Alle Jahre erfreuen Rechnungshofberichte aus allen sechzehn Bundesländern die Öffentlichkeit und den Bund der Steuerzahler. Dann hat der wieder schöne saftige Beispiele, mit denen er belegen kann, wie Behörden das Geld der Bürger in teilweise völlig wilde Projekte versenken. Aber irgendwie scheint das niemanden zu jucken, kein Politiker wandert für Verschwendung vor Gericht. Sind die Rechnungshofberichte also nur so eine Art Beruhigungstee? Was sagt Klaus Richard Grün alias Finanzrevisor Pfiffig dazu?

Oder gibt es gar fundierte Berichte für die staatlichen Verwaltungen – und sie werden nur nicht veröffentlicht?

Die Prüfungsberichte des Sächsischen Rechnungshofes (SRH) sind “nicht öffentlich”. Er ist jedoch verpflichtet, dem Landtag einen Jahresbericht über das abgelaufene Haushaltsjahr vorzulegen, der auch im Internet nachgelesen werden kann. Der SRH ist seit 2013 dazu übergegangen, den Jahresbericht in zwei Bänden heraus zu geben. Band I enthält Ausführungen zum Haushaltsplan, zum Haushaltsvollzug sowie zur Haushaltsrechnung der Staatsverwaltung und Band II zu den überörtlichen Prüfungen in den Gebietskörperschaften. Die Jahresberichte sind Aushängeschilder der Rechnungshöfe und dienen den Parlamenten als Entscheidungshilfe. Die Jahresberichte des SRH sind zwar immer umfangreicher geworden, die Qualität hat sich trotzdem nicht verbessert.

Sind die Berichte denn vollständig?

Ich bin der festen Überzeugung, dass in den Jahresberichten des SRH nicht alle Feststellungen enthalten sind, die veröffentlichungswert gewesen wären. Es wäre sonst ein Armutszeugnis für die Qualität der Prüfer und Prüferinnen, wenn es beispielsweise bei den Prüfungen in den Landkreisen, Städten und Einrichtungen keine brisanteren Prüfungsfeststellungen gegeben hat. Auch schließe ich aus, dass, selbst wenn es diese geben würde, Feststellungen im Jahresbericht des SRH erscheinen, die dem Ansehen der CDU schaden könnten, denn der Präsident ist (nicht umsonst) Mitglied der CDU!

Und auf lokaler Ebene?

Die Prüfungsberichte der Rechnungsprüfungsämter (RPA) sind ebenfalls als “nicht öffentlich” zu behandeln und es hat auch dem Parlament über das abgeschlossene Haushaltsjahr einen Jahresbericht vorzulegen, der Ausführungen zur Prüfung der Jahresrechnung sowie zu wesentlichen Prüfungsfeststellungen im beendeten Haushaltsjahr enthält, der öffentlich ist. Vor Veröffentlichung dieses Berichtes ist dem Oberbürgermeister ein Bericht vorzulegen, welcher für die Veranlassung zur Aufklärung von Beanstandungen dient, die im Jahresbericht Beachtung finden.

Das verständliche Ziel der Verwaltung ist ein Jahresbericht, welcher ihr eine gute Arbeit bescheinigt. Die Welt sieht für die Verwaltung wesentlich besser aus, wenn statt “erhebliche Verstöße” in der Endfassung “zahlreiche Beanstandungen” steht. Es erfolgen intensive Diskussionen über die Bewertung einzelner Prüfungsfeststellungen. Doch wie ist der Umgang mit Feststellungen, wo Leitungskräften verantwortungsloser Umgang mit Steuergeld nachgewiesen wurde, wo es erhebliche Verstöße gegen Rechtsvorschriften gab oder sogar Finanzdelikte festgestellt wurden? Eine Aufnahme in den Jahresbericht wäre erforderlich. Hier hängt vieles von der jeweiligen Amtsleitung des RPA ab. Gehen Sie davon aus, dass derartige Fälle nicht immer bzw. nur in “milder Form” im Jahresbericht erscheinen. Das ist vorwiegend der Tatsache geschuldet, dass die RPA Bestandteil der Verwaltung sind. Spielen Sie als Amtsleiterin bzw. Amtsleiter dieses Spiel nicht mit, dann gelten Sie in kurzer Zeit als Nestbeschmutzer, was sich erheblich auf die Arbeit des RPA auswirken wird.

