Alle reden von der Rente. Aber wenn man Politikern so zuhört, hat man nicht gerade das Gefühl, dass sie wissen, wovon sie reden. Da wird von "längerer Lebensarbeitszeit" gesprochen. Aber tatsächlich sinkt das Alter, mit dem auch die Sachsen in Rente gehen, immer weiter. Futter für eine weitere bissige Analyse der Linkspartei.

“Rente erst mit 67? Fakten sprechen dagegen?” heißt die Studie zur Frühverrentung in Sachsen, die sie Anfang des Monats vorlegten. Eine Menge Stoff dazu hat wieder Dr. Dietmar Pellmann, sozialpolitischer Sprecher der Fraktion, zusammengetragen. Er löchert die Sächsische Staatsregierung regelmäßig mit Fragen zu sozialen Themen. Und das Bild, das sich da über die Jahre ergibt, ähnelt den Bildern zu Schule, Kita, Hochschulen … Die Erwartungen und Verheißungen der frühen Versprechungen treten nicht ein. Die Gesellschaft hat eine ganz andere Dynamik, als die Zimmerleute der diversen Gesetze behauptet haben.

Das ist natürlich Munition für die Linke: Die “Rente mit 67” ist nichts anderes als eine verkappte Rentenkürzung. Ganz so, als wären die verantwortlichen Politiker an einer konsumkräftigen Rentnerschaft gar nicht interessiert und auch nicht in der Lage, die wachsenden Belastungen für die Sozialetats auch nur abzuschätzen.

In den alten Bundesländern gingen 2011 Frauen mit durchschnittlich 63,6 Jahren und Männer mit 63,9 Jahren in Altersrente. In den neuen Ländern waren es bei Männern 63,0 Jahre und bei Frauen 61,6 Jahre. Sachsen lag voll im Durchschnitt des Ostens. In Deutschland ging 2011 die knappe Hälfte vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Altersrente, in Sachsen waren es hingegen 81 Prozent (zum Vergleich 2009: 75,9 Prozent), in den neuen Bundesländern insgesamt 73,8 Prozent.

Und das Beklemmende an der Entwicklung: Rückläufig ist in Sachsen nach wie vor die Anzahl der rentenwirksamen Beitragsjahre. Sie sank bei Männern 2011 gegenüber 2000 von 41,5 auf 39,8 Jahre. Bei Frauen stagnierte dieser Wert bei 38,4 Jahren. Bei Erwerbsminderungsrenten gibt es hinsichtlich des Renteneintrittsalters seit 20 Jahren faktisch keine Veränderung; bei Frauen beträgt es 50 und bei Männern 51 Jahre.
Sächsische Beamte begeben sich nach wie vor im Durchschnitt etwa drei bis vier Jahre früher als gesetzlich Rentenversicherte in den Altersruhestand: Im Jahr 2012 betrug das Alter 59,4 Jahre und hatte sich im Vergleich zu 2009, als es noch 59,7 Jahre waren, sogar verringert.

Dietmar Pellmann dazu: “Seit 2004 hat sich das reale Rentenniveau um 12 bis 15 Prozent verringert. Bei den gesamten Alterseinkünften liegt Sachsen nach wie vor um mehr als ein Fünftel unter dem westdeutschen Durchschnitt. Bei sächsischen Neurentnerinnen und Neurentnern sank die Rente 2011 gegenüber 2000 bei Männern um 86 Euro und lag damit um zirka 200 Euro unter der Durchschnittsrente. Bei Frauen betrug der Rückgang zwar nur 9 Euro. Das waren aber dennoch zirka 50 Euro unter der Durchschnittsrente. Frühverrentung führt meist zu dauerhaften Abschlägen und zu besonderer Gefahr von Altersarmut.”

Aber so recht scheint das Thema Altersarmut auf dem sonst so von “demografischer Entwicklung” begeisterten Landesregierung nicht aufgetaucht zu sein. Dietmar Pellmann: “Die Zahl derer, die in Sachsen wegen zu niedriger Renten auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist, hat sich seit 2003 um mehr als 50 Prozent erhöht und dürfte weiter kräftig ansteigen. Bei Frauen beträgt die Steigerungsrate sogar 60 Prozent. Gestiegen ist die Zahl der Personen über 65 Jahre, die einer bezahlten Beschäftigung nachgehen, meist um den Gang zum Sozialamt zu vermeiden. Hatten 2003 etwas mehr als 23.000 einen Minijob, so 2011 schon fast 30.000. Darüber hinaus waren mehr als 5.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt.”

Aber nun ausgerechnet Rentner als emsige Abeitsmarktreserve? Ist das das neue Lohnkosten-Sparmodell?

Vor diesem Hintergrund ist alles Gerede von einer “Rente mit 67” Augenwischerei. “Wir sind für die Rückkehr zur Rente mit 65, flexiblen früheren Übergang in den Ruhestand für besonders von Gesundheitsrisiken betroffene Berufsgruppen und die Rückkehr zum Wert von 53 Prozent des letzten Nettoeinkommens.”

Frühverrentung in Sachsen: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12213&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

Neurentnerinnen und Neurentner in Sachsen: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12214&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

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