Wenn du denkst, du hast'n, dann huppt er aus dem Kastn. Die Hälfte des Stadtrates fasste sich um 17 Uhr an den Kopf. Da hatte man nun ein halbes Jahr lang über die Aufwertung der Stadtbezirksbeiräte debattiert. Fast alle Stadtbezirksbeiräte haben die Aufwertung zu Ortschaftsräten begrüßt. Und dann scheitert der Grünen-Antrag mit 30 zu 33 Stimmen bei einer Enthaltung.

Er scheitert nicht direkt: Der FDP-Änderungsantrag zum Grünen-Antrag zur Gleichstellung von Stadtbezirksbeiräten mit den Ortschaftsräten erhält eine knappe Mehrheit. Das hebt ihn nicht auf. Aber das vertagt ihn wieder um mindestens ein halbes Jahr.

Zwar votierten die Stadtbezirksbeiräte für die Direktwahl und eine Stärkung ihrer Gremien, doch der Stadtrat mochte dem Anliegen der Stadtbezirksbeiräte und der Grünen-Stadtratsfraktion nicht folgen. Insbesondere die SPD setzte sich über die Empfehlungen ihrer eigenen SPD-Stadtbezirksbeiräte hinweg, die sich für die Einführung der Ortschaftsverfassung ausgesprochen hatten.

Beschlossen ist damit die Vorlage eines auf den Ursprungsantrag bezogenen Konzeptes bis zum 1. Quartal 2013. Und das heißt im Klartext: Im Frühjahr 2013 debattieren alle noch einmal über dasselbe Thema. Auch die SPD-Stadträte, die mittlerweile in einem völlig anderen Fahrwasser agieren als die SPD-Stadtbezirksbeiräte, die die Aufwertung der Stadtbezirksräte begrüßt hatten.

Auch das war eine von den vielen Vorlagen heute, die sich mit dem Mega-Thema Transparenz und Bürgerbeteiligung beschäftigt haben. Und sie wurden allesamt verschoben, vertagt, als noch nicht behandelbar deklariert. Die Hälfte des Stadtrates zeigt sich an mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung nicht wirklich brennend interessiert.
Und da erinnert man sich gleich an die große Übergabe der Wunschpostkarten des Fördervereins des Naturkundemuseums vor der Stadtratssitzung in der Wandelhalle: 2.000 Karten, die OBM und Stadtrat haufenweise Vorschläge machen, wie das seit über 10 Jahren ausgesessene Thema Naturkundemuseum angepackt werden kann. Die Zeit drängt. Das jetzige Gebäude ist zu größten Teil schon für Besucherverkehr gesperrt, ein Präparator fehlt und bald geht auch der Direktor in Ruhestand, ohne dass überhaupt ein neues Konzept vorliegt und eine Gebäudealternative vorliegt.

Kulturbürgermeister Michael Faber muss heute zugeben: Ja, auch hier blockiert sich die Verwaltung augenblicklich selbst. Man prüfe gerade drei Standorte, eine Entscheidung ist nicht in Sicht.

Dafür hat man im Sozialdezernat wenigstens eine Hausaufgabe abarbeiten können. Um 18 Uhr beschließt die Ratsversammlung, dass die finanziellen Mittel für die Bereitstellung der Lernmittel für das Schuljahr 2012/2013 gemäß Urteil des OVG Bautzen vom 17. April 2012 als Pflichtleistung bereitzustellen sind.

Das OVG Bautzen hat rechtskräftig entschieden, dass die Kommunen als Schulträger in Auslegung des § 38 Sächs. SchulG “Schulgeld und Lernmittelfreiheit” verpflichtet sind, auch den Schulbüchern gleichgestellte Druckwerke, wie Arbeitshefte, Atlanten, Tafelwerke und so weiter den Schülern kostenlos zur Nutzung zu überlassen.

Heißt ab dem Schuljahr 2012/2013 und für alle folgenden: Zusätzliche Mehraufwendungen für die Umsetzung der Lernmittelfreiheit in Höhe von rund 1.380.000 Euro. Das Budget des Amtes für Jugend, Familie und Bildung gibt die Summe aber nicht her. Hier ist alles knapp und knapper auf Kante genäht. Heißt also: Die Mittel sind erst einmal als überplanmäßige Ausgaben in selber Höhe durch das Dezernat Finanzen bereitzustellen. Für 2013 hoffen nun alle, dass der Freistaat Sachsen entsprechende Gelder in der Größenordnung zur Verfügung stellt.

“Lernmittelergänzungspauschale” nennt sich der Traum. Aber fast könnte man geneigt sein, dass der honorige Geldgeber sich wieder nur zu einem Teil der Summe entschließt.

Es sei denn, alle Landtagsabgeordneten aus Leipzig machen mal gemeinsam Druck. Auch so ein Traum.

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