Von Marco Friedrich: Es war ja irgendwie abzusehen: Erst schreien alle nach dem gesetzlichen Mindestlohn, und jetzt schreien alle, wer das bezahlen soll. Das Taxigewerbe ist bekanntermaßen schon längst keine Goldgrube mehr, man kommt mit den von Städten und Gemeinden verordneten Tarifen meist gerade so über die Runden - aber nur mit Fahrern, die allzu oft deutlich unterhalb des Mindestlohns arbeiten. Aber ausgerechnet die Voraussetzungen, Taxifahrer zu werden, haben das Gewerbe in den letzten 20 Jahren erst zugrunde gerichtet. Die Prüfungen sind überholt, weil zu einfach.

Beispiel: Zum Erwerb eines Angelscheins benötigt man 30 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten und muss am Lehrgangsende eine theoretische Prüfung bestehen. Mit der Durchführung des Fischereischeinlehrgangs sind die Kreis-Angelverbände beauftragt. Die Prüfung wird von einer Prüfungskommission des Landessportfischereiverbandes abgenommen. Wenn man die Prüfung besteht, darf man Fische angeln!

Um Taxifahrer zu werden, benötigt man eine MPU (drei Stunden), einen Ortskundelehrgang (sofern angeboten, drei Stunden) und eine Ortskundeprüfung (45 min). Kurz: Jeder Idiot kann Taxifahrer werden und dann Menschen befördern. Ab und zu auch mal ins Jenseits, denn ein Fahrsicherheitstraining bietet kein Taxiunternehmen an. Das erklärt auch, warum massenweise Typen hinterm Steuer sitzen, die kaum Deutsch sprechen und fahren als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her. Klar, damit sinkt das Niveau und sehr zur Freude des Taxiunternehmers auch die Löhne …

Weiterhin ist es so, dass viele Taxiunternehmer von ihren Fahrern einen gewissen Kilometerschnitt verlangen, denn Leerkilometer kosten Geld. Wird der Kilometerschnitt nicht erbracht, werden Leerkilometer vom Lohn abgezogen. Und ein Leipziger Taxiunternehmen – ja Frau Zausch, ich rede von Ihnen – hat nach der letzten Tariferhöhung seinen Fahrern zuerst einmal die Provision gekürzt.
Zur Bezahlung: Aktuell gibt es drei Möglichkeiten: Nur Festlohn, nur Provision oder Festlohn plus Provision. Festlohn bedeutet meistens Aushilfe, Minijob oder Aufstocker. Nur Provision macht sich gut, wenn man nebenbei Taxi fährt. Festlohn plus Provision gilt meistens für festangestellte Fahrer. Soll heißen: Wenn man gut verdienen will, muss man auch gut Geld reinfahren. Das ist zugegeben nicht immer einfach, aber die Motivation ist vorhanden. Zahlt man den Fahrern jetzt aber ihre 8,50 ? werden viele auf der Taxe nur noch ihrer Zeit absitzen – sie bekommen ja ihr Geld so oder so.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Monate Januar und Juli/August nun einmal die umsatzschwächsten sind. Der Januar, weil die Leute ihr Geld im Dezember verpulvert haben und Juli/August, weil Ferien sind. Umsatzeinbrüche von 25-30 Prozent gegenüber den Vormonaten sind keine Seltenheit – wie sollen die Unternehmer das ausgleichen, wenn die Lohnkosten gleich bleiben? Die Unternehmer stehen unter Druck: Man muss Aufträge an Land ziehen, damit die Fahrer etwas zu fahren haben. Die Kunden wiederum, versuchen die Preise zu drücken. Hauptsache billig, denn Geiz ist Geil. Aber natürlich will man für die Billigpreise nur die besten Autos. Dass das nicht funktioniert, will keiner wissen.

Eine weitere Tatsache: Immer wird auf die 12-Stunden-Schichten eingedroschen: Es gibt 8-Stunden-Verträge. 12 Stunden sind optional und auch völlig legal. Man darf 12 Stunden nur nicht überschreiten. Jede Schicht läuft anders und dauert unterschiedlich lang – das ist die Entscheidung des Fahrers.

Nein, ich bin keineswegs gegen einen Mindestlohn. Was ich sagen will: Solange niemand Interesse hat, das Taxigewerbe zu reformieren (Fahrer ausbilden, Fahrstil und Service verbessern), ist der Mindestlohn nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und an die Gewerkschaft Ver.di: Ihr habt euch bisher einen Dreck ums Taxigewerbe geschert. Eure plötzliche “Fürsorge” ist an Chuzpe kaum zu überbieten.

Zum Artikel vom 14. September 2014 auf L-IZ.de

Mindestlohn für Taxifahrer: Erster Anlauf voll gegen die Wand

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar