Viel Sums hat der sächsische Landesverband der SPD nicht gemacht um seine Befragung der Sachsen im Juni, wen sie denn nun wählen würden, wenn am Sonntag Landtagswahl wäre. Ein Grund ist unübersehbar: Es tut sich nicht viel. Das Land ist eingelullt in Selbstgefälligkeit. Viele Sachsen haben sich in Zufriedenheit gepackt und sehen die aktuelle Regierung nicht in lauter ungelöste Probleme verstrickt. 42 Prozent würden einfach wieder CDU wählen.

Die SPD hatte das Meinungsinstitut Forsa beauftragt, ein paar Sachsen zu befragen – 1.002 an der Zahl. Danach würde die SPD auf 15 Prozent kommen, die Linke käme auf 18 Prozent, die Grünen bekämen 6 Prozent. Ein Wert, der die Grüne-Fraktionsvorsitzende so langsam so richtig ärgert. Da rackert man sich ab, macht immer neue Lösungsvorschläge für all die Probleme, in denen sich die Regierung festgefahren hat. Vom Wähler aber wird das nicht honoriert.

“Wir wollen deutlich mehr Zuspruch am 31. August für Bündnis 90 / Die Grünen erreichen”, erklärte Antje Hermenau am Freitag, 20. Juni. “Denn wir sächsischen Bündnisgrünen machen uns in und für Sachsen stark. Eine Partei, die sich konsequent für Verbesserungen in der Bildungspolitik, in Demokratiefragen und für den Schutz der natürlichen Umwelt einsetzt, ist wichtig für Sachsen. Und auf uns ist Verlass: wir setzen uns weiter für den schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohle und eine intakte Natur ein. Wer diese Änderungen in der Landespolitik will, sollte uns Bündnisgrüne stark in den nächsten Landtag wählen.”Die FDP dürfte von der Umfrage ein weiteres Mal alarmiert sein. Sie käme – genauso wie die NPD – nicht über 3 Prozent hinaus und würde so an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Dafür wird die Alternative für Deutschland (AfD) mit 8 Prozent gehandelt. Sie hat damit die Piraten abgelöst in der Gunst der Protestwähler, die vor zwei Jahren mit solchen Zahlenwerten gehandelt wurden. Die Piraten haben sich ja nicht wirklich geändert, haben nur zwischenzeitlich erlebt, wie hart eine junge Partei in die Mangel genommen wird von den Medien, wenn sie in den Bereich ernsthafter Politikbeteiligung kommt. Manches war zwar eigenverschuldete Debattenkatastrophe. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es in anderen und auch in etablierten Parteien in der Regel nicht anders zugeht. Nur machen es die meisten niemals so transparent und öffentlich wie die Piraten.

Dadurch, dass sie mittlerweile wieder unter “Sonstige” laufen, geht natürlich auch der sächsischen Politik eine wichtige neue Facette verloren. Denn die (Geheim-)Kabinettpolitik, die die Sachsen derzeit erleben, tut der politischen Kultur in keiner Weise gut.

Was natürlich noch die Frage aufwirft: Was steckt sonst noch in den 5 Prozent “Sonstige”? Denn noch werden augenscheinlich die freien Wählervereinigungen in Sachsen nicht ganz ernst genommen. Auf Kreisebene aber sind sie längst präsent. Im Landkreis Nordsachsen zum Beispiel erreichte die Freie Wählergemeinschaft 10,4 Prozent der Stimmen zur Kommunalwahl im Mai. Im Landkreis Leipzig kam die Unabhängige Wählervereinigung auf 15,1 Prozent. In manchen Kommunen sind die Freien Wähler längst die zweitstärkste Kraft hinter der CDU. In Frohburg kam die UVW auf 28,3 Prozent, in Geithain auf 23,2 Prozent. In Colditz waren sie mit 43,1 Prozent der Wahlsieger, mit über 30 Prozent auch in Otterwisch und Kitzscher.

Die Reihe lässt sich fortsetzen. Und sie macht ein Phänomen sichtbar: Die drei sächsischen Großstädte und die ländlichen Räume driften in der Zusammensetzung der gewählten Parteienlandschaft immer weiter auseinander. Und: Im ländlichen Raum gilt nicht mehr automatisch das Primat der CDU. Was zumindest in der Auseinandersetzung um die Direktmandate zur Landtagswahl am 31. Mai einige Überraschungen mit sich bringen dürfte.

Natürlich hat das auch mit den auseinander driftenden Problemlagen in Stadt und Land zu tun. Während die Großstädte unter Wachstumsproblemen zu leiden haben, die von den Grünen, der SPD und den Linken stark reflektiert werden, leiden die ländlichen Räume immer stärker unter der Abwanderung vor allem der jungen Leute. Aus der regionalen Perspektive wird vom Bürger kaum wahrgenommen, dass die Probleme miteinander zu tu haben und dass es in Sachsen an einer übergreifenden Strategie fehlt, die demografische Entwicklung auch übergreifend zu gestalten und ebenso umfassende Lösungen zu finden. Das Klein-Klein der Landespolitik spiegelt sich im Klein-Klein der Kommunen und ihrer Problemlagen. Bislang hat die CDU vom Aussitzen der Probleme profitiert und rechnet wohl auch irgendwie damit, dass mit der AfD nun wieder (nach NPD und FDP) ein neuer Sammler von Protestwählerstimmen in den Landtag einzieht. Das löst freilich den Problemstau nicht, sondern könnte im schlimmsten Fall zu einem weiteren Stillstand in der sächsischen Politik bis 2019 führen. Dann aber hat Sachsen auch unter den ostdeutschen Bundesländern endgültig die rote Laterne.

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