Die Freien Wähler in Sachsen und Brandenburg haben eine “bessere Finanzkontrolle” in ihre Wahlprogramme mit aufgenommen. In Brandenburg haben sie es damit in den Landtag geschafft, in Sachsen nicht. Hätten die Freien Wähler zur Landtagswahl in Sachsen das Thema nicht viel größer auf ihre Plakate schreiben müssen, damit es die Wähler überhaupt mitkriegen?

Mit der Presseerklärung vom 29.07.2014 haben die Freien Wähler Sachsens eine Reform der kommunalen Finanzkontrolle gefordert, die Schaffung eines neutralen, fortschrittlichen, wirtschaftlichen und wirksamen kommunalen Prüfungswesens. Auch wenn diese Formulierung, wie in Thüringen und Brandenburg, aus meiner Feder stammt, trete ich nicht in Erscheinung.

Was die Plakate betrifft, war das eine Geldfrage. Im Gegensatz zu den etablierten Parteien standen kaum finanzielle Mittel zur Verfügung.

In der LVZ vom 30.07. wurde diese Pressemeldung vollständig veröffentlicht. In Sachsen hat es kein Journalist für erforderlich gehalten, darüber zu informieren, was sich inhaltlich hinter dieser Forderung verbirgt. Da ich dieses plötzliche Desinteresse vor den Landtagswahlen geahnt hatte, informiert ich alle bedeutenden Medien in Sachsen (auch in Thüringen und Brandenburg) ausführlich darüber (u.a. LVZ, Freie Presse, Dresdener Neuste Nachrichten, Bild, MDR info, MDR Fernsehen). Was geschah dann? Nichts! Doch, die Freien Wähler Sachsens wurden (wie in Thüringen und Brandenburg) aus den lokalen Medien verbannt. Diese Thematik war nicht gewollt!

Nun will ich den Medien in Sachsen nicht alles in die Schuhe schieben. Ich habe sehr viele Gespräche mit Freien Wählern in Sachsen geführt, um diese von der enormen Bedeutung dieser Thematik zu überzeugen. Als dann diese inhaltlich hervorragende Pressemeldung erschien, war ich vorsichtig hoffnungsvoll. Bald war erkennbar, dass diese Hoffnung nur ein Strohfeuer war. Es gab nur wenige, welche damit etwas anfangen konnten und wollten. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass zu viele Eigenbrötler einen optimalen Wahlkampf – wie in Brandenburg – nicht ermöglichten. In Leipzig war keine ordnenden Hand erkennbar. Ich hatte meine Unterstützung angeboten, vergebens. Schade!

In allen drei Bundesländern wurde von einem watteweichen Wahlkampf gesprochen und geschrieben. Es gab keine aufregenden Themen. Welch ein Hohn! Erstmalig in der Geschichte der BRD fordern keine Parteien, weil die nicht gewillt waren und es nicht sind, sondern Freie Wählergruppen eine längst überfällige Reform der kommunalen Finanzkontrolle, und dieser hochexplosiven Forderung wird keine Beachtung geschenkt. Ich wage zu behaupten, dass eine öffentliche Diskussion dieser Forderung besonders der CDU und der SPD erhebliche Stimmenverluste zugefügt hätte.

Haben die Medien in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ihre Rolle als sogenannte 4. Staatsgewalt missbraucht? Haben sie die Pressefreiheit mit Füßen getreten? Haben die Medien mit dieser offensichtlich unseriösen Informationspolitik die Wahlergebnisse wesentlich beeinflusst und sind sie deshalb mit verantwortlich für die geringe Wahlbeteiligung? Die Gedanken sind frei!
Was ist eigentlich unter einem neutralen, fortschrittlichen, wirtschaftlichen und wirksamen Prüfungswesen zu verstehen? Welche wesentlichen Unterschiede gibt es gegenüber der gegenwärtigen Verfahrensweise? Könnten Sie einen Vorschlag machen, wie ein solches Prüfungswesen in Sachsen aussehen könnte?

Es geht weder um mehr Finanzkontrollen und auch nicht um mehr Prüfer. Das Gegenteil ist der Fall!

Ohne auf notwendige gesetzliche Änderungen einzugehen, könnte in Sachsen eine reformierte Finanzkontrolle wie folgt aussehen: Als wahrscheinlich optimalste Rechtsform werden die Prüfungen von einer Anstalt des öffentlichen Rechts durchgeführt, welche den Namen “Sächsische Revisionskammer” trägt.

