Im Januar machte es die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat wieder zum Thema. Leipzig brauche endlich einen Sektor für öffentliche Beschäftigung. Die Stadt verzeichnet zwar seit Jahren sinkende Arbeitslosenzahlen. Aber ein nicht unerheblicher Teil der Langzeitarbeitslosen schafft den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht - und kommt so auch nicht raus aus der Mühle von Antragstellung, Qualifizierungsmaßnahmen, Antragstellung, Sanktionen ...

Das Problem ist: Es gibt zwar (noch) einige vom Bund geförderte “Instrumente” zur Integration von Langzeitarbeitslosen. Aber sie machen wenig Sinn, wenn die Betroffenen nicht die notwendige Qualifikation haben, seit Jahren aus dem ersten Arbeitsmarkt raus sind oder unter einem der vielen anderen Handicaps leiden, die auch in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels eine Vermittlung erschweren bis unmöglich machen. Da helfen auch nicht die übrig gebliebenen AGH (Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung – in der Regel 1-Euro-Jobs) oder Bürgerarbeit, die beide eigentlich gedacht sind, die Betroffenen für den ersten Arbeitsmarkt zu “aktivieren”. Was sich für die Mehrzahl der Betroffenen als Illusion erweist.

Andererseits sind in den letzten Jahren viele Förderinstrumente weggefallen, mit denen zuvor gemeinnützige Tätigkeiten z. B. in Vereinen und Initiativen finanziert werden konnten (etwa das weite Feld der ABM). Das hat beim Wegfall dazu geführt, dass auch viele Leipziger Vereine ihre wichtigen zentralen Ansprechpartner verloren. Projekte und Angebote für die Öffentlichkeit mussten gestrichen werden.

Aber ohne diese Landschaft des freiwilligen Engagements, die von der öffentlichen Hand zumindest mit einigen Personalstellen unterstützt wird, bricht in einer Stadt wie Leipzig ein wichtiger Teil der Angebote im Bereich Jugend, Soziales, Kultur, Nachbarschaft weg.

Was tun, fragte sich die Linke und stellte schon 2011 einen entsprechenden Antrag zur Schaffung eines öffentlichen Beschäftigungssektors in Leipzig, der dann auch zum Ratsbeschluss wurde. Im Januar packte Linke-Stadtrat William Grosser den Antrag noch einmal auf den Tisch und fragte etwas deutlicher nach, warum die Stadt nicht handelt. Es gibt zwar jedes Jahr einen Bericht des Wirtschaftsdezernats zum Thema öffentliche Beschäftigung. Aber der letzte genügte auch der SPD-Fraktion nicht. Er erklärte nicht, warum die Stadt nicht aktiv wurde. Und das Zahlenspiel mit den ach so tollen 1-Euro-Jobs befriedigt auch niemanden mehr. Denn die machen keinen Sinn, wenn sie die Betroffenen nicht tatsächlich in eine auskömmliche Beschäftigung bringen.

Die Grosser-Mahnung kam diesmal in der Verwaltungsspitze an und Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU) hat sich jetzt wirklich die Mühe gemacht auszuarbeiten, was Leipzig eigentlich braucht, um so einen öffentlichen Beschäftigungssektor zu schaffen. Man habe auch schon ernsthaft mit der sächsischen Staatsregierung darüber gesprochen. Aber die Antwort aus dem Wirtschaftsministerium war die übliche: “In seinem Schreiben vom 27.11.2013 weist das SMWA nochmals darauf hin, dass nur die konsequente Ausrichtung von Förderprogrammen auf den 1. Arbeitsmarkt, insbesondere die Qualifizierung von Arbeitslosen, als wesentlicher Erfolgsfaktor angesehen wird.”

Man ruht sich also in Dresden auf der Tatsache aus, dass die Arbeitslosenzahlen im ganzen Land sinken – ohne wirklich zu analysieren, woran es liegt. Dass damit keinerlei Abbau der seit Jahren verfestigten Sockelarbeitslosigkeit verbunden ist, interessiert dort augenscheinlich nicht.Selbst beim “Spiegel” hat man mittlerweile gemerkt, dass diese Sicht auf die Dinge falsch ist. Die Arbeitslosigkeit im Osten sinkt nicht, weil da wie wild Beschäftigung aufgebaut wird. Das passiert nur punktuell. Insgesamt aber sinkt schlicht die Zahl der Arbeitsuchenden, weil der Osten jetzt fast 25 Jahre Aderlass gerader junger Menschen Richtung West hinter sich hat – und weil die älteren Arbeitslosen nun alle Jahrgang für Jahrgang in Rente gehen und somit aus der Statistik verschwinden.

