sollte nicht mehr auf den Leipziger Westen beschränkt bleiben, sondern auf den Leipziger Osten und Grünau ausgedehnt werden. Auf welche Resonanz stoßen Sie mit Ihren Bemühungen beispielsweise in Grünau?

Wir sind seit Juni dieses Jahres im Stadtteil Grünau unterwegs, zurzeit auf vier ausgewählten Plätzen. Die Vorstellung bei Vereinen und für uns relevanten Kooperationspartnern im Stadtteil ist weitestgehend abgeschlossen. Die Erstansprachen auf den Plätzen verliefen beziehungsweise verlaufen sehr gut. Die Menschen auf den Plätzen akzeptieren uns und wir stoßen kaum auf Ablehnung.

Die Arbeit in Grünau steht jedoch noch am Anfang. Vertrauen und Beziehung stellt sich nicht von heute auf morgen ein. In Lindenau haben wir dazu mehr als ein Jahr gebraucht.

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Nichtsdestotrotz kam es bereits zu Hilfeannahmen und Einzelfallhilfen. So vermittelten wir in Entgiftungen, in ehrenamtliche Tätigkeiten, in Suchtberatungsstellen, halfen bei Problemen mit Ämtern und in finanziellen Notlagen. Aber wie gesagt, wir stehen in Grünau noch am Anfang unserer Arbeit.

Bezogen auf andere Stadtteile Leipzigs gab es Anfragen an unser Projekt aus dem Leipziger Osten. Die Vorgespräche laufen bereits und wir sind guter Hoffnung, unser Projekt in dieser Richtung auszuweiten.

Welche Schritte wollen Sie gemeinsam mit ihren Klienten in der nächsten Zeit gehen?

Jetzt stehen erst einmal Weihnachten und die Jahreswende vor der Tür, die wir auch mit unseren Klienten zusammen verbringen wollen. Im neuen Jahr werden wir natürlich wieder am Frühjahrsputz teilnehmen, Tagesfahrten organisieren, zusammen kochen und gemeinsam die immer sehr individuellen Probleme der Menschen auf den Plätzen angehen. Andere Projekte sind geplant, werden aber noch hinter verschlossenen Türen besprochen.

Vielen Dank für das Gespräch.

www.suchtzentrum.de

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