Bei der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die Ampel im Herbst 2021 herrschte bei den geschätzt drei Millionen Cannabiskonsumenten hierzulande Feierlaune. Auch in Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf dem Anbau und Vertrieb von Cannabisprodukten basiert, knallten die Champagnerkorken. Hatte die neue Koalition doch die „kontrollierte Abgabe von Cannabis (Hanf) an Erwachsene in lizenzierten Geschäften“ ins Koalitionspapier geschrieben.

Nach gut zwei Jahren, die die jetzige Koalition an der Macht ist, sind die Jubelschreie leiser geworden und vorsichtigem Optimismus gewichen. Aufgrund drohender Einsprüche aus Brüssel wurde das Vorhaben abgespeckt und in ein zweistufiges Modell umgewandelt.

Um die Details wurde noch bis kurz vor der parlamentarischen Winterpause gestritten, wodurch es zu weiteren Verzögerungen kam. Jetzt ist die Angelegenheit wohl ausreichend debattiert worden und ein erster Teilschritt steht unmittelbar bevor. Wie ist der aktuelle Stand?

Welche Ziele werden mit der Legalisierung verfolgt?

Bei ihrem Wunsch zur Legalisierung von Cannabis gingen die Verantwortlichen davon aus, dass die jetzige Form des Cannabis-Verbots, das aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammt, nicht mehr zeitgemäß ist. Schließlich ist Hanf eine Natur- und Heilpflanze, deren vielfältiger Nutzen den Menschen schon vor Tausenden von Jahren gute Dienste leistete.

Doch aufgrund des psychoaktiven Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) wurde Hanf in vielen Ländern auf die Verbotsliste gesetzt und harten Drogen wie Heroin gleichgestellt. Cannabis galt seither in weiten Bevölkerungskreisen als verfemt. Diese Einstufung ist heutzutage nicht mehr ganz aktuell.

Gilt Cannabis doch schon seit Längerem als eher „weiche Droge“ und wird schon einige Zeit wieder als natürliches Heilmittel getestet. Der Bann führte nicht zu den gewünschten Erfolgen. So konnte weder der Konsum eingeschränkt werden, noch ging die Kriminalitätsrate entscheidend zurück.

Daher wurde das kanadische Modell der Legalisierung als Vorbild genommen, um das Verbot auch hierzulande zu kippen. Seit 2018 sind dort der Anbau, der Handel und der Konsum flächendeckend liberalisiert. Cannabissamen können bei Zamnesia oder anderen Online-Anbietern inzwischen schon legal erworben werden. Damit will Berlin die folgenden Ziele erreichen:

  • Stärkung des Jugend- und Gesundheitsschutzes.
  • Absenkung der Drogenkriminalität und Entlastung von Polizei und Justiz.
  • Bekämpfung des Schwarzmarkts.
  • Erhöhung der Steuereinnahmen, die Mehreinnahmen sollen Aufklärung und Prävention stärken.

Medizinisches Cannabis schon seit 2017 erlaubt

Große Hoffnung auf eine reibungslose Umsetzung der Legalisierung setzen auch Patienten, die hoffen, so leichter und günstiger an ihr Medikament zu gelangen, als es bei den Auflagen der derzeitigen medizinischen Nutzung der Fall ist. So darf Cannabis seit Jahren unter bestimmten Voraussetzungen etwa in der Schmerztherapie eingesetzt werden.

Wie handhaben andere Länder das Cannabis-Verbot?

Auch andere Länder betrachten das Cannabis-Verbot in der jetzigen Form als nicht mehr tragbar:

  • Niederlande: Seit 1976 wird der persönliche Gebrauch nicht mehr gesetzlich verfolgt.
  • Schweiz: Der Besitz von weniger als zehn Gramm gilt als Ordnungswidrigkeit und wird nicht mehr strafrechtlich verfolgt.
  • Uruguay: Legalisierung von Anbau und legaler Verkauf in Apotheken seit 2014.
  • Kanada: Seit 2018 darf jeder Erwachsene 30 Gramm besitzen und bis zu vier Pflanzen anbauen.
  • USA: In 18 Bundesstaaten, darunter Kalifornien und New York, ist der Konsum und der Besitz für alle Erwachsenen legal.
  • Portugal: Der Besitz von bis zu 25 Gramm kommt seit 2004 nicht mehr zur Strafverfolgung.
  • Tschechien: Jeder Erwachsene darf seit 2010 bis zu 15 Gramm besitzen.
  • Belgien: Der Besitz von drei Gramm und einer Pflanze ist legal.

