Mit der Finanzierung des Schulhausbaus sah es in Sachsen in den vergangenen Jahren nicht allzu doll aus. Die beiden Großstädte Dresden und Leipzig mussten bei der Regierung regelrecht darum betteln, dass es ein bisschen Förderung für Schulneubau gab. Dann half das Programm „Brücken in die Zukunft“ ein bisschen. Und seit dem Sommer warten die Kommunen hoffnungsvoll darauf, dass sie sich um das Extra-Paket des Bundes bewerben dürfen. Am Sonntag gab’s dazu die öffentliche Beschwerde vom Gemeindetag.

Der Bund hatte im Sommer 2017 rund 178 Millionen Euro für die Bildungsinfrastruktur – vor allem den Schulhausbau – im Freistaat Sachsen zur Verfügung gestellt. Doch am Wochenende kritisierte der Landesvorstand des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG), dass der Freistaat Sachsen immer noch keine Klarheit zum Verfahren und zur Verteilung der Bundesmittel für den kommunalen Schulhausbau geschaffen hat.

„Wenn der Freistaat Sachsen nicht endlich einen Gesetzentwurf für die Verteilung der Investitionsmittel des Bundes zum Schulhausbau zur Anhörung freigibt, ist der Abruf der ersten Mittel im kommenden Jahr akut gefährdet“, warnte der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages und Oberbürgermeister von Hoyerswerda, Stefan Skora, in Dresden. „Der Zug muss jetzt aufs Gleis gesetzt werden, damit er bis 2022 in den Bahnhof einfährt und alle Bundesmittel rechtzeitig abgenommen werden können. Wir fragen uns, warum es der Staatsregierung nicht gelingt, sich innerhalb von vier Monaten mit dem Landtag abzustimmen und die wenigen wichtigen Weichen für den Mittelabruf zu stellen.“

Er verwies darauf, dass die sächsischen Städte, Gemeinden und Landkreise nach der Gemeindeordnung bis Ende November die Haushalte für das Folgejahr verabschieden sollen. Ein wesentlicher Bestandteil der Haushaltsplanung ist die Investitionsplanung. Aber wenn nicht klar ist, ob die Gemeinde Schulbaumittel beantragen kann, bleibt da ein riesiges Fragezeichen.

Zwar habe es zur Umsetzung des Bundesprogramms bereits Vorgespräche mit der kommunalen Ebene gegeben, teilt der SSG mit. Nach wie vor gebe es aber keine Klarheit darüber, wie die Mittel zwischen den Kreisfreien Städten, Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden aufgeteilt werden, wie hoch das Mindestinvestitionsvolumen für eine einzelne Maßnahme ist und mit welchem Fördersatz die Kommunen rechnen können.

Für den innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Enrico Stange, ist der Vorgang Teil eines Dauerstreits zwischen der bürokratisch agierenden Staatsregierung und den sächsischen Gemeinden, die unter einem Investitionsstau leiden, von der Staatsregierung finanziell aber so knapp gehalten werden, dass selbst Fördergelder in dreistelliger Millionenhöhe nicht abgerufen werden können.

Tatsächlich versucht die Landesregierung seit Jahren, die Gemeinden wie ein Oberlehrer zu behandeln.

Aber das wollen sich immer mehr Bürgermeister und Landräte nicht mehr gefallen lassen.

Dazu käme dann auch noch der Zoff zwischen dem mauernden Finanzminister und dem Kultusminister, dem mittlerweile Lehrer und Schulen fehlen.

„In dem Dauerknatsch zwischen sächsischem Kultus- und sächsischem Finanzministerium, deren Spitzen von der CDU besetzt worden sind, bleiben offenbar die einfachsten Hausaufgaben liegen – zulasten der Kommunen. Sobald der designierte Ministerpräsident Michael Kretschmer gewählt ist, muss er dringend nacharbeiten“, meint Enrico Stange. „Entweder er versucht sich als Mediator zwischen Kultus- und Finanzminister oder er wechselt mindestens einen davon aus. Anderenfalls hat Sachsen zu dem Lehrerproblem auch noch ein verschärftes Schulhausproblem. Ein sächsisches Gesetz zur Verteilung der Investitionsmittel zum Schulhausbau sollte zügig vorgelegt werden.“

Es sieht schon jetzt so aus, dass Kretschmer gar nicht anders kann, als den von Austeritätsdenken begeisterten Finanzminister endlich zu verabschieden und jemanden auf den Posten zu berufen, dem die dringenden Finanzierungsbedürfnisse des Freistaats nicht egal sind. Frank Haubitz als frisch berufener Kultusminister hat zwar mit seinem Vorpreschen die halbe CDU-Fraktion verärgert – aber das war nach acht Jahren „Still ruht der See“ in diesem Ministerium geradezu erfrischend, auch wenn der Weg zur Stabilisierung des sächsischen Bildungssystems noch ausdiskutiert werden muss.

Die Grünen attestierten dem CDU-Parteitag am Wochenende in Löbau zwar Chaos und Konzeptlosigkeit. Aber tatsächlich spiegelte der Parteitag nur, wie zerrissen die sächsische Regierungspartei nach acht Jahren Stillstand ist. Schon in dieser Zeit haben die führenden Köpfe der Partei vor allem auf Ordnungs- und Sicherheitspolitik gesetzt. Mit dem beschlossenen Leitantrag hat man diesen Kurs nur fortgesetzt.

Aber wenn Michael Kretschmer mit diesem Programm als Ministerpräsident regieren will, muss er zwangsläufig scheitern. Man kann die selbst organisierten Probleme in Sachsen nicht mit mehr Überwachung und Polizeibefugnissen in den Griff kriegen.

„Statt selbst verschuldeten Polizeinotstand, Lehrermangel und gesellschaftliche Spaltung anzusprechen und entgegenzuwirken, verkauft die CDU altes als neu. Der dargestellte Politikstil stärkt nur eine Position – und das ist die der AfD“, kritisiert Christin Melcher, die Landessprecherin der Grünen.

Tatsächlich täte Kretschmer gut daran, endlich wieder eine Politik mit Kommunen und Gemeinden zusammen zu machen, die auch den Investitionsstau löst und wieder eine verlässliche Zukunftsplanung ermöglicht. Denn dieses „Es geht nichts mehr“-Gefühl ist einer der Hauptgründe dafür, dass viele Sachsen rebellieren und aus lauter Trotz AfD wählen. Dass das gerade die Bürgermeister und Landräte aufs Höchste beunruhigt, ist nur zu verständlich.

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