Der “Spiegel” dazu am 12. Februar: “Die gesunkenen Arbeitslosenzahlen bedeuten keineswegs, dass sich der Arbeitsmarkt im Osten vollends erholt hat. Auch der demografische Wandel ist verantwortlich für den Rückgang: Viele Menschen ziehen aus Ostdeutschland weg oder sind zu alt und scheiden aus dem Berufsleben aus – folglich gibt es weniger Menschen ohne Job.”

Andererseits weiß sich Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) auch auf einer Linie mit Bundesregierung und Arbeitsagentur. Zur Haltung der Arbeitsagentur schreibt das Leipziger Wirtschaftsdezernat ziemlich entmutigt: “Die Agentur für Arbeit Leipzig hat eine Ausweitung der öffentlich geförderten Beschäftigung aufgrund der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt bisher abgelehnt. Die Bereitstellung von weiteren Mitteln aus dem Eingliederungshaushalt wäre nur zu Lasten von anderen Instrumenten möglich und damit nicht zielführend. Damit sind die Einflussmöglichkeiten der Stadt Leipzig erschöpft.”

Und darauf, dass in der Bundesregierung ein Umdenken eintritt, rechnet Wirtschaftsdezernent Uwe Albrecht auch nicht: “Die Schwerpunkte der Arbeitsmarktpolitik liegen auf Bundes- und Landesebene sowie in den Entwürfen des operationellen Programms des Freistaates Sachsen zur neuen ESF-Förderperiode 2014-2020 weiterhin auf Weiterbildung, Qualifizierung und Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt. – Dementsprechend wurde auch bereits in der letzten Legislaturperiode der Bundesregierung der Antrag der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 17/12377) von allen übrigen Bundestagsfraktionen abgelehnt, ein Konzept, gesetzliche Grundlagen und einen langfristigen Finanzierungsplan für die Einführung eines dauerhaften öffentlich finanzierten Beschäftigungssektors vorzubereiten.”

Dabei hat sein Dezernat sich tatsächlich die Mühe gemacht, auszurechnen, was ein solcher öffentlicher Beschäftigungssektor in Leipzig kosten würde. 140 solcher Stellen, die die Stadt nach dem Tarifvertrag Öffentlicher Dienst bezahlt, gibt es nämlich schon – also einen öffentlichen Beschäftigungssektor im Miniformat. Übrigens im Einvernehmen mit dem Jobcenter Leipzig: “Das Jobcenter Leipzig hat hierzu 4,7 % seiner Eingliederungsmittel aufgewandt. Der durchschnittliche Mitteleinsatz der anderen Jobcenter im Freistaat für FAV lag hingegen 2013 nur bei 1,9 %.” Leipzig ist da also in gewisser Weise schon Vorreiter. 1.215.000 Euro stellt die Stadt aus ihrem Haushalt zur Co-Finanzierung solcher Stellen bereit.

Für die Verhandlung mit dem Freistaat hat das Wirtschaftsdezernat auch durchgerechnet, was die Erhöhung dieser Stellenzahl auf 500 kosten würde. Die Berechnung findet man auch in der Vorlage, die im März Thema im Stadtrat werden soll: “Allein die Realisierung von 500 Stellen in Leipzig mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro und einer assistierenden sozialpädagogischen Begleitung der Arbeitnehmer / Arbeitgeber veranschlagt ein Jahresbudget von insgesamt ca. 11,51 Mio. Euro.”

Da aber das Land als Geldgeber nicht bereit steht, steht Leipzig wieder vor der altbekannten Frage: Woher nehmen?

Das Fazit, das das Wirtschaftsdezernat zieht, ist ernüchternd: “Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor mit Mindestlohn, der über das Kontingent der derzeit realisier- und finanzierbaren Maßnahmen des 2. Arbeitsmarktes hinaus geht, ohne eine finanzielle Beteiligung des Freistaates Sachsen und/oder der Bundesagentur für Arbeit nicht umsetzbar ist.”

Der “Spiegel”-Beitrag zum Sinken der Arbeitslosigkeit: www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/arbeitsmarkt-deutschland-landkreisvergleich-2008-bis-2013-a-952698.html

Die Vorlage des Wirtschaftsdezernats zum öffentlichen Beschäftigungssektor als PDF zum download.

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