Hürden in der europäischen Gesetzgebung

Leider machte die Gesetzgebung der Europäischen Union (EU) den hehren Absichten der aktuell Regierenden einen Strich durch die Rechnung. Dabei regelt das 1985 verabschiedete Schengen-Abkommen den freien Waren- und Personenverkehr. Allerdings wurden für Drogen einige Zusatzklauseln auferlegt, die den grenzüberschreitenden Handel von suchtauslösenden Substanzen verbieten.

Mit einem Rahmenbeschluss von 2004 wurden die Restriktionen um das Verbot „des Anbietens, des Vertriebs und der Lieferung von Drogen“ erweitert. Aus diesem Grunde sah sich der verantwortliche Minister Lauterbach angehalten, die ursprüngliche Fassung der Legalisierung abzuschwächen.

INFOGRAFIK von Th. Grote

Abgespeckte Cannabis-Legalisierung – das 2-Säulen-Modell von Minister Karl Lauterbach

Aufgrund der zu erwartenden Einsprüche der EU hat Lauterbach sein Vorhaben zusammengestrichen. Heraus kam ein Gesetzesvorschlag, um den bis zuletzt gestritten wurde.

Die Legalisierung soll in zwei Stufen eingeführt werden. Die erste umfasst den Konsum und den Anbau und soll im nächsten Frühjahr in ein Gesetz gegossen werden. Danach wird eine zweite Stufe eingeführt, bei der die Auswirkungen der Kommerzialisierung in ausgewählten Modellregionen unter die Lupe genommen werden.

Säule 1 der Cannabis-Legalisierung

Um die Inhalte der ersten Säule wurde bis zuletzt gefeilscht. Die aktuelle Version vom Dezember 2023 (Auszüge) nennt die folgenden Punkte:

  • Cannabis wird von der Liste der besonders gefährlichen Substanzen gestrichen.
  • Der Anbau und die Abgabe werden über sogenannte „Social-Clubs“ abgewickelt. Diese dürfen keine Gewinne erzielen. Die Mitgliederzahl ist auf 500 Personen begrenzt und vom Wohnort abhängig. Die Clubs müssen einen Suchtbeauftragten benennen und ein Gesundheitskonzept vorlegen.
  • Jeder Erwachsene darf bis zu drei Pflanzen im Eigenanbau hochziehen.
  • Der Konsum bleibt im Radius von 100 Metern um Schulen und Kindergärten verboten.
  • Der Besitz von 25 Gramm durch den Erwerb in Social-Clubs beziehungsweise von 50 Gramm aus Eigenanbau ist zukünftig straffrei. Eine geringfügige Überschreitung dieser Mengen wird als Ordnungswidrigkeit gewertet. Dabei kann von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Allerdings liegen im Einzelfall auch Bußgelder von bis zu 30.000 Euro im Bereich des Möglichen.
  • Frühere Verurteilungen, die auf dem Besitz dieser Mengen beruhen, werden auf Antrag aus dem Strafregister gestrichen.
  • Import und Export von Cannabisprodukten bleiben verboten.
  • Für den Straßenverkehr wird bis zum 31. März 2024 ein Grenzwert festgelegt.
  • Produktion und Vertrieb von synthetischem Cannabis ist verboten.
  • Die Maßnahmen werden nach vier Jahren einer staatlichen Überprüfung unterzogen.

Säule 2 der Cannabis-Legalisierung

Von der zweiten Säule sind noch wenige Inhalte bekannt. Dabei geht es um den flächendeckenden Vertrieb, der in Modellregionen erprobt werden soll. Über deren Zusammensetzung gibt es noch keine verlässlichen Aussagen.

Im Kern soll der kommerzielle Anbau und die kontrollierte Abgabe in lizenzierten Geschäften geprüft werden. Der so organisierte Vertrieb und die entstehenden Lieferketten werden dabei wissenschaftlich begleitet und die Auswirkungen auf den Schwarzmarkt untersucht. Der Versuch ist auf fünf Jahre angelegt und soll nach der Gesetzwerdung von Säule 1 in Angriff genommen werden.

Viele Anhänger einer kompletten Legalisierung äußern sich enttäuscht über die ausgehandelte Fassung und sehen sie als zu kompliziert an. Dennoch ist es ob der schwierigen Ausgangslage bemerkenswert, dass ein solch großer Schritt schon nach gut der Hälfte der Legislaturperiode umgesetzt wird.

Insbesondere ist dabei die Streichung von Cannabis von der Liste der gefährlichen Substanzen zu nennen, wodurch dem Rausch- und Genussmittel der Schrecken genommen wird. Auch die Anhebung der Mindestbesitzgrenzen dürfte dem Ziel der Entlastung des Justizapparats Vorschub leisten.

Wie sich die zweite Säule der Legalisierung auswirkt, steht derzeit noch in den Sternen. Auf jeden Fall ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der erste legale Joint in Deutschland ab dem 1. April 2024 angesteckt werden darf.

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