Viele Leute habe hohe Erwartungen an die Wirkung von Schulsozialarbeit. Die einen hoffen, dass sie Kosten für Sozialarbeit an anderer Stelle einsparen hilft. Die anderen hoffen auf eine geringere Schulabbrecherquote. Aber darum geht es nicht bei Schulsozialarbeit. Schon lange nicht mehr, wie ein gemeinsamer Antrag von Grünen, Linke und SPD deutlich machte, der am 17. Mai im Stadtrat behandelt wurde.

Und die Sprecherin und die Sprecher der drei Fraktionen erläuterten das Ganze recht eindringlich. Immerhin sind mit Ute Köhler-Siegel (SPD) und Marco Götze (Linke) auch zwei Lehrer dabei, die im aktiven Schuldienst stehen und die Probleme der Kinder im Schulalltag nur zu gut kennen.

Der gemeinsame Antrag formulierte es so: „Schulsozialarbeit ist eine gemeinsame Aufgabe von Jugendhilfe und Schule. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz bildet die Grundlage dafür.

Schulsozialarbeit ist Anlaufstelle für alle Schülerinnen und Schüler einer Schule und wird an allen Schularten benötigt. Die Problemlagen unterscheiden sich je nach Schulform, weniger sind sie deshalb nicht.

Der Ursprungsantrag von Linken, Grünen und SPD zur Schulsozialarbeit.

Die Hauptaufgabe von Schulsozialarbeit ist es, die individuellen, sozialen und schulischen Entwicklungen der Kinder und Jugendlichen zu fördern und Bildungsbenachteiligungen auszugleichen, egal in welchem sozialen Umfeld sie aufwachsen.

Alle Kinder und Jugendlichen in Leipzig sollen das Recht auf Schulsozialarbeit haben. Die Stadt Leipzig sollte daher den Weg einschlagen, alle Schulen — unabhängig von der Schulform — mit Schulsozialarbeit auszustatten. Dabei muss stets die Forderung ans Land gerichtet bleiben, es möge seiner Verantwortung nachkommen und die Kosten refinanzieren.“

Die Landesregierung knausert und kneift

Längst hat das Thema die Landesebene erreicht und es gibt inzwischen auch eine Fachförderrichtlinie des Freistaats, die wenigstens ein paar Sozialarbeiterstellen in den Schulen mit Landesgeldern finanziert. Aber eben nicht in allen Schulen, obwohl selbst der Bundesrat 2021 beschloss, Schulsozialarbeit generell im Gesetz zu verankern. Wissend, dass alle Schulformen unter erhörtem Druck stehen – nicht nur die sächsischen Oberschulen, sondern auch Grundschulen und Gymnasien.

Auf der einen Seite macht sich der Lehrermangel überall bemerkbar. Das heißt: Die Lehrerinnen und Lehrer haben gar keine Freiräume, sich auch noch um die wichtigen sozialen Probleme der Kinder und Jugendlichen zu kümmern.

Das braucht unabhängiges und qualifiziertes Personal, das sich auch Zeit nehmen kann für die Sorgen der Kinder und Jugendlichen. Personal, das aktuell sowieso schwer zu finden ist, wie Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus betont.

Dazu kommen aber auch noch übervolle Klassen, in den letzten Jahren auch noch Krisen wie die Corona-Pandemie. Mittlerweile klagen bundesweit 46 Prozent der Schülerinnen und Schüler über massive mentale Probleme, wie Marco Götze anmerkte. Wie auch anders? Die Krisen in der Gesellschaft schlagen direkt auch auf die Jugendlichen durch.

Prävention ist unersetzlich

Weshalb Leipzig schon früh angefangen hat, Schulsozialarbeiterstellen an den Schulen zu schaffen. So weit das finanziell möglich war. Da hat FDP-Stadtrat Sven Morlok durchaus recht: Die Sache kostet Geld und kann einen Haushalt schnell überfordern, wenn sich der Freistaat weiterhin stur stellt und eben nicht Schulsozialarbeit an allen Schulen flächendeckend finanziert.

Obwohl sie an allen Schulen notwendig ist – auch zur Entlastung des Lehrpersonals, das ohnehin schon mit zusätzlichen bürokratischen Aufgaben überhäuft ist. Denn eine Seite des Lehrermangels ist nun einmal auch, dass die vorhandenen Lehrer in einem Großteil ihrer Zeit mit Dingen beschäftigt sind, die eigentlich auch von Sacharbeiter/-innen erledigt werden könnten. Wenn es sie denn gäbe.

