Es wird zwar eifrig verhandelt in Berlin, wer nun mit wem auf welche Weise vielleicht koalieren könnte. Es wird auch innerhalb jener Parteien gestritten, die am 22. September allesamt eine Niederlage einstecken mussten, darüber, woran es eigentlich lag. Und der Streit wird zum Teil immer schräger: War man zu extrem in seinen Forderungen? Oder hat man sein Kernprofil verraten? War man zu mutig oder zu feige? - Dahinter steckt auch ein Problem, das die sächsische Landtagsabgeordnete der SPD, Petra Köpping, umtreibt.

Denn Sachsen steht 2014 vor einer ganz ähnlichen Dilemmawahl und vor denselben Problemen in Grün-Weiß, die auf bundesdeutscher Ebene ungelöst sind. Und ein zentrales Thema dabei ist das, was für immer mehr Wähler so ein dumpfes Bauchgrimmen ergibt: Reden diese Politiker überhaupt noch über die Probleme, die Max und Minna das Leben schwer machen? Reden die überhaupt noch über dasselbe Land? – Oder leben die längst schon in einem medialen Tingeltangel, in dem nicht mehr diskutiert, sondern gepoltert wird, als wäre Politik der rheinische Karneval?

Woher kommen diese ganzen teuren Prunklösungen für Probleme, die eigentlich keine sind – und warum fehlen die Gelder für die Lösungen, die auf der Tagesordnung stehen sollten?

“Hochwasser, Lärm, Schule, Abwasser – alleine nur bei diesen vier momentan brisanten Themen im Landkreis Leipzig zeigt sich, dass Bürgerwille und Ämterhandeln nicht zusammen kommen”, kritisiert Petra Köpping, lange Zeit selbst Landrätin im Leipziger Süden. Da scheint es mit der Ämterkompetenz ganz ähnlich zu sein wie im großen Leipzig, wo man die bezahlbaren einfachen Lösungen auch so gern für unmöglich erklärt, weil irgendwelche zusammengeklaubten Vorschriften ein unbürokratisches Handeln scheinbar verbieten.

Vieles wird in Deutschland auch deshalb schweineteuer, weil sich Behörden an die gewohnten Verfahrenswege halten. Die waren und sind in der Regel gepolstert mit allerlei Paragraphen und Genehmigungshürden. Wer “alles richtig” machen will, hält sich daran – und hilft damit eifrigst, die Dinge noch unmöglicher zu machen.

Petra Köpping hat ein paar Beispiele gesammelt.

“So wünschen sich beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger von Pegau lediglich eine Absenkung der B2, damit sich bei künftigen starken Niederschlägen das Wasser an dieser Stelle nicht mehr stauen kann. Die Behörde antwortet mit der Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens, obwohl die Erhöhung der B2 einzig und allein durch Reparaturarbeiten mit Aufbringen von Asphalt zustande kam”, beschreibt sie das erste Beispiel.

Das zweite fand sie in Markranstädt: “Die Markranstädter fordern seit langem geschlossen eine Tempo-30-Zone auf der Bundesstraße, die durch den Ort verläuft. Auch hier antworten verschiedene Behörden mit der Notwendigkeit der Erstellung von zahlreichen Gutachten.”

Aber selbst die in Verweigerung erstarrte sächsische Schulpolitik gehört hier her. Da feiert sich die zuständige Kultusministerin zwar für ein schnell zusammengeschnürtes Reparaturpaket – aber weder die Hoffnung auf verfügbare Ersatzlehrer geht auf, noch ist der Eiertanz um die Schulschließungen beendet. Das neue Schulmoratorium verkommt genauso zur PR-Blase wie das alte. Verlässliche Politik ist das schon lange nicht mehr.So sieht es auch Köpping: “Ein weiteres Beispiel sind Bürgermeister, die mit dem Beginn eines jeden Schuljahres hoffen müssen, dass sich in ihren Schulen genügend Schülerinnen und Schüler anmelden, damit die Einrichtungen weiter bestehen dürfen. Das Kultusministerium in Dresden hält die betroffenen Regionen mit einem Schulschließungsmoratorium hin und verweigert sich der Einführung von einzügigen Schulen. Und betroffen sind auch Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum, die gezwungen werden, bis zu einem bestimmten Datum, eine in der Anschaffung und Unterhaltung teure Kleinkläranlage einzurichten. Die Antwort der Regierung ist die Festschreibung der Umstellungsfrist im Wassergesetz ohne Ausnahme- und Härtefallregelungen.”

Es ist eine Mischung aus kaiserlichem Edikt, gemischt mit den Sanierungsoperationen in einem insolvent gewordenen Unternehmen. Diese Diskrepanz spüren natürlich auch die Wähler. All diese Beispiele zeigen, warum sich Menschen von der Politik und Verwaltung nicht ernst genommen fühlen, betont Köpping.

“Ich habe in meinen Bürgersprechstunden mit vielen Betroffenen gesprochen und ich kann deren Enttäuschung natürlich verstehen”, sagt die Landtagsabgeordnete. Es müsse doch möglich sein, dass in bestimmten Fällen einmal kurzfristig eine Lösung umgesetzt wird, um die Situation für alle Beteiligten zu verbessern. Das starre Durchdrücken von Vorschriften gegen die Interessen der Menschen vor Ort führe nur zu gesteigertem Frust und Politikverdrossenheit.

“Das dürfen wir Politiker nicht zulassen. Wir müssen hier handeln, sonst werden wir mit einer sinkenden Wahlbeteiligung abgestraft”, mahnt die Politikerin. Demokratie bedeute auch, dass die Bürgerinnen und Bürger zwischen den Gängen zur Wahlurne eine Chance auf Mitbestimmung hätten. Und dies drücke sich beispielsweise auch in einer Zusammenarbeit von Regierung und Opposition im Dresdner Landtag aus – eine Zusammenarbeit, die es in dieser Legislaturperiode genau einmal bei der Festschreibung der Schuldenbremse in der Verfassung gegeben habe. “Und das finde ich ein bisschen wenig”, sagt Köpping.

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