Als die Stadtverwaltung im August die neue Fassung zum Bebauungsplan Nr. 232 „Erholungsgebiet Kulkwitzer See“ vorlegte, war es eher wie das Blupp eines Steines, den man ins Wasser wirft. Ein kleines Glucksen, dann war Stille. Was aber nur zu verständlich war, denn der Bebauungsplan ist ein Monstrum aus zwölf Teilen. Und die echten Kontroversen verstecken sich wieder in einem Berg von Beschreibungen. Aus Sicht der Linksfraktion ist das Ganze nicht besser geworden.

Im ersten Anlauf war der Versuch, einen Bebauungsplan aufzustellen, 2009 ja bekanntlich gescheitert. Zu deutlich war die Stadt Leipzig darauf bedacht, große Teile des östlichen Ufers für gewerbliche Nutzung zu sichern – darunter auch Gebiete, die sich in den vergangenen Jahren zu wichtigen Biotopen entwickelt hatten. Gerade die Grünauer liefen Sturm, weil ihr See damit zunehmend zu einem privaten Vermarktungsobjekt geworden wäre.

Logisch, dass es nun beim zweiten Anlauf zu einer sehr breiten Bürgerbeteiligung kam. Allein die Stellungnahmen von Institutionen des öffentlichen Bereichs umfassen 40 Seiten, die aus der Bürgerbeteiligung 154. Vieles ist so konkret, das man eigentlich hätte erwarten können, dass die Verwaltung gerade auf die Änderungen in den Streitpunkten dezidiert eingeht und schildert, wie die großen Leitlinien aussehen werden und wie man die Interessenlagen der Bürger berücksichtigen will.

Aber das ist nicht passiert.

Deswegen verblüffte, dass die SPD im September schon vorpreschte und das dicke Werk regelrecht zum Großen Wurf stilisierte.

„Die Sozialdemokraten im Stadtteil Grünau begrüßen den vorgelegten Bebauungsplan Kulkwitzer See“, meldete der dortige Ortsverband. „Insbesondere herrscht Freude über den zukünftigen Ausbau der Wegeverbindung von der Endstelle der Linie 1 zum See, für den nunmehr auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Dafür hatte die Grünau SPD den Anstoß gegeben und seit Jahren gekämpft. Dennoch wird auch Nachbesserungsbedarf am B-Plan gesehen, z. B. bei der Finanzierung und tatsächlichen Umsetzung der Sanitäranlagen, beim langfristigen Erhalt aktueller gastronomischer Einrichtungen und wassersportlicher Nutzungen sowie Unklarheiten bei Zufahrtswegen.

Entsprechend staunte man, wie Heiko Bär, Stadtrat und Grünauer SPD-Chef, nach dieser ersten Bestandsaufnahme dann erklärte: „Der B-Plan Kulkwitzer See gibt den Grünauern Sicherheit über die zukünftige Entwicklung des Sees. Durch maßvolle Entwicklung touristischer Nutzungen, z. B. bei Campingplätzen oder einem kleinen und baulich zurückgesetzten Hotel wird die Finanzierungsgrundlage für den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur für die Naherholung geschaffen. Diese muss dann aber auch wirklich kommen, wie z. B. bei den Sanitäranlagen. Ich werde dem Stadtrat vorschlagen, mit Beschluss des B-Plans die Stadtverwaltung hierzu mit einer Maßnahmenplanung und finanziellen Untersetzung zu beauftragen. Ein positives Beispiel, wo der B-Plan für eine gute Entwicklung sorgen wird, ist die Wegeverbindung von der Endstelle der Linie 1 zum See. Hier sind die Fördermittel bereits beantragt und in den Haushaltsplan 2019/2020 eingestellt. Dafür haben wir als Grünauer SPD uns lange engagiert und freuen uns entsprechend über den Erfolg.“

Dass die SPD so ihre ganz eigene investorenfreundliche Sicht auf den See hat, bestätigte dann Frank Uhlemann, SPD-Stadtbezirksbeirat in Grünau: „Der B-Plan ist gut und wichtig, damit am See investiert wird. Wir wollen aber auch den langfristigen Erhalt bestehender Gastronomie über den reinen Bestandsschutz hinaus. Das betrifft beispielsweise die Klinke am Seeblick und die Strandhütte. Auch die Regelung für Anfahrtsmöglichkeiten, z. B. für die Tauchschule müssen konkretisiert werden. Hier brauchen wir noch Nachjustierungen.“

Siegfried Schlegel, Sprecher für Stadtentwicklung und Bau der Linksfraktion, hat sich nun extra zu einer Ortsbesichtigung aufgemacht und konnte dabei feststellen, dass in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Abschnitte des Nord- und Ostufers auf der Leipziger Seite des Kulkwitzer Sees abgezäunt wurden.

