Am Donnerstag, 28. März, hat das Leipziger Amt für Statistik und Wahlen das Heft mit den Ergebnissen zur Leipziger OBM-Wahl vorgelegt. Man wagt ja kaum das Wort "endgültig" in den Mund zu nehmen, denn die Einsprüche zur Wahl fingen ja schon an, bevor auch nur ein Leipziger sein Kreuzchen setzen konnte. Die meisten Einsprüche sind zwar mittlerweile beschieden, die Landesdirektion wird in den nächsten Wochen ihr Prüfergebnis bekannt geben.

Aber da einige Kandidaten auch noch Klage eingereicht haben, kann es noch eine ganze Weile dauern, bis auch das letzte Fragezeichen zum Punkt wird. Das benachbarte Markranstädt hat es ja bekanntlich noch heftiger getroffen. Dort verhindert eine Klage bis heute, dass der Wahlsieger Jens Spiske sein Amt als Bürgermeister antreten kann.

So wird es in Leipzig wohl nicht kommen. Eher zu einem Zustand, in dem Burkhard Jung als alter Amtsinhaber einfach die Geschäfte weiter führt, bis er als neuer Amtsinhaber ganz offiziell die Blumen überreicht bekommt. Denn die Klagen drehen sich alle um die Zugangsbarrieren, die das sächsische Wahlgesetz stellt. Die niedriger sein könnten – es aber aktuell nicht sind.

Einige Parteien und Bewerber werden sich jetzt genauer anschauen können, was möglicherweise zu ihrem Erfolg oder Nichterfolg beigetragen hat. Leipzigs Statistiker enthalten sich jeder Wertung. Sie wissen ja, dass Zahlen für sich sprechen. Die wichtigsten findet man im Grunde gleich auf Seite 9. Da haben die Statistiker einfach mal die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl neben die Ergebnisse der fünf Parteienkandidaten aus dem ersten Wahlgang am 27. Januar gesetzt. Und siehe da: Keiner der Kandidaten von CDU, Linken, Grünen und FDP hat auch nur annähernd das Wählerpotenzial mobilisieren können, das diesen Parteien 2009 zur Bundestagswahl seine Stimme gegeben hat. Der Unterschied zwischen Bundestags- und OBM-Wahlen ist zwar in der Regel sowieso, dass die Wahlbeteiligung zur Bundestagswahl deutlich höher ist. Irgendwie sind wohl sehr viele Wähler der Meinung, die Bundestagswahlen seien von wesentlich größerer Bedeutung. 66,1 Prozent der Wahlberechtigten nahmen 2009 an der Bundestagswahl in Leipzig teil. Im ersten Wahlgang zur OBM-Wahl am 27. Januar waren es 40,7 Prozent. Immerhin sechs Prozent mehr als im ersten Wahlgang zur OBM-Wahl 2006.

Ganz so müde, wie in mancher Medienreaktion zu finden, war die Leipziger OBM-Wahl nicht, auch wenn der große Knaller fehlte. Der in diesem Fall tatsächlich eine Herausforderin / ein Herausforderer gewesen wäre, die oder der wirklich soviel Profil aufgebaut hätte, dass es zum Duell mit dem Amtsinhaber hätte kommen können. So ein Profil baut man sich aber über Jahre konsequenter Arbeit in der Stadtpolitik auf. Das ist harte Arbeit. Über alle Themenfelder hinweg. Wer die Fragen der L-IZ-Leser an die Kandidaten gelesen hat, weiß, dass es da vom Umweltschutz über Kita-Plätze bis zur Arbeitsmarkt- und Verkehrspolitik ging. Und, und, und …

In diesem Fall war es eher ein leichtes Spiel für Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD), der sich ja qua Amt schon mal mit allen Themen beschäftigen musste, auch wenn einige davon bis heute unfertige Baustellen sind. Gegenüber der Wahl von 2006, als er am Ende 66.786 Stimmen und 51,6 Prozent erreichen konnte, schaffte Burkhard Jung diesmal sogar 70.230 Stimmen im zweiten Wahlgang. Was aber nur 45 Prozent der Stimmen bedeutete. Denn anders als 2006 zogen die Kandidaten der Linken und der Grünen nicht zurück, wollten es im 2. Wahlgang noch einmal wissen – und nahmen 20.987 Stimmen mit (Barbara Höll, Die Linke) bzw. 10.259 (Felix Ekardt, Grüne) mit. Und es ist keineswegs sicher, dass diese Stimmen dann zu Burkhard Jung oder Horst Wawrzynski, der für die CDU antrat, gewandert wären.Viele Wähler blieben am 17. Februar dann doch lieber zu Hause. Da niemand sie befragt hat nach ihren Gründen, kann man nur vermuten, dass dahinter alles Mögliche an Motiven stecken kann von “Die Wahl ist sowieso gelaufen” bis hin zu “Mein Kandidat hat ja doch keine Chance”.

Selbst 7.800 Leipziger, die im ersten Wahlgang noch Burkhard Jung gewählt hatten, blieben am 17. Februar lieber zu Hause. Genauso bei Horst Wawrzynski – da waren es 4.200 Wähler. Das haben Leipzigs Statistiker mit einem aufwändigen Rechenmodell ermittelt. Es könnte, so betont Statistiker Peter Dütthorn, durchaus auch noch eine gewisse Unschärfe auf den Zahlen liegen.

Ein paar Wähler wechselten am 17. Februar dann noch das Kästchen, wo sie ihr Kreuzchen machten. Die Wähler von René Hobusch (FDP), der im zweiten Wahlgang nicht wieder antrat, notgedrungen. 900 von ihnen wanderten zu Burkhard Jung ab, 600 zu Horst Wawrzynski.

