Es ist längst schon Vorwahlkampf für die Landtagswahl im September in Sachsen. Da greifen auch die kleinen Koalitionspartner in der sächsischen Regierung zu schärferen Tönen. Erst recht, nachdem der große Koalitionspartner CDU binnen kurzer Zeit zwei wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zum Scheitern gebracht hat – das Agrarstrukturgesetz und die Verfassungsreform. Die SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping knöpft sich nun die vermurkste sächsische Schulpolitik vor.

Denn für die Bildungspolitik in Sachsen waren seit 1990 durchgängig Ministerinnen und Minister der CDU zuständig. Doch statt langfristig die vormals guten Bildungsbedingungen im Freistaat zu bewahren, sind sie in den vergangenen 20 Jahren ohne Widerspruch den kurzfristigen und falschen Sparvorgaben der CDU-Finanzminister gefolgt. Mit dem Ergebnis, dass genau in der Phase, in der die sich Sachsen den nötigen Lehrernachwuchs sichern musste, bei Studienplätzen und Einstellungen gespart wurde.

Im Grunde typisch für die Finanzpolitik der CDU, die einen Planungshorizont über die kurze Legislaturperiode hinaus einfach nicht zustande bringt.

Millionen ausgefallene Unterrichtsstunden

Ergebnis im Jahr 2024: Über eine Million ausgefallene Unterrichtsstunden. Ein wesentlicher Grund, wie das Kultusministerium im Herbst 2023 feststellte: „Laut Kultusministerium blieben im vergangenen Schuljahr 1.220 Vollzeitstellen unbesetzt. Die Folge: Mehr als 450.000 Unterrichtsstunden fielen ‚planmäßig‘ aus, das heißt, sie waren wegen Personalmangel oder fehlender Räumlichkeiten von vornherein nicht abgedeckt.“

„Erstaunlich ist dabei, dass für die CDU immer andere Schuld sind“, stellt Petra Köpping, Spitzenkandidatin der SPD Sachsen zur Landtagswahl 2024, fest. „Erst waren es die geflüchteten Kinder, jetzt sind es streikende Lehrer. Und als Nächstes hören wir bestimmt wieder, dass zu viele Kolleginnen Teilzeit arbeiten, weil sie junge Mütter sind.“

Aber dann wird sie deutlicher.

„Dabei ist doch die Wahrheit: Der Lehrermangel von heute hat seine Ursache in der Kürzungspolitik der Vergangenheit. Und die hat nun mal die CDU zu verantworten. Heute fehlen die Lehrkräfte, die vor zwanzig Jahren nicht studieren konnten. Heute fehlen die Lehrkräfte, die vor fünfzehn Jahren nicht eingestellt wurden. Auch deswegen ist es ja so wichtig, dass jetzt nicht wieder dieselben Fehler gemacht werden. Eine falsche Kürzungspolitik ist eine schwere Hypothek für die nachfolgende Generation. Das sehen wir hier überdeutlich.“

Sparen auf Teufel komm raus

Die Hauptverantwortung fällt also in die Amtszeiten von Steffen Flath (2004 bis 2008) und Roland Wöller (2008 bis 2012) als Kultusminister. Wöller trat ja am Ende sogar zurück, weil er gegen die radikale Sparpolitik von Finanzminister Georg Unland (2008 bis 2017) einfach nicht ankam. Junge Bewerber für eine Lehrerstelle in Sachsen wurden Jahr um Jahr abgelehnt. Die aufklaffenden Lücken bei der Stellenbesetzung in der Gegenwart waren absehbar.

„Natürlich kann man jetzt keine Lehrkräfte backen“, sagt Köpping. „Aber man kann sie noch besser unterstützen! Wir müssen neue Leute an die Schulen holen: mehr Assistenz, mehr Schulsozialarbeit, mehr Honorarkräfte. Wir müssen die Leute halten, die schon da sind. Deshalb müssen diese Verträge entfristet werden.

Und wir müssen alles versuchen, um Leute zurückzuholen, die schon gegangen sind. Immer wieder treffe ich Lehrerinnen, die in Rente gegangen sind, aber stundenweise zur Verfügung stehen würden. Es hat sie nur niemand darauf angesprochen. Da braucht es ganz unbürokratische Wege.“

Da ist es kein Wunder, dass die vorhandenen Lehrkräfte länger und häufiger ausfallen, weil sie überlastet sind. Die Gewerkschaft GEW macht seit Jahren mit den Lehrerinnen und Lehrern abgestimmte Vorschläge, wie Sachsen das Dilemma lösen könnte. Doch das Kultusministerium zeigt sich auch mitten in der Misere noch als beratungsresistent.

„Der Kultusminister sollte die ausgestreckte Hand der Lehrergewerkschaften ergreifen. Wir brauchen einen Schulgipfel“, erklärt Petra Köpping.

„Mit neuen Ideen und mit langfristigen Zusagen. Wir wissen, wie viele Schüler es gibt und wie viele Lehrer wir brauchen. Alle Zahlen für die nächsten zehn Jahre liegen auf dem Tisch. Also sollte es auch einen Aktionsplan geben, der für die nächsten zehn Jahre gilt: Mit einem massiven Ausbau der Assistenzstellen, mit gesicherten Einstellungszahlen, schnellerer Lehramtsausbildung, mit verlässlichen Schulhausbaumitteln. Und nicht zuletzt mit entschlackten Lehrplänen und modernerem Unterricht.“

Denn auch das ist längst zum Problem im „PISA-Sieger“-Land Sachsen geworden: Ein mit immer mehr Pflichtbausteinen überlasteter Lehrplan, der den Lehrerinnen und Lehrern kaum Freiräume einräumt, flexibel auf die Probleme ihrer Schüler einzugehen und tatsächlich das zu fördern, wovon die Bildungsreformer ständig reden: Kompetenzen. Und zwar zuallererst die Kompetenz, sich Wissen selbstständig zu erarbeiten.

Die SPD hat ihre Vorschläge für die Bildungspolitik auch einmal gebündelt zum Nachlesen. Man findet sie hier.

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