Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sollen im Jahr 2025 mindestens 25 % aller von den Bürger/innen zurückgelegten Wege erbringen. Das bedeutet, dass die LVB statt 135 Mio. Fahrgäste dann über 180 Mio. Fahrgäste befördern werden. Um das zu erreichen, benötigen die LVB mindestens finanzielle Sicherheit. Bisher vertraut die Stadt darauf, dass die unvermeidlichen Defizite der LVB durch Gewinne der Stadtwerke und Wasserwerke kompensiert werden. Die LVB müssten jährlich mindestens 60 Mio. Euro in Gleise, Straßenbahnen etc. investieren, um nicht weiter auf Verschleiß zu fahren.

Wie wird der ÖPNV in Leipzig finanziert, wenn die erforderlichen Gewinne nicht mehr erwirtschaftet werden (können)? Werden Sie die LVB (notfalls) zu Verschlechterungen im Angebot zwingen? Sollen andere Finanzquellen erschlossen werden (z.B. “versement transport” in Frankreich) oder würde die Stadt als Mitglied des MDV dort auf besonders starke Fahrpreiserhöhungen hinwirken?

Zusammenfassende Antwort:
Eine Verschlechterung des Angebots der LVB ist keine akzeptable Option. In einer Stadt der kurzen Wege, wie Leipzig, ist der ÖPNV ein Schlüsselfaktor. Seine Attraktivität darf nicht gemindert, sondern muss unbedingt erhöht werden, damit der Druck auf die Straßen nachlässt. Ich gehe davon aus, dass ein fahrscheinloser ÖPNV, wie ich ihn vorschlage, schnell zu einer Entspannung der Lage beitragen würde. Pilotprojekte wie Hasselt in Belgien zeigen sehr positive Entwicklungen. Das dort nach wenigen Jahren verzehnfachte Fahrgastaufkommen führt u.a. auch zu sehr guten Umsätzen der zentrumsnahen Geschäfte. Die estnische Hauptstadt Tallinn, von der Einwohnerzahl vergleichbar mit Leipzig, hat den fahrscheinlosen ÖPNV zu Jahresbeginn ebenfalls eingeführt. Er ist also längst keine ferne Utopie mehr, und angesichts des Umstandes, dass der ÖPNV schon jetzt massiv öffentlich gefördert wird, wäre es auch kein “Systemwechsel”, wie Kritiker behaupten, sondern nur konsequent.

Denn an erster Stelle werden erst einmal Kosten in erheblichem Ausmaß gespart, weil sowohl Automaten, Vertrieb und Kontrolle der Tickets wegfielen. Das durch den Mangel an Einnahmen aus dem Ticketverkauf entstehende Defizit abzüglich dieser eingesparten Kosten müsste dann gegenfinanziert werden. Hier gibt es verschiedene Modelle, wie eine Umlagefinanzierung aussehen könnte.

Eine Möglichkeit besteht etwa in der Einführung einer Hotelbettenpauschale, um die Leipziger Touristen stärker an den Kosten des ÖPNV zu beteiligen. Ebenfalls erwägenswert ist die Einführung einer moderaten Abgabe für alle Leipziger/-innen mit angemessenen Sozialklauseln. Eine solche Abgabe wäre nur gerecht, da ALLE vom Öffentlichen Personennahverkehr profitieren. Durch die vermehrte Nutzung des ÖPNV wird der Autoverkehr deutlich abnehmen. Dies führt zu weniger Lärm und sonstigen Umweltbelastungen und steigert die Lebensqualität in Leipzig für Alle. Auch die verbliebenen Autofahrer profitieren, da sie Dank des geringeren Verkehrsaufkommens zügiger und ohne Staus an ihr Ziel kommen. Der Reiz der Abgabe-Variante besteht dabei in der Zweckgebundenheit.

Die Stadt kann die Einnahmen nicht zum Stopfen sonstiger Haushaltslöcher verwenden. Die Einnahmen kämen ausschließlich der LVB zugute. Schließlich würde eine Finanzierung auf breiterer Basis dazu führen, dass der Einzelne weniger belastet wird, umgerechnet würde dadurch auch der Preis pro Fahrt deutlich sinken. Die Abgabe wäre also deutlich niedriger als etwa ein Abo.

Aber auch beim fahrscheinlosen ÖPNV gilt mein Grundsatz, nicht über die Köpfe der Menschen hinweg zu entscheiden, sondern mit den Leipzigerinnen und Leipzigern gemeinsam. Daher schlage ich zur Frage der konkreten Finanzierung und der Einführung des Fahrscheinlosen ÖPNV eine Bürgerbefragung vor, die von einer intensiven öffentlichen Diskussion zum Thema begleitet wird.

Wie viel Geld wollen Sie den LVB jährlich zur Verfügung stellen? Wie werden Sie sich für den Abbau des Investitionsstaus bei den LVB einsetzen?

Die Frage ist nicht so sehr, wie viel Geld die Kommune zur Verfügung stellen will, sondern eher, woher die notwendigen Finanzmittel kommen – sowohl für den laufenden Betrieb, als auch für notwendige Investitionen. Wichtig ist mir, den Betrieb dauerhaft und vollständig über kommunale Abgaben sicherzustellen und auszubauen. Der Investitionsstau muss deshalb in den nächsten Jahren abgebaut werden, auch weil sich ansonsten die Reparaturkosten vervielfachen.

Wer sich mit offenen Augen durch Leipzigs Straßen bewegt, wird bemerken, wie gerade im Bereich der Straßenbahnschienen in regelmäßigen Abständen an denselben Stellen die gleichen Baustellen auftauchen. Hier wird immer nur das Notwendigste geflickt, die meist fällige Rundumerneuerung aufgeschoben. Obwohl diese, auf Dauer gesehen, die billigere Alternative wäre, auch wenn sie zunächst mehr kostet.

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