In den Leipziger Ratsfraktionen gärt zwar der Unmut darüber, wie jüngst mit ihren Änderungsanträgen zum Doppelhaushalt 2017/2018 umgegangen wurde. Der OBM soll schon reagiert haben, hört man. Die Verwaltung wird sich eben doch mit jedem einzelnen Antrag professionell auseinandersetzen müssen. Auch mit dem der Linksfraktion, die sich eine bessere soziale Betreuung der Geflüchteten wünscht, was nicht billig ist.

Das wurde auch deutlich, als die Staatsregierung – nach heftigen Forderungen aus allen sächsischen Kommunen – mit spürbarem Sträuben die Vergütung der sozialen Betreuung der Flüchtlinge an die Kommunen erhöhte. Auf eine Kompromisssumme, denn so hoch, wie es die teureren Großstädte brauchen, wollte der Finanzminister dann doch nicht mitgehen.

Das steckt auch in einer anderen Zahl. Der Freistaat hat die Betreuungsquote seinerseits einfach festgelegt auf einen Sozialarbeiter/eine Sozialarbeiterin auf 150 zu betreuende Flüchtlinge. Das ist schlicht eine Quote, in der die nötige Betreuung gar nicht gewährleistet werden kann – Ursache dafür, dass es in mehreren Unterkünften im Freistaat immer wieder zu Problemen kam.

Über das Thema, wie viel Betreuung Asylsuchende eigentlich brauchen, diskutiert Leipzig schon viel länger. Deswegen ist das Sozialdezernat auf den sächsischen Betreuungsschlüssel von 150:1 gar nicht erst eingegangen. Dann hätte man die anstehenden Aufgaben im Herbst 2015 gar nicht mehr meistern können. Man ist auf die sozial kompetenten Helfer dringend angewiesen.

Aber wie soll es jetzt weitergehen? Im Raum steht jetzt erst einmal, dass der Freistaat bislang die Leipziger Mehraufwendungen im Jahr 2016 nicht vergüten wird. Das sind immerhin zweistellige Millionenbeträge.

Aber irgendwie ist es auch keine Lösung, jetzt die Betreuung herunterzufahren und zu riskieren, dass die Integration dieser Menschen erst recht scheitert.

Die Linksfraktion hat deshalb einen Antrag gestellt, die Betreuung mit mehr Betreuern auch nach Verlassen der Gemeinschaftsunterkünfte abzusichern.

Denn das, was Leipzig da macht, sei nun einmal vorbildhaft, stellte die Stadträtin und Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, fest.

Die Stadt Leipzig liege mit ihrem Personalschlüssel für die soziale Betreuung von Geflüchteten nicht nur sachsen-, sondern auch bundesweit weit vorn. Eine SozialarbeiterIn kümmert sich um die Belange von 50 Geflüchteten, der Freistaat empfiehlt einen Betreuungsschlüssel von 1:150. Für dezentral wohnende Geflüchtete hat die Stadt mit der Fortschreibung des „Konzeptes für Berechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz“ 2013 einen Betreuungsschlüssel von 1:100 festgelegt. Denn insbesondere nach dem Wechsel in eine eigene Wohnung bleibt der Unterstützungsbedarf zur Bewältigung des Alltags groß.

Seit fast drei Jahren wird die soziale Betreuung der in eigenen Wohnungen lebenden Geflüchteten von vier Vereinen geleistet, die dafür jeweils eine halbe Stelle von der Stadt finanziert bekommen.

„Das ist zu wenig. Im letzten Jahr sind mehrere hundert Geflüchtete – nach unseren Berechnungen zirka 70 im Monat – in eigenen Wohnraum gezogen“, meint Stadträtin Juliane Nagel. Die Linksfraktion beantrage darum die Aufstockung der Stellen auf insgesamt acht, also zwei pro Träger.

„Ausgemachtes Ziel der Stadt ist es, Geflüchtete schnell in eigenen Wohnraum zu bringen. Denn dies ermöglicht die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben“, benennt die Stadträtin die wichtigen Schritte zu einem selbstbestimmten Leben und damit einer aktiven Integration in die Gesellschaft. „Dafür braucht es jedoch auch adäquate dezentrale Unterstützungsstrukturen, die wir mit unserem Antrag stärken wollen. Soziale Betreuung ist ein Garant für die kompetente Begleitung von geflüchteten Menschen, sie gibt individuelle Unterstützung und gewährleistet ein breites Spektrum an Beratungsleistungen (von Behörden über Bildungswege, Sprache, Gesundheit). Nicht zuletzt helfen die SozialarbeiterInnen, Verunsicherungen zu nehmen und Konflikte im Wohnumfeld zu schlichten.“

Im Antrag heißt es dazu: „Für die Betreuung von dezentral lebenden Geflüchteten ist ein Personalschlüssel von 1 SozialarbeiterIn pro 100 zu betreuenden Personen vorgesehen. Im August 2016 lebten ca. 2.000 Menschen, die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz bezogen, in eigenen Wohnungen. Damit ist der vorgesehene Betreuungsschlüssel um ein Vielfaches überzeichnet. Die Beratung der dezentral Lebenden wird derzeit von vier Trägern (Caritas Leipzig, Flüchtlingsrat Leipzig e. V., Internationale Frauen Leipzig e. V. und RAA Leipzig e. V.) mit je einer VzÄ durchgeführt. Ziel ist, dass jeder Träger über zwei VzÄ verfügt, die die soziale Betreuung von dezentral lebenden Geflüchteten erfüllen.“

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