Am treffendsten haben es die Jungs von der "heute show" im ZDF beschrieben: Reporter Lutz van Horst und sein Team waren mit Handpuppen über den Bundesparteitag der SPD in Leipzig getigert. Eine war das "GroKodil", welches Angst und Schrecken verbreitet und schließlich den kleinen SPD-Kasper auffrisst. Wenn auch in einer weniger kindischen Version dürften sich genau solche Szenarien in den Köpfen der rund 600 SPD-Delegierten abgespielt haben, die sich auf der Neuen Messe zusammengefunden hatten.

Die Verhandlungen zur Großen Koalition überschatteten diesen Parteitag, welcher am Samstag, 16. November, zu Ende ging.

Und sie schlugen sich in den Wahlergebnissen des Parteivorstands nieder: 83,7 Prozent, 67,2 Prozent und 85,6 Prozent. Das sind die Ja-Stimmen für Sigmar Gabriel, Andrea Nahles und Hannelore Kraft und weit entfernt von DDR-Wahlergebnissen, wie sie auf solchen Parteitagen gewünscht sind. Besonders bitter war das Votum für Andrea Nahles. Einzig Schatzmeisterin Barbara Hendricks macht ihrem Ärger darüber Luft: “So hättet ihr mit Andrea nicht umgehen sollen”, sagte sie zu den Genossen. Nahles habe sich für eine offeneres und demokratischeres Klima in der SPD eingesetzt, so Hendricks und meint die Erstellung des Wahlprogramms, bei dem erstmals auch 40.000 Nicht-Parteimitglieder mitreden durften.

Doch die Genossen dürften mit dem knappen Nahles-Ergebnis wohl eher den schlecht angelaufenen Wahlkampf und die zähen Koalitionsverhandlungen quittiert haben. Dass die SPD nach wochenlangen Verhandlungen der CDU noch immer keine Zusage zu Mindestlohn oder der doppelten Staatsbürgerschaft abgerungen hat, dafür musste die Parteispitze nun Federn lassen. Da halfen auch alle Beschwichtigungen von Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel nichts, die jeweils für sich die volle Verantwortung für die Wahlschlappe beanspruchten. Zu den Abgestraften zählten auch zahlreiche SPD-Länder-Chefs, wie zum Beispiel Christoph Matschie aus Thüringen, der im ersten Wahlgang mit 118 Stimmen durchfiel und erst im zweiten Gang und nach einer Brandrede Gabriels, der beteuerte die Landeschefs in der Parteispitze zu brauchen, mit 332 Stimmen von seiner Partei den Auftrag bekam.
Einzige Ausreißer nach oben waren Thorsten Schäfer-Gümbel und Martin Schulz. Der Hessen-SPD-Chef und der Präsident des europäischen Parlaments erhielten jeweils 88,9 und 97,9 Prozent und viel Applaus. Schulz ist Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die Europawahl im kommenden Jahr.

In zwei Wochen wird es soweit sein. Dann stimmen die 473.000 SPD-Mitglieder darüber ab, ob sie in die Große Koalition gehen sollen. Und wie das ausgehen wird, ist völlig unklar. Das hat dieser Parteitag bewiesen. “Man kann mit 25 Prozent Wählerstimmen nicht 100 Prozent Wahlprogramm durchbringen”, diesen Satz haben viele Parteitagsredner wiederholt, bevor sie ein großes Aber anfügten und ihre Forderungen nach Mindestlohn und doppelter Staatsbürgerschaft bekräftigten. Ohne diese scheint sich die Basis nicht auf ein weiteres vier Jahre dauerndes Trauerspiel mit dem GroKodil einlassen zu wollen.
Wohl deshalb beschwor Parteichef Gabriel seine Genossen am Samstag nochmals inbrünstig: “Uns gibt es nicht für ein paar Ministerposten”, ruft er. “Wir werden der Partei keinen Koalitionsvertrag vorlegen, der aus Prüfungsaufträgen besteht und der keine Klarheit in den Politikfeldern schafft”, so Gabriel. Wenn das Mitgliedervotum scheitern sollte, wäre das ein Debakel. Nicht nur für ihn. Und so wirbt er für Zustimmung: “Dann geht es um die Zukunft der Sozialdemokratie in den nächsten 20, 30 Jahren.”

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Mit der Öffnung gegenüber der Linken hatte Gabriel am Vortag für ein großes Echo in den Medien gesorgt. Angesichts der sehr verhaltenen Parteitagsstimmung war dies wohl eher ein Notnagel. Gabriel und seine Kollegen im Parteivorstand müssen in den nächsten vierzehn Tagen liefern. Sonst werden sie dem GroKodil als erste zum Opfer fallen.

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