Eigentlich ist doch alles in Ordnung. So jedenfalls liest sich die Antwort des Sozialdezernats auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion vom März. Die Zahl der für die Vorschuluntersuchungen in den Leipziger Kindertagesstätten verfügbaren Ärztinnen und Ärzte wurde jüngst erst von 10 auf 11 erhöht, die Untersuchungsquote bei den 4- und 6-Jährigen deutlich gesteigert. Aber Katharina Krefft, gesundheits- und sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, liest die Zahlen ein wenig anders.

“Die Kita-Untersuchungen, die bei Kindern im 4. Lebensjahr durch die Kommune verpflichtend durchgeführt werden, sind in Leipzig in den vergangenen Jahren deutlich rückläufig gewesen”, ist ihr Resümee aus der Antwort des Sozialdezernats. “Obwohl die Durchführung laut §7 (2) SächsKitaG für die Kommune obligatorisch geregelt ist, kommt die Stadt Leipzig dieser Pflicht immer ungenügender nach. Gründe dafür sind in erster Linie im mangelnden Personalbestand des Gesundheitsamtes zu finden. Während sich die Zahl der zu untersuchenden Kindergartenkinder zwischen 2006/07 bis 2012/13 um 28 % von 3.533 auf 4.522 und bei den zu untersuchenden Schulanfängerinnen und Schulanfängern um 27 % von 3.735 auf 4.737 erhöhte, stieg die Zahl der Ärztinnen und Ärzte im Gesundheitsamt lediglich von 10 auf 11, also um 10 %.

In der Folge entwickelte sich die Zahl der tatsächlich untersuchten Kita-Kinder rückläufig, weil sich die Verwaltung vor dem Hintergrund immer knapper werdender personeller Ressourcen auf die Schuleingangsuntersuchung konzentrierte, die neben der Kommune auch für die Eltern verpflichtend geregelt ist. So sank die Zahl der untersuchten Kindergartenkinder im vierten Lebensjahr zwischen 2010/11 von 82,6 % auf lediglich noch 51,4 % im Vorjahr 2012/13. Das bedeutet, dass nur noch bei jedem zweiten Dreijährigen die Kita-Untersuchung vorgenommen und so Fehlentwicklungen in sprachlichen und motorischen Bereichen etc. bis zur Einschulung nicht mehr genügend begegnet werden konnte.”

Die ergänzenden Zahlen findet man im Kindergesundheitsbericht der Stadt Leipzig für das Jahr 2013. Dort steht der deutliche Satz: “Die Grafik zeigt, dass im Untersuchungszeitraum 2006/07 – 2010/11 jeweils über 70 bzw. 80 % der Kita-Kinder untersucht wurden, in den vergangenen zwei Untersuchungsjahren (2011/12 und 2012/13) aber aus personellen Gründen nur ca. jedes zweite Kita-Kind der anspruchsberechtigten Altersgruppe.”Heißt also im Klartext: Es nützt wenig, wenn das Gesundheitsamt die frei werdenden Ärztestellen recht zügig wieder besetzt – der Personalstamm von 11 Ärztinnen und Ärzten für die Vorschuluntersuchungen ist schlichtweg zu gering und müsste dringend aufgestockt werden. Die Stadt konzentriert sich zudem verstärkt auf die Untersuchung der Sechsjährigen, lässt dabei aber ein riesiges Loch bei den Vierjährigen aufreißen. Und das, obwohl auch Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) immer wieder betont, dass wichtige Weichen im Bildungsweg der Kinder schon im Kindergarten gestellt werden. Hier kann (und muss) gegengesteuert werden, wenn die Kinder altersuntypische Defizite im sprachlichen, sozialen und motorischen Bereich haben. Aber wenn nur jedes zweite Kind ärztlich untersucht wird, bleiben diese Dinge bei vielen Kindern unentdeckt und führen dann in der Vorschuluntersuchung zu hohen Befundzahlen.

Auffällig angestiegen sind in den Schulaufnahmeuntersuchungen der letzten beiden Jahren z. B. die Befunde bei Sprachauffälligkeiten, Feinmotorik und herabgesetztem Hörvermögen. Manchmal sogar im Gegensatz zu den Ergebnissen der Kita-Untersuchungen bei den Vierjährigen. Was wohl auch bedeutet, dass viele dieser Entwicklungen nicht früh genug entdeckt wurden und nun direkt vor Schuleintritt natürlich zu Problemen führen. Muss das Kind gar auf eine Förderschule oder genügt in der Grundschule besonderer Förderbedarf (was die Frage nach den Inklusions-Möglichkeiten in Leipzigs Schulen stellt) oder wird es – jetzt mit entsprechenden Therapieangeboten – noch ein Jahr zurückgestellt.

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“Dieser alarmierenden Entwicklung muss schleunigst entgegengewirkt werden. Hierfür braucht es neben dringend notwendiger personeller Verstärkungen im Gesundheitsamt auch eine bessere organisatorische Herangehensweise und die verstärkte Kooperation mit niedergelassenen freiberuflichen Kinderärzten”, sagt Katharina Krefft dazu. “Da Neueinstellungen in diesem Bereich in der Vergangenheit häufig bis zu 6 Monate in Anspruch genommen haben, fordern wir nunmehr mittels unseres eingereichten Stadtratsantrags, die Verstärkung des personellen Bereiches im Gesundheitsamt um zwei Stellen frühzeitig vorzubereiten, um pünktlich zum neuen Haushaltsjahr ab Januar 2015 mit zusätzlichem Personal agieren zu können und zukünftig die vom Gesetzgeber auferlegte Pflichtaufgabe entsprechend des Auftrages umsetzen zu können.”

Die Antwort des Sozialdezernats: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/22C16CB005412E57C1257CAC0044098C/$FILE/V-f-1101-antwort.pdf

Der Bericht zur Kindergesundheit 2013: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/FD4F41CEDBAF1E1DC1257C5C00288A88/$FILE/V-ds-3552-text.pdf

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