Sie sind abgegeben: 136 unterschriebene Widerrufe gingen heute über die Schreibtische im Personalamt der Stadtverwaltung. Fünf waren bereits vor einem Monat abgegeben worden. Das macht zusammen 141 Erklärungen, welche die Überstunden-Regelung der Leipziger Berufsfeuerwehr widerrufen. Damit werden die Kameraden nicht mehr vier unvergütete Überstunden pro Woche leisten.

Damit muss die Stadt entweder die Mehrarbeit vergüten oder mehr Feuerwehrleute einstellen. Damit schlittert sie in ein Problem juristischer und finanzieller Natur, dessen Konturen schwer zu erahnen sind, dessen Entwicklung jedoch schon lange absehbar war.

Seit dem Sommer protestiert die Leipziger Berufsfeuerwehr offen gegen ihre überlangen Arbeitszeiten. Das EU-Recht schreibt maximal 48 Stunden pro Woche vor. Doch die Leipziger arbeiten mindestens 52 Stunden. Dass sie auf Vergütung verzichten, hatten sie fast alle unterschrieben: 384 von 385 Kameraden. “Das war im Jahr 2008 und eigentlich sollte dies nur ein vorübergehender Zustand sein. Man versprach, das Personal zu erhöhen, um der Anhäufung von Überstunden dauerhaft entgegenzuwirken”, heißt es in der Erklärung der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (Dfeug). Doch sechs Jahre lang ist nichts geschehen. “Im Gegenteil, es hat sich immer mehr verschärft”, so die Gewerkschaft.
Unterschrieben hatten die Kameraden damals auch, weil es hieß, dies sei die einzige Möglichkeit, das 24-Stunden-Schicht-System zu erhalten. Bei einem Widerruf müsse man auf Zwölf-Stunden-Schichten umrüsten. “Wir sind gespannt, was nun geschieht”, sagt Matthias Walther, Sprecher der Dfeug in Leipzig. Zu dem Schritt, die Erklärungen zurückzuziehen, hatten sich die Kameraden nur entschlossen, weil Personalamtsleiter Frank Pörner sowie Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller nicht auf Gesprächsangebote eingegangen sind.

“Uns wurde gesagt, wenn uns die Regelung, wie sie jetzt ist, nicht passt, müssen wir widerrufen”, so Walther. Und das hat ein Gutteil der Kameraden nun getan. Die Konsequenz für die Aussteiger – so habe es die Verwaltung im Vorfeld zumindest angekündigt – heißt Zwölf-Stunden-Schichten. “Diese sind nicht so einfach zu praktizieren wie die 24-Stunden, bei denen man – grob gesprochen – nach jedem durchgearbeiteten Tag zwei Tage frei hat”, erklärt Walther. Das sei auch die kostengünstigste Lösung.

Jetzt schon arbeiten die Feuerwehrleute zu viel. Mehr als die vereinbarten 52 Stunden die Woche. “Jeder von uns schiebt allein in diesem Jahr um die 300 Überstunden vor sich her”, erläutert Frank Zieger, vom Vorstand der Gewerkschaft. Üblicherweise werden die Überstunden im Folgejahr mit Freizeit ausgeglichen. “Doch schon jetzt entspricht das acht Tagen Mehrurlaub pro Nase”, so Zieger. “Mit welchem Personal soll das denn ausgeglichen werden?”, fragt Zieger. Mit der Mehrarbeitserklärung hatte sich die Stadt gegen juristische Ansprüche seitens der Feuerwehrleute abgesichert. Juristisch gesehen, haben die Widerrufler jetzt die Möglichkeit ihr Recht einzuklagen. “Die Widerrufe sind mit einer Frist von drei Monaten eingegangen. Das heißt ab 1. Januar kommenden Jahres gilt für uns die 48-Stunden-Woche. Mal schauen, was passiert”, so Matthias Walther. Eine Ahnung werden die Kameraden bekommen, wenn einen Monat zuvor die Dienstpläne rausgegeben werden.

“Generell möchten wir aber keine Konfrontation mit der Verwaltung”, bekräftigen Walther und Zieger. “Wir suchen das Gespräch.” Doch dem sei die Stadt bisher ausgewichen. Mit den Widerrufen hoffen sie nun auf mehr Bereitschaft, das Problem gemeinsam zu beheben. “Das Problem ist deutschlandweit vorhanden und zum Beispiel in Hamburg hat sich die Stadt mit den Kameraden an einen Tisch gesetzt. Sie durften sogar über Lösungsansätze abstimmen. Eine solche Zusammenarbeit wünsche ich mir auch für Leipzig”, so Walther.

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