Von den Felix-Ekardt-Wählern machten 1.300 dann ihr Kreuz lieber bei Burkhard Jung, von den Barbara-Höll-Wählern immerhin 1.700. Bis auf die leichten Zugewinne von der FDP und 300 Wechslern von Burkhard Jung konnte CDU-Kandidat Horst Wawrzynski von der Wählerwanderung im zweiten Wahlgang praktisch nicht profitieren. Dadurch, dass mit Barbara Höll, Felix Ekardt und Dirk Feiertag drei doch relativ starke Konkurrenten im Rennen blieben, blieb auch die Fixierung auf ein Duell der beiden stärksten Kandidaten aus. (So wie es 2006 war, als sich das Ganze auf ein Duell von Burkhard Jung gegen den CDU-Herausforderer Uwe Albrecht zuspitzte, 51,6 : 44 Prozent).

Und dass Höll, Ekardt und Feiertag trotzdem noch wesentliche Stimmen abräumten, zeigt auch, dass ihre Wähler sich von den Kandidaten der SPD und der CDU nicht wirklich repräsentiert fühlten. Was auch eine Tabelle auf Seite 32 dieses Heftes deutlich macht, wo die Korrelationen unter den Kandidaten sichtbar gemacht werden. Mit dicken und dünnen Pfeilen nach oben und unten. Und siehe da: Die Wähler des Grünen-Kandidaten Felix Ekardt haben eine Menge mit denen des unabhängigen Kandidaten Dirk Feiertag zu tun. Dafür so gut wie nichts mit denen von CDU-Kandidat Horst Wawrzynski.

Was der Leipziger CDU durchaus zu denken geben sollte: Sie würde von einem Rückzug des Grünen-Kandidaten nicht wirklich profitieren. Die Grünen-Wähler blieben dann eher zu Hause (wie es viele am 17. Februar taten), als den CDU-Kandidaten zu wählen.

Aber auch die Wähler von Burkhard Jung (SPD) haben sehr wenig mit denen von Horst Wawrzynski zu tun gehabt.Was eben auch mit soziologischen Merkmalen zu tun hat. Bis hin zum Alter der Wähler. Überdeutlich: Jüngere Wähler tendierten stark zu Felix Ekardt und Dirk Feiertag. Während die Wähler von Horst Wawrzynski tendenziell zu den Älteren und Alten gehören. Auch die Wähler der Linke-Kandidatin Barbara Höll kamen eher aus der älteren Wählerklientel.

Ebenso auffällig: Wähler mit Hochschulabschluss fühlten sich tendenziell von Prof. Felix Ekardt angesprochen. Eigenheimbesitzer dafür eher von Horst Wawrzynski. Was dann mit seinen besseren Wahlergebnissen in den Ortsteilen am Rand der Stadt zu tun hat. Seine besten Ergebnisse bekam er in Plaußig-Portitz (48,4 %) und Hartmannsdorf-Knautnaundorf (45,3 %). Seine schlechtesten dort, wo die Wählerschaft durchschnittlich jünger und höher gebildet ist (und eben in Mietwohnungen wohnt): Connewitz, Schleußig, Südvorstadt und Lindenau.

SPD-Bewerber Burkhard Jung konnte zwar im ganzen Stadtgebiet punkten, die Mehrheit der Stimmen aber holte er im urbanen Kern des Stadtgebietes – mit fünf Wahlbezirken, wo ihm jeweils über 50 Prozent der Stimmen zufielen – allen voran das Waldstraßenviertel mit 52,4 Prozent. Eine Korrelation sollte der Leipziger CDU auf jeden Fall zu denken geben: Auch die konfessionell gebundenen Wähler tendieren nicht mehr zu der Partei mit dem C, sondern verstärkt zu den Grünen, die in Sachen Welt- und Umweltschutz tatsächlich eher im positiven Sinn als konservativ betrachtet werden. Irgendwie scheint das auch in der Papstwahl in diesem Jahr ein Thema geworden zu sein – selbst die Kardinäle der katholischen Kirche sehen ihre Kirche nach dem Rücktritt von Benedikt nicht mehr als vergoldetes Schiff im Sturm, sondern als Aufgabe, sich in die Bewahrung der Schöpfung wieder aktiv einzubringen.

Die Pfeile in Sachen “Konfessionszugehörigkeit” weisen bei CDU und Linken mittlerweile gleichermaßen nach unten – was eben auch bedeutet: Die CDU wird inzwischen als genauso weltlich betrachtet wie die Linke.

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Aber einen Riss macht die Wahlbeteiligung auch deutlich: Leipziger ohne Arbeit und mit niedrigem Einkommen haben sich an der Wahl kaum beteiligt. Sie blieben zu Hause und machen einen erheblichen Teil der Nichtwähler aus.

Was eben auch bedeutet, dass es keinem einzigen Kandidaten gelungen ist, diese Menschen zu aktivieren oder gar für seine Konzepte zu begeistern. Phrasen, die eine Besserung auf dem Arbeitsmarkt versprachen, gab es ja genug. Was nur fehlte, waren die wirklich greifbaren Projekte. Das kann gefährlich werden in einer Stadt, in der Arbeitslosigkeit und miese Einkommen sich so verfestigt haben wie in Leipzig. Dass niedrige Einkommen teilweise auch mit dem Alter zu tun haben, keine Frage. Gerade jüngere Jahrgänge leben in Leipzig prekär. Und gerade bei den unter 33-Jährigen war dementsprechend die Wahlbeteiligung auch unterdurchschnittlich, am geringsten mit 24,2 Prozent übrigens bei den 20- bis 23-Jährigen. Auch das sollte zu denken geben.

Der Bericht zur OBM-Wahl 2013 ist jetzt im Amt für Statistik und Wahlen erhältlich.

http://statistik.leipzig.de

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