Zögerlich, ganz zögerlich beschnupperte die Leipziger Stadtverwaltung in den letzten Jahren das Thema "wildes Parken" in Schleußig. Zog sich über ein paar Jahre auch völlig zurück. Bis ein Aufschrei von Schleußiger Eltern die Sache wieder aufs Tapet brachte. Seit April wird zwar auch der ruhende Verkehr wieder kontrolliert. Wer aber derzeit durch die Brockhausstraße fährt, sieht keine Veränderung.

Gewohnheiten sitzen tief. Und es wird eine Weile dauern, bis in Schleußig neue Verhaltensweisen Raum greifen. Zwei Bauprojekte sollen zumindest erste Lösungen schaffen. Das eine ist der Umbau der Könneritzstraße ab 2015. Die SPD-Fraktion hat schon den Bau einer weiteren Haltestelle in Höhe Schnorrstraße beantragt, damit den Schleußigern das Einsteigen in die Straßenbahn leichter fällt.

Denn das haben die Workshops und Untersuchungen von 2008/ 2009 recht deutlich gezeigt: Das Problem der “zu vielen Autos” ist komplex. Man kann es nur durch mehrere Maßnahmen gleichzeitig entspannen. Neben der besseren Einbindung des 12.000-Einwohner-Ortsteils in den ÖPNV ist die Schaffung zusätzlicher Stellplätze natürlich ein Ansatz. Der aber, das hat auch die Stadtverwaltung so schon konstatiert, auch nicht von allein funktioniert. Es gibt zwar auf der Brache in der Rochlitzstraße seit geraumer Zeit ein Stellplatzangebot. Doch die Fläche ist auch am Wochenende fast leer, während in der nahen Brockhausstraße weiterhin Fußwege und Kreuzungen zugeparkt sind.

Trotzdem forciert die Stadt jetzt das Projekt einer Quartiersgarage. Die Schaffung planungsrechtlicher Voraussetzungen für die Errichtung einer Quartiersgarage an der Rochlitzstraße war Thema in der Dienstberatung des OBM am Dienstag, 30. April. Ziel ist ein entsprechender Bebauungsplan. Oberbürgermeister Burkhard Jung will auf Vorschlag von Baubürgermeister Martin zur Nedden im Juni die Vorlage zum Aufstellungsbeschluss in den Stadtrat einbringen.

“Die Quartiersgarage soll zu einer Entspannung der Stellplatzproblematik in Schleußig beitragen, insbesondere im Bereich östlich und westlich der Könneritzstraße und der anliegenden Straßenzüge”, sagt Martin zur Nedden.In dem durch gründerzeitliche Bebauung geprägten, fast völlig sanierten Stadtteil gibt es deutlich mehr Autos als Stellflächen im öffentlichen Raum, schätzt die Stadtverwaltung ein. Unbebaute Flächen und Baulücken stehen kaum noch zur Verfügung, daher soll die vom Verfahren betroffene Fläche für diesen Zweck gesichert werden.

“Die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Untersuchungen und die Diskussionen haben deutlich gezeigt, dass es aufgrund der Straßenquerschnitte, Gehwegbreiten und der vorhandenen Straßenbäume kaum Möglichkeiten gibt, deutlich mehr Stellplätze im öffentlichen Raum zur Verfügung stellen zu können”, erläutert Baubürgermeister Martin zur Nedden. “Vielmehr kann nur das Zusammenwirken verschiedener baulicher und organisatorischer Maßnahmen dazu beitragen, eine Entspannung der Parksituation herbeizuführen.”

Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens sollen auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden.

Schleußig ist für Leipzig gewissermaßen auch ein Modellstadtteil, denn aufgrund seiner Insellage hat Schleußig kaum Möglichkeiten zum Wachsen. Der Stadtteil ist attraktiv. Gerade Familien mit Kindern leben hier. Das Durchschnittsalter von 35,2 Jahren liegt satte 8,6 Jahre unter dem Altersdurchschnitt der Stadt. Auf 12.463 Einwohner kommen knapp 4.400 Kraftfahrzeuge, darunter 3.900 private Pkw. Das ist – auf den Leipziger Pkw-Besatz gerechnet – sogar unterdurchschnittlich. Der Durchschnitt in Leipzig liegt bei 345 Pkw auf 1.000 Einwohner, in Schleußig waren es 2012 immerhin 319.

Mehr zum Thema:

Eine Lösung für das Parkproblem in Schleußig: SPD-Fraktion beantragt eine zusätzliche Haltestelle
Ab 2015 soll die Könneritzstraße saniert …

Parkchaos in Schleußig: Höchste Zeit für eine moderierte Bürgerwerkstatt
Alles offen in Schleußig? …

Ein kleines Monitoring zum Leipziger Wohnungsmarkt: Die wachsende Stadt bekommt ganz neue Probleme
Passend zur beginnenden Immobilienmesse …

Das ist mehr als in der Südvorstadt (288) oder Connewitz (291), aber auch wieder weniger als in Gohlis-Süd (347) oder Gohlis-Mitte (369). Wobei die Letztgenannten gerade auf dem besten Weg sind, dieselben Phänomene zu erleben wie Schleußig – mit zugeparkten Gehwegen, Fahrbahnen, Kreuzungen. Das Problem ist eigentlich keines. Die Entwicklung macht nur sichtbar, dass die Stadt nie für diese Mengen geparkter Mobilität gebaut wurde. Die Bewohner, die als erste diese Quartiere bezogen, brauchten keine Stellplätze. Das Straßenbahnnetz war noch wesentlich dichter als heute. Motorisierte Freizeit- und Einkaufsverkehre gab es praktisch nicht, genauso wenig wie die Autotouren mit Kind und Kegel zu Kindertagesstätten und Schulen.

Schleußig ist das Testfeld für eine mögliche neue Mobilitätsgestaltung in Leipzigs dicht bebauten Gründerzeitquartieren. Und es ist absehbar, dass alle Lösungsvorschläge, die hier funktionieren, auch auf andere Stadtquartiere übertragen werden müssen. Denn wenn das Stadtwachstum so weitergeht, wird es ähnliche Phänomene auch in anderen innerstädtischen Quartieren mit sich bringen. Gohlis-Mitte ist längst ein Thema, das sich durch das so genannte “Stadtteilzentrum Gohlis” nicht entspannt, sondern verschärft hat.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar