"Sachsen hortet 32 Millionen Euro aus der Abwasserabgabe, die Gemeinden und Bevölkerung fehlen", vermeldete in der vergangenen Woche die umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Dr. Jana Pinka. Aber schon bei "Abwasserabgabe" kommt der landläufige Sachse ins Grübeln: Was ist das eigentlich? Und wer sitzt da eigentlich auf wessen Geld?

“Der Rechnungshof hat schon im Jahr 2012 festgestellt, dass bei der von den Kommunen erwirtschafteten Abwasserabgabe erhebliche Bearbeitungsrückstände und Mittelanhäufungen bestehen. Die Höhe der einbehaltenen Mittel war bislang nicht nachvollziehbar”, stellt Jana Pinka fest. Sie hat extra eine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Umweltminister Frank Kupfer hat geantwortet. An der Sache hat sich auch 2014 nichts geändert.

“Die seit Jahren eingenommene und nicht wieder ausgegebene Summe beläuft sich mittlerweile auf etwa 32,5 Millionen Euro. Dabei sollen diese Mittel unverzüglich für die Erhaltung und Verbesserung der Gewässergüte eingesetzt werden”, stellt Pinka fest.

Die Rechtsgrundlage: Gemäß § 13 des Gesetzes über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz – AbwAG) ist von den Abwassereinleitern oder an Stelle von Kleineinleitern die Körperschaft des öffentlichen Rechts (Zweckverbände, Gemeinden) verpflichtet, eine Abwasserabgabe zu entrichten. Diese Mittel sind zweckgebunden für die Erhaltung und Verbesserung der Gewässergüte einzusetzen.

Oder noch etwas einfacher: Jeder, der in Sachsen Abwasser in ein Oberflächengewässer einleitet, muss diese Abwasserabgabe zahlen. Sie richtet sich nach der Menge des eingeleiteten Abwassers und nach seiner Reinheit. Je mehr Schadstoffe zum Beispiel ein vorgeschaltetes Klärwerk aus dem Abwasser der Kommune entfernt, umso geringer die Abgabe. Die Leipziger Wasserwerke bilden dafür jedes Jahr Rückstellungen. Denn sie selbst wissen zwar, was sie in die Weiße Elster geleitet haben und wieviel – aber (siehe oben) die Landesbehörden kommen nicht hinterher und schieben einen Riesenberg von Berechnungsposten vor sich her.Jana Pinka erwähnt es nicht extra: Aber so etwas entsteht zwangsläufig, wenn man die entsprechenden Ämter in den Landesdirektionen personell ausgedünnt hat und glaubt, beim Personal einfach fröhlich sparen zu können. Der Freistaat hätte gut getan, mit seinem Personalreduzierungsprogramm auch gleich einen Berg von Gesetzen abzuschaffen. Das zur Abwasserabgabe zum Beispiel. Denn dadurch, dass die Regierung so aus dem Hemdsärmel bestimmt hat, dass die Abgabe auch zum Bau von Kleinkläranlagen eingesetzt werden soll, hat sie ganz beiläufig einen neuen bürokratischen Moloch gefüttert.

Jana Pinka: “Dies ist angesichts der Herausforderungen, vor die Kommunen und Bevölkerung gestellt sind, nicht nachvollziehbar: Unattraktive Förderbedingungen und der Zwang zur Umstellung auf Kleinkläranlagen bis Ende 2015 erschweren eine wünschenswerte Entwicklung und wälzen das Risiko trotz Schuldenbremse ab – bei eigentlich vollen Kassen.”

Die Abgabe selbst ist auch ein bürokratischer Moloch. Von den 110,8 Millionen Euro, die man von 2003 bis 2014 eingenommen hat, gingen allein 11,2 Millionen in die Verwaltung. 67 Millionen wurden für Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässergüte eingesetzt. Davon werden nicht nur Kläranlagen co-finanziert. “Zudem werden mit den Geldern oberirdische Gewässer renaturiert und revitalisiert. Auch Fischwanderanlagen, die der Durchgängigkeit von Fließgewässern dienen, und Maßnahmen im und am Gewässer zur Verbesserung der Gewässergüte werden gefördert”, heißt es auf der Website des Umweltministeriums.

Tatsächlich passiert in dieser Hinsicht viel zu wenig. Die meisten sächsischen Fließgewässer haben eine schlechte Wasserqualität, was in großen Teilen auch daran liegt, dass Bodeneinträge direkt in die Flüsse gespült werden, weil alte Auen und Grünlandschaften, die diese Wasser filtern könnten, abgedeicht wurden, teilweise nicht mehr existieren oder einem technischen Hochwasserschutz geopfert wurden, der dem Wasser auch im Hochwasserfall nur eins verleiht: Geschwindigkeit.

Die Leipziger Wasserwerke rechnen pro Jahr mit rund 5 Millionen Euro Abwasserabgabe. Zeitweilig hatten sie in den vergangenen Jahren über 37 Millionen Euro dafür an Rückstellungen gebildet, weil die Landesbehörden mit der Berechnung nicht hinterher kamen. Zwischenzeitlich gab’s auch noch Ärger mit der Finanzkasse des Freistaats, die für die Rückstellungen Steuern haben wollte. Ein Fall, der dann im Vergleich gelöst wurde – den Wasserwerken aber trotzdem das Steuerzahlen auf die zurückgelegte Abwasserabgabe nicht ersparte. Augenblicklich haben die Leipziger Wasserwerke etwas über 18 Millionen Euro für die Abwasserabgabe zurückgelegt, was dann ungefähr drei offenen Rechnungen entspräche.

Das Umweltministerium zur Abwasserabgabe: www.umwelt.sachsen.de/umwelt/wasser/6761.htm#article6770

Der Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2012 zum Thema: www.rechnungshof.sachsen.de/jb2012/jb12-I-22.pdf

Die Antwort von Umweltminister Frank Kupfer als PDF zum Download.

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