Wer schreibt denn eigentlich den sächsischen Rechnungshofbericht? Das ifo Institut in Dresden? Stellenweise liest er sich so. Aber natürlich muss das wirtschaftsnahe Institut in Dresden den Bericht gar nicht mitverfassen. Sein Denken ist ja längst im Denken und Handeln des sächsischen Finanzministers Georg Unland (CDU) präsent. Und nichts anderes kommentiert ja der Rechnungshof, wenn er in seinem "Jahresbericht 2014" die sächsische Betriebspolitik würdigt.

Und da den ganzen Sparprogrammen von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Finanzminister Georg Unland (CDU) die Daten und Prozessbeschreibungen aus dem 1993 gegründeten Dresdner ifo Institut zu Grunde liegen, stehen diese Zahlen nun auch wieder im Jahresbericht des Sächsischen Rechnungshofes.

So auf Seite 43, wo man die Empfehlung des ifo Institutes behandelt wie eine objektive Datenanalyse: “Das ifo Institut empfiehlt in seinem Fazit, rechtzeitig mit der ausgabenseitigen Konsolidierung zu beginnen und diese standhaft umzusetzen.” Der Satz allein sagt schon eine Menge über das Verständnis von ifo Institut wie Sächsischem Rechnungshof (SRH) von Staatsfinanzierung: Es ist ein plumpes betriebswirtschaftliches Denken nach dem schwäbischen Hausfrau-Prinzip.

Im SRH-Bericht dann auf Seite 53 noch einmal ausführlicher aufgeblättert: “Die aktuelle Entwicklung der Ausgaben lässt noch keine Anpassung der Ausgaben an die mittel- bis langfristig rückläufigen Einnahmen erkennen. In der landeseigenen Projektion im Stabilitätsbericht für das Jahr 2013 geht das SMF von einer durchschnittlichen Rückführung der Ausgaben von 0,5
% pro Jahr aus, um bis 2020 die Schuldenregelung weiterhin einhalten zu können. Dass dieses Ziel noch nicht ansatzweise erreicht wird, zeigt das kassenmäßige Jahresergebnis 2012. Die Ausgaben lagen mit rd. 147,6 Millionen Euro über den Einnahmen. Der Haushaltsausgleich wurde nur über das Ausgaberesteverfahren erreicht.”

Was natürlich der verkrampfte Versuch ist, das Haushaltsjahr streng zwischen den beiden Daten 1. Januar und 31. Dezember zu rechnen, auch wenn ein großer Teil der Steuer(mehr)einnahmen immer erst nach Jahresschluss eingesammelt wird. 2012 war tatsächlich – wie schon das Jahr 2011 – für Sachsen ein Jahr mit einem Milliarden-Überschuss. Der war groß genug, dass der Finanzminister ohne Probleme noch ein paar “besondere Finanzierungsausgaben” stemmen könnte, ohne ein Haushaltsminus zu riskieren.

Das steht dann gleich auf Seite 53: “Die ‘Besonderen Finanzierungsausgaben’ (Haushaltsgruppe 9) beeinflussen in erheblichem Maß die Höhe der bereinigten Ausgaben. Die Möglichkeit und die Höhe der Zuführungen an Rücklagen und Sondervermögen richten sich wiederum nach der Höhe der Einnahmen. Im Haushaltsjahr 2012 entfielen 1,47 Milliarden Euro auf die ‘Besonderen Finanzierungsausgaben’. Der Betrag setzt sich im Wesentlichen zusammen aus: 754,5 Millionen Euro Zuführungen an das Sondervermögen ‘Garantiefonds’, 334,1 Millionen Euro Rückstellungen für Istabrechnungen gemäß SächsFAG, 140,0 Millionen Zuführungen an den Zukunftssicherungsfonds Sachsen, 67,0 Millionen Zuführungen an den Braunkohlesanierungsfonds und 64,0 Millionen Zuführungen an die Kassenverstärkungs- und Haushaltsausgleichsrücklage.”

Dass die Autoren des SRH-Berichtes da nicht heimlich gelacht haben, als sie das schrieben …

Denn die aufgezählten Posten erzählen schlicht davon, wie der Finanzminister die Mehreinnahmen einfach in seine fröhlich wachsenden Fonds gesteckt hat. Sie wurden nicht ausgegeben, hätten unter Ausgaben eigentlich auch nicht auftauchen dürfen. “Garantiefonds” ist der mittlerweile mit über 1 Milliarde Euro gefüllte Fonds, aus dem die Rechnungen für den Sachsen-LB-Nachlass bezahlt werden. FAG ist das sächsische “Finanzausgleichsgesetz”, nach dem der Freistaat einen Teil der Steuermehreinnahmen für die Kommunen zurücklegt, um sie in den Folgejahren als Ausgleich an die Kommunen auszuzahlen. Die 67 Millionen für den Braunkohlesanierungsfonds kann man als indirekte Braunkohlesubvention bezeichnen. Hier repariert der Freistaat – mit Steuermitteln – die vom Bergbau zerstörten Landschaftsstrukturen.Aber der Rechnungshof sieht all die Fonds und Rücklagen nicht mal als Problem, sondern als eine Belastung für den laufenden Haushalt. Auf Seite 56 so nachzulesen: “Die Landesgesetze sollten zumindest hinsichtlich der Höhe der Zahlungsverpflichtungen geprüft werden. Insbesondere da das Volumen in den letzten Jahren von ehemals rd. 4 Milliarden Euro auf über 5 Milliarden Euro gestiegen ist. Zu den landesgesetzlichen Rechtsverpflichtungen gehören mit 2,9 Milliarden Euro die Zahlungen nach dem SächsFAG, die Zuführungen an den Garantiefonds (100 Millionen Euro) und Generationenfonds (488 Millionen Euro), Zahlungen nach dem Gesetz über Kindertageseinrichtungen (412,1 Millionen Euro) oder Zahlungen nach dem Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft (225,7 Millionen Euro). Für nicht zielführend hält der SRH Kürzungen im Bereich der Vorsorgemaßnahmen …”

