Sachsen ist das Schlusslicht bei den Tarifbindungen in Deutschland. Nur 42 Prozent der Beschäftigten arbeiteten 2022 in Betrieben mit Tarifbindungen. Der Medianlohn liegt rund 740 Euro monatlich unter dem Lohn in Westdeutschland. Das kostet sowohl Sozialversicherungseinnahmen als auch Steuern und schwächt die Kaufkraft, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Bezirk Sachsen. Die klare Forderung: Die Tarifbindung in Sachsen muss gestärkt werden.

„Die geringe Tarifbindung in Sachsen richtet einen Milliardenschaden bei den Sozialversicherungen, bei der Einkommenssteuer und bei der Kaufkraft der Beschäftigten an. Tarifflucht kommt uns alle teuer zu stehen. Die Sächsische Staatsregierung muss endlich tätig werden und für die Stärkung der Tarifbindung in die Offensive gehen“, sagte der Vorsitzende des DGB Markus Schlimbach.

Wie sehr fehlende Tarifverträge auch den Beschäftigten schaden, lässt sich an der aktuellen Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte sehen. Sie fallen immer wieder durch die Raster von Gewerkschaften. Die Studie „Jung, akademisch, prekär“ fand heraus, dass Kettenbefristungen, zu wenig Urlaub und Bezahlung nach Mindestlohn keine Einzelfälle im Bereich der studentischen Hilfskräfte sind.

Auf Anfrage der Leipziger Zeitung (LZ) zum Thema teilte das Innenministerium von Sachsen mit, man befinde sich in Abstimmungsgesprächen und könne kein konkretes Datum nennen.

Standards beim Vergabegesetz können Tarifbindung erhöhen

Nach den Berechnungen des DGB anhand der Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamts im Jahr 2022 wirke sich der Schaden bei den Sozialversicherungen auf rund 3,3 Milliarden Euro aus, sowie 1,9 Milliarden bei der Einkommenssteuer. Die mangelnde Tarifbindung schmälere zudem die Kaufkraft der Beschäftigten um rund 4,6 Milliarden Euro jährlich.

„Es ist ein Skandal, dass die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Stärkung der Tarifbindung in Sachsen noch immer nicht genutzt werden. Die CDU muss ihre Blockadehaltung bei der Einführung von Tariftreue im Vergabegesetz nun endlich beenden“, forderte Schlimbach.

Bereits Ende Oktober hatte der DGB die Sächsische Staatsregierung aufgefordert, eine Entscheidung bezüglich des Vergabegesetzes zu treffen. Im Koalitionsvertrag von 2019 hatten die sächsischen Regierungsparteien sich vorgenommen, das Gesetz zu reformieren. Es gilt als veraltet, da verbindliche soziale und ökologische Standards nur eine geringe Rolle spielen.

In der Regel entscheidet der Preis darüber, wer einen Auftrag erhält. Verlierer sind in der Regel die Beschäftigten, die unter dem Lohn-Dumping leiden.

Kritik am Gesetzesvorhaben

Nach Plänen der SPD sollte das Gesetz verbindliche, an Tarifverträgen orientierte Lohnuntergrenzen in allen Branchen vorschreiben. Die CDU lehnte dies nach Berichten des MDR jedoch ab. Der CDU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Dresdner Mittelstands- und Wirtschaftsunion Ingo Flemming sagte gegenüber dem MDR, dass eine gesamte Branche für einige schwarze Schafe in Sippenhaft genommen werden könne.

Auch die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft, der Bauindustrieverband Ost, sowie Industrie- und Handelskammern hatten den Entwurf abgelehnt.

„Diese ewigen Abstimmungsrunden mit den Arbeitgeberverbänden werden zu keinem Ergebnis führen. Wer den Sumpf der Billiganbieter austrocknen will, sollte nicht auf die Frösche hören“, kommentierte dies Schlimbach Ende Oktober.

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