Am 1. März fand im Umweltausschuss des Sächsischen Landtages die Sachverständigenanhörung zur Novellierung des Sächsischen Wassergesetzes statt. Vorgesehen ist unter anderem, im Südraum Leipzig gelegene Tagebaurestseen und ihre Verbindungskanäle generell als schiffbar für private Motorsportboote einzustufen.

Diese Pläne haben zu massiven Protesten geführt, denen sich – bei einer Petition des NuKla e.V. – unter anderem über 11.000 Bürger per Unterschrift anschlossen.

Kritik kommt auch von Umwelt- und Sportverbänden, Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden. Sie hatten die “Charta Neuseenland 2030” mitgezeichnet. Dem Landrat des Landkreises Leipzig, Dr. Gerhard Gey, war es gelungen, die unterschiedlichen Akteure an einen Tisch zu bringen. Joachim Schruth vom NABU Sachsen appellierte deshalb vorm Umweltausschuss an die Abgeordneten, diesen Erfolg nicht zu gefährden und keine pauschale Freigabe für private Motorsportboote in das Gesetz zu schreiben. Hinzu kommt, dass die Seen noch sehr jung und damit limnologisch instabil sind. (Limnologie ist die Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosystemen.) Schon geringe Beeinträchtigungen, etwa durch Schadstoffeinträge, können gravierende Folgen für den Naturhaushalt nach sich ziehen.

Zu weiteren Gesetzesinhalten gab es im Rahmen der Anhörung unter anderem neben Hinweisen zu Wasseraltrechten und der Gewässerunterhaltung eine überwiegende Zustimmung. Auch die Rechtmäßigkeit der Erhebung eines Wasserentnahmeentgeltes für die Betreiber von Wasserkraftanlagen wurde von den anwesenden unabhängigen Juristen anerkannt. Ein Verstoß gegen die Erneuerbare-Energien-Richtlinie liegt nicht vor.

“Jetzt haben die gewählten Volksvertreter nochmals Zeit, die eingegangenen Hinweise und Forderungen zu prüfen. Bleibt zu hoffen, dass des Volkes Stimme auch gehört wird”, erklärte Joachim Schruth am Montag, 11. März.

CDU sieht Nachbesserungsbedarf bei den Schiffbarkeits-Erklärungen

Bei den meisten Anhörungen zu ihren Gesetzesänderungen erwiesen sich die Abgeordneten von CDU und FDP in den letzten vier Jahren als recht schwerhörig. Man hört gern nur, was die eigenen Vorstellungen – die oft genug die Wünsche einer recht überschaubaren Lobby-Gruppe sind – bestätigt. “In der heute im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft durchgeführten Expertenanhörung zur Novelle des Sächsischen Wassergesetzes zeigte sich die übergroße Mehrheit der Experten zufrieden und bezeichnete den Gesetzentwurf als verständlich für die Anwender”, teilte die CDU-Fraktion nach der Anhörung offiziell mit.

Uta Windisch, stellvertretende Vorsitzende des Fraktionsarbeitskreises Ländlicher Raum, Umwelt und Landwirtschaft: “Es hat mir gezeigt, dass viele der neuen Regelungen sowohl von den Praktikern vor Ort, die die wasserrechtlichen Regelungen anwenden müssen als auch von Rechtsexperten unterstützt werden. Die Sachverständigen begrüßten vor allem die modernen und effizienten Regelungen zur Planfeststellung beim Bau von Hochwasserschutzanlagen. Insgesamt ist das Gesetz von Deregulierung, Verfahrensbeschleunigung und Entbürokratisierung gekennzeichnet – dies wurde ausdrücklich bestätigt.”

Die Fraktion gesteht aber auch zu, dass verschiedene Teilaspekte nochmals diskutiert werden müssen. Hierzu gehörten beispielsweise die Regelungen zu den Gewässerunterhaltungsverbänden, die Erklärung der Schiffbarkeit der Tagebaurestseen und die Fristen sowie das Vorgehen beim weiteren Ausbau der Kleinkläranlageninfrastruktur in Sachsen.Deutliche Kritik von den Grünen

Wesentlich unzufriedener zeigte sich nach der Sitzung des Umweltausschusses Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion: “Dieser Gesetzentwurf setzt falsche Schwerpunkte. Die Chance für eine ökologische Ausrichtung des Schutzes und der Nutzung der Lebensressource Wasser wurde verpasst; die einseitige Bevorzugung des technischen Hochwasserschutzes hingegen zementiert. Vorrang für nachhaltigen Hochwasserschutz wird es in Sachsen nicht geben.”