Wobei es schon seltsam ist, dass die gesetzlich begründete Co-Finanzierung für Kindertagesstätten und freie Schulen hier mit den gigantisch wachsenden Fonds in einen Topf geschmissen wird. Für den “Garantiefonds” werden in den nächsten Jahren noch weitere 460 Millionen Euro aus dem sächsischen Haushalt abgezwackt werden müssen. Und der mit rund 500 Millionen Euro gefütterte “Generationenfonds” soll im Grunde die Pensionskosten der ehemaligen Staatsdiener absichern. Diese “Schuldlast” aus Pensionsansprüchen in der Zukunft beziffert der Rechnungshof mit stolzen 19 Milliarden Euro. Bislang aber bewegen sich die jährlichen Zahlungen des Freistaats für seine Pensionäre gerade einmal im Bereich von 120, 130 Millionen Euro.

Man kommt auf wahnwitzige Zahlen, wenn man versucht, solche Pensionsansprüche als Schuldlast für den Staatshaushalt hochzurechnen, selbst wenn die Pensionen selbst aus den bescheidenen sächsischen Haushalten recht locker bezahlt werden können.

Aber an solchen Stellen wird deutlich, in welche Panik Betriebsbuchhalter ausbrechen, wenn sie es auf einmal mit kompletten Staatshaushalten zu tun bekommen. Dann liegt nicht nur die Vergangenheit (12 Milliarden Euro Schulden) als Alp auf der Gegenwart, dann setzt sich die Zukunft auch noch mit 19 Milliarden Euro obendrauf.

Im nächsten Schritt werden dann die eigentlichen Personalausgaben für das heutige Personal zu einer untragbaren Belastung. Und da das auch noch in der Rubrik “Extrahaushalte” verquirlt wird, potenzieren sich die Ängste. Im Bericht des SRH auf Seite 68 so zu lesen: “Die Hochschulen stellen neben dem Generationenfonds die finanziell größte Gruppe der Zuschussempfänger dar. Sie erhielten im Haushaltsjahr 2012 insgesamt 27 % der an Extrahaushalte ausgereichten Zuschüsse und Zuführungen, der Generationenfonds 21 %. Die Zuschüsse und Zuführungen an die Sondervermögen beliefen sich insgesamt auf rd. 488 Millionen Euro und an die Staatsbetriebe auf rd. 374 Millionen Euro.”

Die Hochschulen bekommen übrigens 602 Millionen Euro als “Zuschuss”. Damit müssen sie funktionieren. Deckel drauf, fertig. Tatsächlich erzählt der ganze Bericht recht plastisch, wie die anwachsenden Fonds und Rücklagen die normalen Ressortausgaben – insbesondere fürs Personal – unter Druck bringen. Und das ist erst einmal nur das Jahr 2012. Die Bilanzen für 2013 und 2014 hat sich der Rechnungshof ja noch gar nicht angeschaut.

Wie sehr die Sichtweise des ifo Institutes hier eine Rolle spielt, ist ab Seite 43 ff. sehr schön nachzulesen. Hier stecken die ganzen Prognosen, mit denen dann der Finanzminister in den Haushaltsverhandlungen Druck aufgebaut hat. Angefangen von den drastisch schwindenden Einnahmen – eine Prognose, die das ifo Institut inzwischen korrigiert hat. Dabei wurde auch der völlig irrwitzige Versuch beendet, gleich 17 Jahre in die Zukunft blicken zu wollen. Man beschränkt sich jetzt auf 12 Jahre, im Bericht ist der eigentlich realistische Prognosezeitraum bis 2017 angegeben. Und da bleiben die sächsischen Einnahmen stabil über 16 Milliarden und stürzen nicht, wie vom Finanzminister mal orakelt, auf 14 Milliarden ab.

Die Prognose des Ifo Instituts für 2025 sieht trotzdem nicht gescheiter aus: Das verheißt bis dahin nämlich einen Einnahmerückgang von 2,8 Milliarden Euro. Der größte Batzen dabei entspringt den Bevölkerungsprognosen, die in Sachsen schon seit geraumer Zeit nicht mehr verlässlich sind. Allein die Fehlerdiskussion dieser Prognosen müsste einen 200-Seiten-Band füllen. Im SRH-Bericht werden sie recht summarisch als Grundlage genommen.

Und das Ergebnis ist dann (Seite 43): “Ein unterstelltes positives gesamtdeutsches Wirtschaftswachstum allein kann den Einnahmenverlust nicht kompensieren.” So tickt die sächsische Finanzpolitik. Man könnte es auch heillose Panik nennen.

www.srh.sachsen.de/pages/index.html

Zum 1. Band des Jahresberichts (PDF): www.rechnungshof.sachsen.de/download/JB2014-Band-I.pdf

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