Torsten Schönebaum (rad-le.de): Lieber Herr Julke, mir scheint es, als hätten auch Sie das eigentliche Problem in der Karl-Liebknecht-Straße nicht erkannt. Das Problem sind nicht das separate Straßenbahngleis oder der ruhende Verkehr, sondern die Tatsache, dass sich jeden Tag 14.000 Kraftfahrzeuge durch dieses (für die Nutzungsbedürfnisse) Nadelöhr quetschen.

Ein bummelnswerter Boulevard verträgt sich nun mal schlecht mit Blechlawinen – die meisten Top-Geschäftsstraßen in Deutschland sind nicht umsonst Fußgängerzonen. Insofern würde ich mir von der Stadtverwaltung etwas mehr Mut wünschen, das vom Stadtrat beschlossene Ziel, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs zu senken, tatsächlich zu verfolgen. Eine entschleunigte Karli könnte dabei ein Schritt sein.

Sie sollten außerdem die rechtlichen Anforderungen nicht unterschätzen. Wenn Sie fordern, dass in der Karli der ruhende Verkehr eingeschränkt wird, so ist das zusammen mit Radstreifen einfach nicht drin: Die Verwaltungsvorschrift zur StVO fordert als Voraussetzung für die Anordnung von Radfahrstreifen glasklar, dass “die Verkehrsbelastung und Verkehrsstruktur auf der Fahrbahn sowie im Umfeld die örtlichen Nutzungsansprüche auch für den ruhenden Verkehr nicht entgegenstehen.” Ohne genügend Raum für den ruhenden Verkehr keine Radstreifen, so einfach ist das.

Apropos Anforderungen: Die geplante Breite von 1,85 m für die Radstreifen entspricht nicht den Anforderungen, die durch die ERA 2010 (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, sind laut VwV-StVO zu berücksichtigen) gestellt werden. Dort heißt es nämlich: “Radfahrstreifen sollen inklusive der Fahrstreifenbegrenzungen (Breitstrichmarkierung [== 0,25 m, meine Anm.]) 1,85 m breit sein. Bei hohen Kfz- bzw. Radverkehrsstärken, einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von mehr als 50 km/h oder häufigem Auftreten von Fahrrädern mit Anhängern sollte die Breite mindestens 2,00 m betragen. In der Karli gibt es sowohl hohe Kfz- als auch Radverkehrsstärken, damit müssten die Radstreifen mit mindestens 2 Metern Breite geplant werden.

Diese beiden Punkte verdeutlichen, dass der Ansatz, sowohl für Straßenbahn, Kraft- sowie Radverkehr eigene Verkehrsflächen zu schaffen, nicht funktionieren kann, weil die rechtlichen Anforderungen nie erfüllt werden können. Stadtverwaltung und LVB täten gut daran, diese Tatsache endlich zur Kenntnis zu nehmen. So drängt sich der Verdacht auf, dass es bei dem Beharren auf einem separaten Gleis vor allem darum geht, einen möglichst großen Teil des Umbaus von Land und Bund bezahlt zu bekommen. Das mag ja für den städtischen Haushalt ganz nett sein, für die Aufenthaltsqualität in der Karli ist es aber ein Desaster.

Viele Grüße,
Torsten Schönebaum

Zum Artikel vom 8. März 2012 auf L-IZ.de
Skurrile Fronten in der “KARLI”: Ökolöwe, ADFC und FUSS e.V. vereint gegen separates Gleis

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