Besonders problematisch sei die geplante Abschaffung der Abwägung bei Planfeststellungen. Mit einer Verfahrensbeschleunigung bei Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes werden so Bürger- und Verbändebeteiligung ausgehebelt und Abwägungsmöglichkeiten ausgeschlossen. “Leider haben CDU und FDP auf ein Vorkaufsrecht des Freistaats und der Kommunen für Gewässergrundstücke und an Gewässern angrenzende Grundstücke im Gesetzentwurf verzichtet. Damit hat die öffentliche Hand ein wichtiges Instrument, zum Beispiel zur Schaffung von Überschwemmungsflächen für vorbeugenden Hochwasserschutz, aus der Hand gegeben. Diese Kritik teilen wir mit den Sachverständigen der Kommunen”, kritisiert Kallenbach diesen langjährigen Verzicht auf eine wirklich nachhaltige Wasserwirtschaft. “Im Gesetzentwurf wurde versäumt, ein restriktives Bebauungsverbot in Überschwemmungsbereichen festzuschreiben. Stattdessen ist ein absolutes Bepflanzungsverbot und die Entfernung von Gehölzen selbst auf kleinsten Hochwasserschutzanlagen vorgesehen – eine völlig überzogene und fachlich fehlerhafte Pauschallösung. Bei Erneuerungen von bereits bestehenden Hochwasserschutzanlagen sollte aus GRÜNER Sicht nach Einzelfall entschieden werden.”

Die Grüne-Fraktion hatte die auf Umwelt-, Planungs- und Verwaltungsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei Wolfram Günther (Leipzig) mit einem Gutachten zum Gesetzentwurf beauftragt. Wolfram Günther urteilte: “Mit der geplanten Verfahrensbeschleunigung bei Hochwasserschutzmaßnahmen weicht Sachsen schwerwiegend von den bundesweit einheitlichen Grundsätzen der Planfeststellung ab. Zusätzlich soll laut Paragraf 89 des Gesetzentwurfs die Planabwägung bei Maßnahmen des Hochwasserschutzes wegfallen. Dies halte ich für verfassungsrechtlich hoch bedenklich.”

Gisela Kallenbach beklagt: “Leider ist die Regierungskoalition durch Sachargumente nicht zu überzeugen. CDU und FDP bleiben dabei: Wasserkraftbetreiber werden überdurchschnittlich finanziell belastet, die Braunkohleunternehmen behalten ihren Freibrief. Angesichts millionenschwerer Sanierungskosten allein durch die Sulfat- und Eisenbelastung in der Lausitz, ist das ein Skandal. – Die Staatsregierung verzichtet freiwillig und ohne Not auf die Einnahmen aus einer Wasserentnahmegebühr der Braunkohleunternehmen. Dieses Geld ist dringend nötig, um die mangelnde Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu finanzieren. Ein Verzicht darauf ist ökonomisch irrsinnig und ökologisch fahrlässig. Für die ökologischen Folgen des Bergbaus müssen nach Ansicht von CDU und FDP offenbar die Steuerzahler aufkommen. Fürsorgepflicht gegenüber betroffenen Bürgern sieht anders aus.”

Auch die SPD sieht eine Menge Nachbesserungsbedarf

“Die Novelle des Sächsischen Wassergesetzes trifft bei der Umsetzung des Hochwasserschutzes weiterhin widersprüchliche und praxisuntaugliche Regelungen. Obwohl der Grundsatz gilt, dass heute dafür Sorge zu tragen ist, dass es beim Hochwasser von morgen keine oder nur geringe Schäden gibt, stellt die schwarzgelbe Staatsregierung auf stur”, stellte Dr. Liane Deicke, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, fest. “Die Sachverständigen übten erneut heftige Kritik und äußerten völliges Unverständnis, dass es für Sachsen kein Vorkaufsrecht mehr gibt. Die schwarzgelbe Regierungskoalition hatte im Jahr 2010 das gesetzliche Vorkaufsrecht abgeschafft. Damit wurde den Kommunen eines der wichtigsten Instrumente zum vorbeugenden Hochwasserschutz aus der Hand genommen. – Mit der Abschaffung des gesetzlichen Vorkaufsrechtes fällt Sachsen weiter hinter bundesgesetzlichen Standards zurück. Die Lasten tragen die Kommunen und der Bürger. Denn sie sind es, deren Eigentum bei der nächsten Überschwemmung und Hochwasser in Gefahr ist. Vorbeugender Hochwasserschutz braucht effektive Strukturen bei der Gewässerunterhaltung. Seit Jahren fordert die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag daher den Zusammenschluss zu Wasser- und Bodenverbänden. Doch anstatt mit der vorliegenden Novelle des Wassergesetzes eine rechtlich gesicherte Finanzierung zu schaffen, bleibt alles so wie es ist. Undicht.”

Und Thomas Jurk, energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: “”Das sächsische Wassergesetz konterkariert mit der Wasserentnahmeabgabe für Wasserkraftanlagen die Energiewende! Diese enorme Belastung ist energiepolitisch ein fatales Zeichen. Damit wird eine klimafreundliche Energieform unsinnigerweise herangezogen. Wasserkraft ist unverzichtbar im Energiemix hin zur Energiewende.”

Vortrag des Sachverständigen, Rechtsanwalt Wolfram Günther: www.gruene-fraktion-sachsen.de/372e6121.l

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