Aber der Änderungsantrag der Freibeuter-Fraktion, für den Sven Morlok geworben hatte, stieß bei den Fraktionen von Linken, Grünen und SPD auf Zustimmung. Auch ihnen ist klar, dass die finanziellen Spielräume der Stadt begrenzt sind. Und dass es eben gut ist, die Stadt erst einmal ein belastbares Konzept vorlegen zu lassen.

Der Änderungsantrag lautete: „Die Stadt Leipzig stattet, unter Berücksichtigung des Steuerungskonzepts für den Leistungsbereich Schulsozialarbeit, bis zum Schuljahr 2028/29 schrittweise flächendeckend alle Schulen mit Schulsozialarbeit aus. Hierfür legt sie dem Stadtrat bis zum IV. Quartal 2023 ein Umsetzungskonzept im Rahmen einer Beschlussvorlage vor.“

Das Schuljahr 2028/2029 als Ziel

Das Ziel, alle Schulen bis 2028/2029 mit Schulsozialarbeiter/-innen auszustatten, bleibt trotzdem ambitioniert. Und Leipzig tut gut daran, in Dresden um weitere Unterstützung zu werben.

Für 2023/2024 ist sowieso schon alles entschieden und ein paar weitere Schulsozialarbeiterstellen sind im Haushalt verankert. Ob ab 2025 finanzielle Spielräume für weitere Stellen bestehen, weiß noch niemand.

Die Größenordnung nannte Ute Köhler-Siegel: An 25 Grundschulen und 14 Gymnasien fehlen noch solche Schulsozialarbeiterstellen. Dazu kommen noch 30 Schulen in freier Trägerschaft und zehn neue Schulen, die demnächst ans Netz gehen.

Andererseits wolle man mit dem Antrag der Stadt auch nicht vorschreiben, wie sie diese Stellen besetzt, ob erst einmal alle Schulen eine Stelle für Schulsozialarbeit bekommen oder besondere Schwerpunktschulen vernünftigerweise zwei Stellen.

Ein Signal nach Dresden

Aber William Rambow (Linke) betonte berechtigterweise, dass es eben auch wichtig sei, dass Leipzig ein starkes Signal an die Landesregierung sendet, dass es an jeder Schule unbedingt eine Stelle für Schulsozialarbeit braucht.

So wie es auch im ersten Antragspunkt formuliert war: „Die Stadt Leipzig verfolgt mittelfristig das Ziel einer flächendeckenden Ausstattung aller Schulen mit Schulsozialarbeit, unabhängig von der Schulform.“

Und noch deutlicher im zweiten Antragspunkt: „Die Stadt Leipzig fordert das Land eindringlich auf, die flächendeckende Schulsozialarbeit gesetzlich zu verankern und eine entsprechende dauerhafte Förderung für die Schulträger auf den Weg zu bringen. Dabei soll die Förderrichtlinie möglichst auch dahingehend weiterentwickelt werden, dass auch Schulen in Freier Trägerschaft berücksichtigt werden können. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich entsprechend bei der Staatsregierung dafür einzusetzen.“

Denn Schule ist zwar zum Lernen da und zum Erreichen eines möglich guten Abschlusses, wie CDU-Stadtrat Karsten Albrecht mahnte. Aber genau das ist auch gefährdet, wenn die jungen Menschen mit all ihren Problemen, die sie nun einmal heutzutage haben, keinen unabhängigen Gesprächspartner haben, der ihnen hilft, sie zu bewältigen.

Jahrzehntelang wurde den Schulen nur immer eine Aufgabe nach der anderen aufgeladen, die Lehrpläne sind überfrachtet, die Dichte der Leistungsabfragen ist hoch. Aber man kann nicht immer so tun, als würden all die sozialen Probleme, die unsere Gesellschaft produziert, einfach draußen vorm Schultor bleiben und drinnen wäre die Welt heile. Das ist sie – wie ja auch diverse Stadtratsdiskussionen zeigen – eben nicht.

Und genau so sahen das am 17. Mai die meisten Mitglieder der Ratsversammlung. Der gemeinsame Antrag von Linken, Grünen und SPD samt Änderungsantrag der Freibeuter fand eine klare Mehrheit von 41:18 Stimmen.

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