Mit ihm hatte wohl kaum einer gerechnet. Als die Kandidaten für den Posten des Sozialbürgermeisters heute im Leipziger Stadtrat benannt wurden, tritt NPD-Mann Klaus Ufer vor: "Ich nominiere Winfried oder Wilfried Meißner." Oberbürgermeister Burkhard Jung fragte nach: "Ja, wie denn nun?" Er heißt Wilfried Meißner. "Entschuldigung, ich war mir nicht sicher", so Ufer.

Er war sich wahrscheinlich nicht sicher, weil er bis dahin Meißner nicht mal persönlich kannte. Meißner hatte sich per Rundmail bei den Stadträten um eine Nominierung als Bürgermeister für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule beworben.

Der 55-jährige Facharzt für Anatomie und Psychiatrie bewarb sich mit einer wunderlichen Rede um die Stimmen der Stadträte. “Mich verbindet mit Leipzig mein erster Zoobesuch als Kind”, begann er. Meißner hat in Niederbayern und Franken gearbeitet. Er kommt aus Saalfeld, wo er sich im vergangenen Jahr erfolglos um den Posten des Landrates beworben hat. Seit zwei Jahren ruht seine Zulassung zum Arztberuf. Und es muss einiges geschehen, bis ein Arzt diese Approbation verliert. Warum also ruht seine?
“Ich habe Angela Merkel geschrieben”, erwidert er. Diese Briefe sind im Netz nachzulesen. Meißner sagt, man schätze seine politische Einstellung nicht. Ihm sei eine psychiatrische Überprüfung aufergelegt worden, der er nicht nachgekommen ist. “Ich wollte, dass die Gespräche auf Video aufgezeichnet werden, das wollte der mir zugewiesene Psychiater nicht”, sagt er. Zudem hat er ein Gutachten für eine Patientin nicht erstellen können. Nach eigenen Angaben, weil er mit der Recherche zur Daten-Korruption beschäftigt sei.

Wie ist er nun zur Kandidatur in Leipzig gekommen? “Ich hatte Anfragen, sowohl an Oberbürgermeister Burkhard Jung als auch an Sozialbürgermeister Thomas Fabian gestellt. Keine wurde beantwortet. Und als ich von der anstehenden Wahl erfuhr, habe ich mich am 18. März ganz normal beworben.” Als dies nicht klappte, sendete er die Bitte-Mail an die Stadträte. “Leipzig braucht einen Wandel, weg von der Korruption”, sagte er in seiner Rede und erntete damit aufgeregtes und belustigtes Murmeln.

“Das Jugendamt lagert Daten, die für Familien von Sprengkraft sein können”, so Meißner. Später erklärt er: “Richter geben ohne Zustimmung der Betroffenen psychiatrische Gutachten an das Jugendamt weiter.” Vorm Stadtrat sagt er noch, er wolle im Jugendbereich viel tun und sehe sich als Arzt zuständig für die Gesundheit der gesamten Bevölkerung. Oberbürgermeister Jung quittierte seine Ansprache mit dem Kommentar: “Als Demokrat hätte ich mich nicht von einem NPD-Mitglied aufstellen lassen.” Meißner ruft zurück: “Das ist unglaublich.” Doch Jung sagt nur: “Sie haben jetzt nicht das Wort.”

Im Ergebnis der Wahl bekommt Meißner zwei von 70 Stimmen. Als er das Resultat vernimmt, pöbelt er im Sitzungssaal, ruft Unverständliches und verlässt wütend den Raum.

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