In der sächsischen Bildungspolitik scheint sich einfach nichts zu ändern, egal, welcher CDU-Politiker gerade den Sessel des Kultusministers ausfüllt. Jahrelang hat man mit falschen Personalzahlen herumgedoktert, hat ganze Generationen junger Lehranwärter vergrault. Und wenn dann die Gewerkschaft GEW selbst belastbares Zahlenmaterial vorlegt, dann ignoriert man es einfach und verkündet via dpa, man wolle jetzt selbst eine Studie zum Zeitbudget der Lehrer starten.

So zumindest hat sich der derzeitige sächsische Kultusminister Christian Piwarz gegenüber dpa geäußert und die LVZ hat die Meldung dann übernommen. Er wolle mithilfe einer Studie ermitteln, „welche Spielräume vorhanden sind, um kurzfristig mehr Lehrer für den Unterricht zu bekommen”.

Da wetterleuchtet noch die Kultusministerkonferenz vom Januar 2023, die mit dem Fazit endete, „Lehrkräfte sollen mehr arbeiten“. Jedenfalls lautete so die Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz, einem Gremium, das von sich behauptet, ein „unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium“ zu sein. Die Empfehlungen des Gremiums ähnelten verblüffend all den bejubelten Rezepten, mit denen schon Sachsens Kultusminister/-innen versuchten, aus dem schlank gesparten System noch ein paar Reserven herauszuprügeln.

Doch falsche Weichenstellungen in zurückliegenden Jahren sorgen für einen zunehmenden Lehrermangel, der mit solchen Rezepten aus der Küche der Schwäbischen Hausfrau nicht mehr behoben werden kann.

Das falsche Denken über Bildung

„Es gibt bereits eine aktuelle Arbeitszeitstudie von Lehrkräften in Sachsen, die man ernst nehmen muss. Lehrerinnen und Lehrer arbeiten im Jahresmittel rund 50 Stunden pro Schulwoche. Flächendeckende Mehrarbeit und eine gesundheitsgefährdende Belastung sind der Normalzustand“, stellt Burkhard Naumann, Landesvorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW in Sachsen, fest. „Damit ist es bereits erwiesen, dass Lehrkräfte überlastet sind. Bisher hat das Kultusministerium jedoch kaum Schritte zur Entlastung eingeleitet. Hinzu kommt, dass die Anzahl von Schülerinnen und Schülern weiter steigt.“

Etwas anderes wird auch eine von Piwarz beauftragte Studie nicht ergeben.

Das Herumoperieren an der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer könnte im Gegenteil sogar dazu führen, dass noch mehr Lehrkräfte aus gesundheitlichen Gründen ausfallen oder den so schlecht gewürdigten Job an den Nagel hängen. Denn hinter der Rhetorik der Kultusminister steckt nun einmal auch ein zutiefst neoliberales Denken, das Lehrerinnen und Lehrer wie Fließbandarbeiter behandelt, die pro Zeiteinheit vorgefertigte Bausteine an Bildung zu produzieren haben. Dass sie eigentlich die Persönlichkeit der jungen Menschen bilden und stärken sollen, kommt in der ökonomischen Betrachtung von „Bildung“ nicht mehr vor.

„Die Folge der Überlastung ist, dass viele ältere Lehrkräfte eher aus dem Beruf rausgehen. Gerade einmal zehn Prozent erreichen die Regelaltersgrenze. Lehrkräfte müssten gezielt gehalten und deutlich entlastet werden, damit sie sich auf ihre Kernarbeit konzentrieren können, ohne auszubrennen“, mahnt Burkhard Naumann. „Statt nun geeignete Maßnahmen anzugehen, werden mit der geplanten Studie des Kultusministeriums Lösungen für die aktuellen Probleme in die Zukunft verschoben. Wir brauchen jetzt deutliche Schritte gegen die Überlastung. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Erfassung der Arbeitszeit, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unmittelbar für alle Arbeitgeber verpflichtend ist. Mit der  Arbeitszeiterfassung wäre die individuelle zeitliche Belastung von Lehrkräften sofort regulierbar. Das Kultusministerium hat Gespräche mit uns, wie die Erfassung umgesetzt werden soll, jedoch bisher abgelehnt. Wir fordern das Kultusministerium erneut auf, mit uns Gespräche zu führen, die klare Maßnahmen zur Entlastung zum Ziel haben. Damit könnte der Freistaat mehr Lehrerinnen und Lehrer halten und neue für den Beruf gewinnen.”

Die Arbeitszeit-Studie der GEW

Die Studie „Arbeitszeit und Arbeitsbelastung sächsischer Lehrkräfte 2022” wurde von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen unter Leitung von Dr. Frank Mußmann durchgeführt und von der GEW Sachsen gefördert. Untersucht wurden öffentliche Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien in Sachsen. Knapp 1.500 Lehrkräfte nahmen freiwillig an der Studie teil.

Einige Ergebnisse sind: Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen arbeiten im Jahresmittel rund 50 Stunden pro Schulwoche. Der Unterricht selbst ist dabei nur ein Drittel der Arbeitszeit, weil in den letzten Jahren viele Verwaltungsaufgaben dazu gekommen sind. Deshalb sagten drei Viertel der Befragten, dass sie zu wenig Zeit für Vor- und Nachbereitung von Unterricht haben. 70 Prozent müssen diese für andere schulische Aufgaben auf das Nötigste reduzieren, wodurch die Qualität des Unterrichts leidet. Das Burnout-Risiko ist deshalb überdurchschnittlich hoch, das Privatleben wird stark eingeschränkt und viele Lehrkräfte denken deshalb über einen früheren Ruhestand nach. Hinzu kommen weiterhin steigende Zahlen von Schülerinnen und Schülern.

Die Studie findet man auf der Homepage der GEW Sachsen.

Einige Ergebnisse hat News4Teachers auf dieser Website zusammengefasst.

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