Da scheint man also schon eifrig Nägel mit Köpfen zu machen. Schlegels Meinung dazu: „Nunmehr soll der Stadtrat mit der Beschlussvorlage für die Sitzung am 18. Oktober hintergangen werden!“

Er weist darauf hin, dass auch der erste B-Planentwurf genau aus solchen Gründen kassiert werden musste. Die vielfältigen Interessen der Grünauer finden kaum Widerhall. Im Zentrum aber treibt Leipzigs Stadtverwaltung die wirtschaftliche Nutzung der Seen voran.

Nur zur Erinnerung: Bei der großen Befragung der Leipziger zur Entwicklung des Neuseenlandes äußerten sich 96 Prozent der Leipziger dafür, dass ein „öffentlicher und freier Zugang“ zu den Gewässern gewährt sein solle. Sie bevorzugen intakte Natur und gute Wasserqualität. Aber egal, was an Leipzigs Gewässern getan wird – die Stadt setzt immer wieder auf tourismuswirtschaftliche Nutzbarmachung.

Siegfried Schlegel: „Der ähnliche Planentwurf von 2009 war Anlass für einen Antrag der Linksfraktion, mit welchem der Stadtrat im gleichen Jahr den Grundsatzbeschluss fasste, innerhalb des Stadtgebietes grundsätzlich keine, auch nicht zeitlich befristete, Absperrungen von Uferstreifen an Seen und unbebauten Randbereichen von Flussläufen zuzulassen. Ergänzt wurde dieser durch einen SPD-Antrag, davon nur im Interesse des Allgemeinwohls und auch nur im Einzelfall abzuweichen.“

Privatisierungen von Strandbereichen und Uferwegen vor Campingplätzen oder Wochenendhausgebieten seien vom Allgemeinwohlinteresse nicht gedeckt, sagt Schlegel.

„Ausnahmen für Um- oder Abzäunungen einer technisch und technologisch notwendigen Fläche sind nur für Anlagen wie die Wasserskianlage oder Bootsanlegestege möglich. Eine Abzäunung von Strandbereichen ist auch im Hinblick auf Festsetzungen in verbindlichen Dokumenten der Regionalplanung nicht zulässig. Im Rahmen der Anhörungen und Bürgerbeteiligung zur Fortschreibung des Regionalplanes sowie der Konzepte zur Nutzung der Landschaft des nördlichen und südlichen Neuseenlandes wird immer die Forderung erhoben, dass die Ufer- und Strandbereiche der Naherholung jederzeit für jedermann zugänglich sein sollen“, sagt er. Und verpasst der Stadtverwaltung für diese Ignoranz jetzt die Rote Karte: „Diese Beschlusslagen sind bei der Erstellung des B-Planes bewusst ignoriert worden, und es wurde offenbar kein Abgleich mit den Dokumenten der Regionalplanung durchgeführt. Eine Privatisierung öffentlicher Räume, die noch dazu mit öffentlichen Mitteln hergestellt worden sind, ist nicht akzeptabel – auch nicht am Kulkwitzer See.“

Die Linke fordere deshalb – so wie viele Bürger auch: „In den als Grünflächen ausgewiesenen Ufer- und Strandbereichen ist grundsätzlich ein durchgängig begehbarer Uferweg anzulegen und zu unterhalten. Dies gilt für alle Gewässer in der Stadt. Wenn der Campingplatz Kulkwitzer See ein Schutzbedürfnis hat, kann er seine Fläche abzäunen. Jedoch nicht den Strand! Auch das Wochenendhausgebiet bedarf öffentlich gewidmeter Fahr- und Fußwege. Mit einem Änderungsantrag will die Linksfraktion die Rechtmäßigkeit der B-Planvorlage auf Basis der Beschlusslage herstellen.“

Der neue B-Plan enthält also noch immer die alten Streitpunkte, ohne dass es zu einem wesentlichen Umdenken gekommen wäre.

Mit einer Ausnahme, die durchaus die Frage nach der nächsten Zukunft aufwirft. Siegfried Schlegel: „Der Änderungswunsch des Ortschaftsrates Miltitz zur Streichung der S-Bahntrassen-Verbindung von Grünau Richtung Bahnhof Markranstädt wird von der Linksfraktion nicht mitgetragen, da diese außerhalb des Planbereiches liegt und somit Gegenstand anderer Planungsverfahren ist. Außerdem ist eine Stärkung des schienengebundenen Regionalverkehrs vor dem Hintergrund einer wachsenden Stadt und der Umlandkommunen ökologisch und vernünftig.“

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