Ganz abgelehnt hat Leipzigs Verwaltung den Antrag der Linksfraktion nicht, die Stadt möge sich für den nächstmöglichen Termin - das wäre dann 2025 - um den Titel "Kulturhauptstadt Europas" bewerben. Das Kulturdezernat hat jetzt einen Alternativvorschlag formuliert. Motto: Erst mal prüfen und sammeln wir noch ein bisschen. Dann hat der OBM Futter zum Entscheiden. 2016 könnte man dann die Bewerbung abschicken.

Oder in der Beschlussformulierung des Kulturdezernats. “Der Oberbürgermeister wird beauftragt, weiterhin alle erforderlichen Fakten bis zum Jahr 2016 zu sammeln und zu werten. Der Ratsversammlung soll ein Bericht vorgelegt werden, der ggf. Grundlage einer Ratsentscheidung sein kann, ob der Prozess einer Bewerbung initiiert werden sollte. Es wird daher empfohlen, das Thema im Frühjahr 2016 erneut aufzurufen.”

Ansonsten meint Kulturbürgermeister Michael Faber (Die Linke): “Der Antrag der Fraktion Die Linke, die Chancen und Risiken einer Bewerbung zur ‘Kulturhauptstadt Europas’ 2025 zu prüfen, wird begrüßt.”

Und neu sei das Thema ja nicht. Man hat ja schon einmal drüber nachgedacht, 2009, als die heiße Diskussion um Leipzigs Hochkultur gerade wieder in eine besonders heiße Phase eintrat.

“Die Stadt Leipzig beschäftigt sich bereits seit November 2009 mit einer möglichen Bewerbung zur ‘Kulturhauptstadt Europas'”, erläutert das Kulturdezernat den Vorgang. “Zu diesem Zeitpunkt wurde das erste Gespräch mit Prof. Dr. Oliver Scheytt, Geschäftsführer der Ruhr 2010 GmbH, geführt. Der Dialog wurde intensiv während des 1. Leipziger Kulturforums unter dem Titel ‘Chancen und Risiken einer Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas’ zusammen mit Schlüsselfiguren der Leipziger Kulturlandschaft am 28. März 2012 fortgesetzt. Das Diskussionsergebnis war, dass eine Vielzahl der städtischen Kulturakteure einer Bewerbung weitgehend positiv gegenüber steht.”

Was damals noch nicht klar war: Wann darf die Bundesrepublik überhaupt wieder Kandidaten vorschlagen? Immerhin haben die EU-Osterweiterungen 2004, 2007 und 2013 alles durcheinander gewürfelt. Die Abstände zwischen den Länderbewerbungen haben sich deutlich vergrößert.

“Die Europäische Kommission hat das Programm ‘Kulturhauptstadt Europas’ kürzlich einer umfassenden Evaluation unterzogen. Am 12. Dezember 2013 hat das Europäische Parlament über eine Neuregelung der Vergabe des Titels abgestimmt”, erklärt das Kulturdezernat das Ganze. “Der Ministerrat hat am 24. März 2014 den überarbeiteten Vorschlag der EU-Kommission zur Weiterführung der Initiative ‘Kulturhauptstädte Europas’ angenommen, der die Vergabe des Titels für die Jahre 2020 bis 2033 regelt. Der nächstmögliche Zeitpunkt, als deutsche Stadt den Titel ‘Kulturhauptstadt Europas’ zu tragen, ist das Jahr 2025. Die Veröffentlichung des Bewerbungsverfahrens soll im Jahr 2019 erfolgen. – Zuletzt sah das Jahr 2010 vor, dass Deutschland einen Kandidaten für den Titel nominiert. Im nationalen Auswahlverfahren waren zuletzt die Städte Essen (zusammen mit der Region Ruhr) und Görlitz (zusammen mit der polnischen Stadt Zgorzelec) vertreten. Die europäische Ebene entschied 2006 ‘RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet’ als ‘Kulturhauptstadt Europas’ auszuwählen. Beide Städte hatten die internen Beschlüsse zu einer Bewerbung im Jahr 2001, das heißt 9 Jahre vor dem eigentlichen Kulturhauptstadtjahr, gefasst.”

Die Frage ist natürlich auch: Wer tritt innerhalb der Bundesrepublik noch an?

“Das Dezernat für Kultur verfolgt den Weg einer Prüfung der realen Chancen und Risiken einer Bewerbung”, betont die Verwaltungsvorlage nun. “Die hohe internationale Aufmerksamkeit und die Mittelzuwendungen von Seiten der EU stehen außer Frage. Demgegenüber stehen Eigenleistungen und finanzielle Risiken in nicht unerheblichem Maße. Eine sorgsame Analyse muss Vergleiche zu anderen Kommunen ziehen und herausstellen, was eine Kommune vom Status der Kulturhauptstadt für ihre kulturelle und touristische Infrastruktur erwarten kann. Die Analyse muss außerdem erörtern, wie sich die Landeshautstadt zum Programm ‘Kulturhauptstadt Europas’ positioniert, denn verschiedene Akteure bringen das Thema einer Bewerbung auch für die Stadt Dresden auf die Agenda. Ob ggf. eine Bewerbung ‘gegen’ die Landeshauptstadt sinnvoll erscheint, muss abgewogen werden.”

Womit die Vorlage auf etwas verweist, was Leipzig in dieser Form nicht besitzt: das Dresdner Forum Tiberius, das sich als Unterstützung der Wirtschaft für die Kultur der sächsischen Landeshauptstadt begreift. Am 12. Februar 2014 wurde dort der Gedanke geäußert, Dresden könne sich ja auch bewerben. Wenn das so kommt, wird es schon im Vorfeld eine Klärung innerhalb Sachsens geben müssen. Was vom Zeitplan her in den nächste anderthalb Jahren passieren muss. Dann lohnt es sich, dass eine der beiden Städte ihre Bewerbungsunterlagen abgibt.

Die Vorlage des Kulturdezernats: “Eine umfassende Analyse hat erst seit dem Beschluss der Europäischen Kommission über die Weiterführung des Programms (März 2014) erneut eine reale Handlungsgrundlage. Sich an den genannten Zeitschienen für Essen und Görlitz orientierend, sollte eine Beschlussfassung zur Initiierung eines Bewerbungsprozesses ca. 9 Jahre vor dem Kulturhauptstadtjahr, also im Jahr 2016, erfolgen.”

Zum Modus der Kulturhauptstädte:
www.ccp-deutschland.de

Das Forum Tiberius:
www.forum-tiberius.org

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