Zahlen sind ja eine schöne Sache. Man kann so schön Politik damit machen. Fand auch Andreas Nowak, Landtagskandidat der Leipziger CDU, und zitierte in seiner jüngsten Stellungnahme eine Landtagsanfrage des Leipziger Abgeordneten Sebastian Gemkow von April 2012. Eine Anfrage, die schon damals für Wirbel sorgte, weil sie Leipzig aussehe ließ wie eine Stadt, die unfähig ist, ordentliche Fördergeldanträge zu schreiben.

Damals fanden die Leipziger SPD-Landtagabgeordneten Holger Mann und Dirk Panter, das da etwas nicht stimmen könnte. Die zähen Kämpfe der Stadt Leipzig beim Ringen um Fördergelder waren da schon Legion. Und so wie die Fragen von Sebastian Gemkow klangen und die Antworten von Brunhild Kurth vom 9. Mai 2012, hatte Leipzig ganze Millionenbeträge nicht abgerufen und am Ende auch noch neun Förderanträge geschrieben, die den Bedingungen nicht genügten.

Für Wahlkämpfer Andreas Nowak irgendwie eine Steilvorlage: “Das Ergebnis ist erschütternd. Für 2010 gab es bewilligte 36,7 Millionen Euro und für 2011 30,5 Millionen Euro. 2010 hat Leipzig davon 21,8 Millionen Euro nicht beantragt. 2011 blieben 16,8 Millionen Euro beim Freistaat, unter anderem, weil alleine neun (!) Fördermittelanträge nicht den allseits bekannten Anforderungen entsprachen. Vor diesem Hintergrund mantraartig die Ungleichbehandlung von Leipzig zu beklagen, ist schon ganz schön frech”, sagt er nun im 2014er Wahlkampf.

Dumm nur, dass Mann und Panter gleich 2012 nachgefragt hatten. Das war ihnen einfach zu dubios, was Brunhild Kurth da ausgegeben hatte. Keine Stadt in Sachsen lässt Jahr um Jahr 20 oder 16 Millionen Euro einfach verfallen, weil sie die Planungen für Schulbau nicht auf die Reihe kriegt.

Das geht schon los mit den Anträgen, die den “formalen Kriterien” nicht genügen. Neun Anträge der Stadt Leipzig 2011 genügten diesen Kriterien nicht, teilte Kurth dem CDU-Abgeordneten Sebastian Gemkow mit. Also fragten Mann und Partner nach: Um welche Förderhöhen ging es und welche Auszahlungsvoraussetzungen waren nicht gegeben?

Das Ergebnis ist erstaunlich: Die Ministerin weicht aus und teilt den neugierigen SPD-Abgeordneten mit, die nachgefragten Sachverhalte gehörten nicht zum Datenbestand. Nicht der einzige Punkt, an dem sich die forsch aufgestellte Behauptung vom 9. Mai schon am 15. Mai 2012 nicht mehr aufrecht erhalten ließ. Die Angabe “abgelehnte” Anträge sagt nichts über den beantragten Geldbetrag, nichts über die Verwendung und nichts über die Gründe der Ablehnung.Aber auch eine andere Angabe fanden Mann und Panter höchst fragwürdig. Kurth hatte tatsächlich behauptet: “Im Jahr 2010 hat die Stadt Leipzig Fördermittel in Höhe von 21,8 Millionen Euro nicht abgerufen. Die Höhe der nicht abgerufenen Mittel im Jahr 2011 betrug 16,6 Millionen Euro.”

Gemkow hatte auch so gefragt. Das Frage-und-Antwort-Spiel suggeriert, es stünden für Städte und Kreise in Sachsen jedes Jahr feste Budgets zur Schulsanierung zur Verfügung, die von einigen ganz, von anderen nur in Teilen abgerufen werden. Und dann würden die Gelder praktisch verfallen. Sagt Brunhild Kurth nicht – aber die Reaktion von Andreas Nowak zeigt, dass er es genau so versteht.

Mann und Panter, die das Gezerre um die Budgets im Sächsischen Haushalt schon ein Weilchen verfolgen, wussten zumindest, dass solche Gelder nicht verfallen. Der Freistaat gibt den Kommunen nur einen maximalen Förderrahmen vor. Wer die notwendigen Eigenmittel zur Co-Finanzierung aufbringt, kann sie komplett abrufen. Wer es nicht schafft, bekommt die Gelder dann, wenn er die Sache finanzieren kann. Die 21,8 bzw. 16,6 Millionen Euro, die Brunhild Kurth genannt hat, wurden also tatsächlich nicht nicht abgerufen, sondern ins nächste Haushaltsjahr übertragen. Sie sagt es in der Antwort an Mann und Panter auch noch einmal explizit: “In dem recherchierbaren Zeitraum ab 2008 sind die nichtausgezahlten Fördermittel vollständig als Ausgabereste in die jeweiligen Folgejahre übertragen worden.”

Nur für 2011 war das noch nicht so, weil noch kein Jahresabschluss vorlag.

Und noch etwas kam in der Kurth-Anfrage nicht vor: Wieviel Geld steht denn in Sachsen tatsächlich für Schulhausbau zur Verfügung? Die 32 Millionen allein für Leipzig, die Nowak nennt?

Am 25. Mai 2012 wurde das im Landtag Thema. Und dort konfrontierte Holger Mann die Staatsregierung mit den Zahlen. 25 Millionen Euro hatte die Landesregierung 2011 und 2012 fürs ganze Land jeweils zur Verfügung gestellt – und dann, nach zähen Nachverhandlungen, noch einmal 40 Millionen für die drei Großstädte, die mit wachsender Kinderzahl auch dringend neue Schulen brauchen. Alles weit entfernt von den 110 bis 160 Millionen, die jedes Jahr bereit stehen müssten, um den Bedarf in Sachsen abzudecken.

Da kommt man dann bei den Zahlen heraus, die Brunhild Kurth den SPD-Abgeordneten am 15. Mai gab: den etwas über 64 Millionen Euro, die Leipzig von 2008 bis 2012 bewilligt wurden, knapp 13 Millionen pro Jahr im Schnitt. Und da steht nicht “verfügbares Budget” über der Spalte, sondern “bewilligt”. Die Datenbank zeigt also auch nicht, was tatsächlich beantragt wurde und warum nicht. Nur das Bewilligte. Chemnitz bekam im selben Zeitraum über 122 Millionen Euro bewilligt, Dresden nach dieser Aufstellung nur etwas über 26 Millionen. Was ein recht realistischer Blick ist ins sächsische Fördergeschehen.

Die Zahlen, die Sebastian Gemkow abgefragt hat, kann man also so nicht verwenden, wie es Andreas Nowak getan hat.

Die Anfrage von Sebastian Gemkow als PDF zum download.

Die Anfrage von Dirk Panter und Holger Mann als PDF zum download.

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