Die SRK ist zuständig für die Prüfung aller 10 Landkreise sowie der Städte und Gemeinden des Freistaates ab 10.000 Einwohnern, was mit der Beendigung der Trennung von örtlicher und überörtlicher Prüfung verbunden ist. Aufgabe der SRK ist es, Prüfungen durchzuführen. Demzufolge gehören Beratungsleistungen nicht dazu.

Die SRK ist mit Sanktionsrechten ausgestattet, konkret mit dem Recht, Ordnungsstrafen bis 100.000 Euro zu verhängen.

Höchste Priorität kommt der Personalauswahl (Prüfer, Leitungspersonal) zu, weil dieses hohen fachlichen, psychischen und physischen Anforderungen genügen muss. Besonderer Wert ist auf Teamfähigkeit, eine optimale Zusammensetzung von erfahrenen und jungen Prüfern, eine gute Mischung von männlichem und weiblichem Personal, die Einstellung von Fachhochschulabsolventen, Bauprüfern und EDV-Spezialisten zu legen. Auch Wirtschaftsprüfer sind im angemessenen Rahmen zu berücksichtigen. Die Anstellung von Juristen ist auf ein Mindestmaß zu beschränken, Leitungsfunktionen sind mit hochqualifizierten Finanzrevisoren zu besetzten, also nicht mit Juristen bzw. ehemaligen Richtern. Keine Chance haben Selbstdarsteller, Eigenbrötler und Erbsenzähler. Eine Verbeamtung erfolgt nicht. Zur Wahrung der Neutralität ist die Zugehörigkeit zu Parteien auszuschließen. An erster Stelle ist das Personal der RPA zu berücksichtigen, wobei eine automatische Übernahme nicht erfolgt. Ausgeschlossen ist die Einstellung von Leitungspersonal des SRH. Bei der Einstellung von Prüfern des SRH ist sehr verantwortungsbewusst und “sparsam” zu verfahren.

Und wieviel Prüfer sind sinnvoll für ein Bundesland wie Sachsen?

Die SRK verfügt anfangs über 332 Planstellen (ohne Verwaltungspersonal). Hauptsitz ist Leipzig. Außenstellen werden in Dresden, Chemnitz, Görlitz und Plauen eingerichtet. Die Prüfungstätigkeit wird von 10 Revisionsteams durchgeführt, welche jeweils aus 33 Personen bestehen (1 Teamleiter, 1 Stellvertreter, 8 Verwaltungsprüfer, 8 betriebswirtschaftliche Prüfer, 8 Bauprüfer, 6 EDV-Prüfer, 1 Jurist). Der Einsatz der Prüfer erfolgt wohnortnah. Prüfungen werden nicht angekündigt.

Die Finanzierung erfolgt über eine Umlage. Den überwiegenden Teil der Kosten trägt der Freistaat.

Die Gebietskörperschaften und Ministerien sind verpflichtet, die SRK über Finanzdelikte zu informieren.

Und der Unterschied zur heutigen Verfahrensweise?

Gegenüber den gegenwärtigen Strukturen und der Arbeitsweise gibt es gewaltige Unterschiede, die ich nur andeuten möchte. Wirtschaftlicher Einsatz von Personal und Technik, optimale Gestaltung der Weiterbildung, Auflösung des SRH, Beendigung der Unterstellung der RPA unter die Bürgermeister und Landräte, wesentliche Verbesserung der Motivation der Prüfer sowie des Arbeitsklimas, enorme Erhöhung der Fachkompetenz, Unberechenbarkeiten der Prüfungen, bessere Auswertung von Prüfungsfeststellungen, Leistung eines erheblichen Beitrages zur Konsolidierung der Haushalte sowie nicht zu vergessen, das Abschreckungpotential als letzte anzuwendende Maßnahme.

Die dringend erforderliche Ausbildung von künftigen Finanzrevisoren ist von den Fachhochschulen für öffentliche Verwaltungen (auch von der Fachhochschule Meißen) zu gewährleisten. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf.

Die Vision, wie es anders gehen könnte, gibt es also. Bleibt nur die drängende Frage: Lässt das Thema die Verantwortlichen in Sachsen nicht einfach kalt? Wer will sich denn schon auf die Finger schauen lassen? – Das wird morgen Thema an dieser Stelle.

Freie Wähler Sachsen zur Finanzkontrolle: http://sn.freiewaehler.eu/freie-wahler-sachsen-wollen-mehr-sorgsamkeit-mit-offentlichem-geld-und-steuerehrlichkeit

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