"Den mit 60.000 Euro dotierten Deutschen Nationalpreis 2014 erhalten Repräsentanten der Leipziger Montagsdemonstrationen zur Erinnerung an die friedliche Revolution in der DDR und den Fall der Mauer vor 25 Jahren", teilte die Deutsche Nationalstiftung am Dienstag, 11. März, mit. So schnell geht das, da sind 25 Jahre herum. Das will die Deutsche Nationalstiftung irgendwie würdigen. Stellvertretend.

Denn eigentlich müsste man – wie bei all den Würdigungen für die Akteure der Friedlichen Revolution – immer gleich eine Menge Menschen auf die Bühne holen. Vielleicht nicht die 80.000 oder 100.000, die am 9. Oktober 1989 dafür sorgten, dass die Sache endgültig ins Rollen kam. Aber ein paar Dutzend Leute, die sich schon vorher engagierten, natürlich.

“Der diesjährige Preis würdigt Menschen, deren revolutionärer Mut und deren Gewaltverzicht den Einsturz des DDR-Regimes und den Fall der Mauer bewirkten. Sachsen und besonders Leipzig hatten dabei eine besondere Symbolkraft für die ganze DDR. Er geht stellvertretend für das breite Spektrum der Leipziger Montagsdemonstrationen an Pfarrer em. Christian Führer (Nikolaikirche), Pfarrer em. Christoph Wonneberger (Lukaskirche) und Uwe Schwabe und zur anderen Hälfte an das ‘Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.'”, erläutert die Nationalstiftung ihr Anliegen.

Der Preis wird am 24. Juni in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin verliehen.

Die in Leipzig heimische Stiftung Friedliche Revolution freut sich natürlich über die Entscheidung, die mit Christian Führer ein Vorstandsmitglied dieser Stiftung ehrt. Dass ausgerechnet 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution mit Christian Führer, Christoph Wonneberger, Uwe Schwabe und dem Archiv Bürgerbewegung Repräsentanten der Montagsdemonstrationen von 1989 geehrt werden, unterstreiche sehr nachdrücklich die besondere Rolle, die Leipzig für den gewaltfreien Umsturz im Herbst 1989 gespielt habe, erklärte am Freitag, 14. März, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Prof. Dr. Rainer Vor.

Wie Vor betonte, gelte dies besonders für die wöchentlichen Friedensgebete in der Nikolaikirche, an die sich die friedlichen Demonstrationen für die gesellschaftspolitische Erneuerung in der DDR anschlossen. Mit dem langjährigen Nikolaikirchenpfarrer Christian Führer und dem ehemaligen Pfarrer an der Leipziger Lukaskirche, Christoph Wonneberger, ehre die Deutsche Nationalstiftung zwei Kirchenmänner, die auf je eigene Weise für die Friedensgebete Verantwortung trugen. Daran habe Christian Führer auch nach der Friedlichen Revolution festgehalten und damit wichtige Impulse für ein Engagement gegeben, das bis heute fortlebe. Jüngstes Beispiel seien Friedensgebet und Mahnwache für die Menschen, die in der Ukraine für Frieden, Freiheit und Demokratie kämpfen.Aber auch die Stiftung Friedliche Revolution verdanke Christian Führer wichtige Impulse, sagte Vor. So habe er nicht nur den Anstoß zu der vor fünf Jahren erfolgten Stiftungsgründung gegeben, sondern auch selbst immer wieder dazu beigetragen, den Geist der Friedlichen Revolution wachzuhalten, und sich in diesem Geiste auch in die gesellschaftspolitischen Belange eingemischt. Damit habe er zugleich das vorgelebt, was sich die Stiftung mit dem Motto “Wir
gehen weiter” zur Aufgabe gemacht hat, hob der Stiftungsvorsitzende hervor.

Mit dem einstigen Bürgerrechtler Uwe Schwabe und Pfarrer em. Christoph Wonneberger stehen diesmal zwei Männer im Rampenlicht, die sonst bei solchen Ehrungen zuweilen vergessen wurden. Schwabe wurde 1984 aktiv in der Arbeitsgruppe Umweltschutz beim Jugendpfarramt in Leipzig und 1987 in der Arbeitsgruppe Menschenrechte, gründete im selben Jahr die Initiativgruppe Leben und wirkte 1988 bei der Organisation des ersten Pleiße-Gedenkmarsches mit. Er kam mehrfach mit der Stasi in Konflikt und stand auf der Verhaftungsliste der Leipziger Stasi vom 9. Oktober 1989 auf Platz 1. Uwe Schwabe gehörte zu den Gründern des Neuen Forums in Leipzig und des “Archivs Bürgerbewegung Leipzig e.V.”, deren Vorstandsvorsitzender er heute ist.

Wonneberger war Initiator der von vielen Gemeinden in der DDR übernommenen Friedensgebete, die Leipziger Christen 1982 übernahmen. Anfang 1987 koordinierte er die Friedensgebete als Gemeindepfarrer der Leipziger Lukaskirche an der Nikolaikirche. Aus ihnen entwickelten sich die Montagsdemonstrationen. 1987 gründete er die kirchliche Arbeitsgruppe Menschenrechte, 1988 wurde ihm die Koordinierung der Friedensgebete von der Kirchenleitung entzogen. Auf der Verhaftungsliste der Leipziger Stasi vom 9. Oktober 1989 stand Christoph Wonneberger auf Platz 3. Am 30. Oktober 1989 erlitt Christoph Wonneberger einen Schlaganfall, dessen Folgen ihn für Jahre von der öffentlichen Bühne fernhielten.

Das Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V. wurde 1991 mit Unterstützung von Uwe Schwabe gegründet und befindet sich im Haus der Demokratie in Leipzig. Das Archiv sammelt, bewahrt und erschließt Materialien der Bürgerrechtsbewegung, Selbstzeugnisse der DDR-Opposition, illegal oder unter dem Dach der Kirche entstandene Untergrundliteratur und Veröffentlichungen. Der Bestand umfasst zahlreiche Bücher, Fotos, Video- und Tonkassetten und wissenschaftliche Arbeiten. Grundstock des Archivs war die analog zur Berliner “Umweltbibliothek” 1988 gegründete Umweltbibliothek der Leipziger Markus-Gemeinde als Teil der Bürgerrechtsbewegung. Das Archiv wird unter anderem von der Stadt Leipzig, der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und der Bundesstiftung Aufarbeitung unterstützt. Es hält die Erinnerung an die friedliche Revolution aufrecht und wird von Schulklassen, Seminargruppen, Wissenschaftlern und der
Öffentlichkeit genutzt.

www.stifung-fr.de

www.nationalstiftung.de

www.archiv-buergerbewegung.de

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