Der Bundeselternrat hat sich für „Kleidungsregeln an Schulen“ ausgesprochen, so behauptet zumindest die Vorsitzende Christiane Gotte gegenüber der Funke-Mediengruppe. Zu dem Vorstoß gibt es keine Veröffentlichung auf der Website des Bundeselternrates. Laut der Website ist der Bundeselternrat „die Dachorganisation der Landeselternvertretungen in Deutschland. Über seine Mitglieder vertritt er die Eltern von rund 8 Millionen Kindern und Jugendlichen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen.“

Man sollte also annehmen, dass ein Statement der Vorsitzenden mit den Mitgliedern – sprich den 24 Landeselternräten, Landeselternvertretungen, Landeselternbeiräten und wie sie sonst noch heißen – abgestimmt ist.

Denn das Leitbild des Bundeselternrats besagt ja: „Der Bundeselternrat ist die Arbeitsgemeinschaft der Landeselternvertretungen der Bundesländer“. Da dürfte es keinen Vorstand geben, der eben mal seine private Meinung als die des ganzen Rates kommuniziert.

Was sagen die Landeselternräte?

Der Landeselternrat Mecklenburg-Vorpommern hält nichts davon, lottrige, zerrissene oder freizügige Kleidung zu verbieten.

Der Landeselternbeirat Rheinland-Pfalz will sich in den nächsten Tagen mit dem Thema Kleidung an Schulen befassen. Dieser scheint also nicht gefragt worden zu sein.

Der Landeselternausschuss Berlin meint, dass die „Kleiderordnung“ kein übergeordnetes oder gar dringliches Thema ist. Belassen wir es bei diesen Beispielen, es scheint: Der Vorstand des Bundeselternrates ist hier vorgeprescht. Oder wurde Frau Gotte etwa falsch zitiert?

Was ist der Anlass für den Vorstoß?

Laut Tagesschau ist der Anlass die Debatte über Einheitskleidung in Frankreich. Das kann der Bundeselternrat so sehen, richtig wird es dadurch nicht. Der Grund für die Diskussion in Frankreich ist das Verbot der Abaya für Schülerinnen und Lehrerinnen.

Dort ist die Diskussion um Einheitskleidung der Versuch eine Schulkleidung durchzusetzen, ohne dies auf das religiöse bzw. traditionelle Kleidungsstück zu beschränken.

Zu viel Macht für Schule und Lehrpersonal

Der Bundeselternrat fordert diese Initiative gegen „lottrige, zerrissene und zu freizügige Kleidung“. Die Schulen (also jede einzelne Schule) sollen dazu einen Konsens schließen. Ein derartiger Konsens sollte dann auch in die Hausordnung aufgenommen werden.

Frau Gotte meint: „So hätte ein Verstoß auch Konsequenzen. Dann kann man Schülerinnen oder Schüler nach Hause schicken und verlangen, dass sie sich ordentlich anziehen.“

Hier sei ein Widerspruch erlaubt. Jede Schule soll also für sich die Begriffe „lottrig“, „zerrissen“ und „freizügig“ definieren. In den 1950er und 1960er in der DDR geborene Menschen erinnern sich, dass das Tragen einer „Nietenhose“ oder ein „gammliger“ Haarschnitt zum Ausschluss vom Unterricht, wenn nicht sogar drastischeren Maßnahmen, führen konnte. Damals steckte der Staat dahinter, heute soll ein Lehrerkollegium festlegen, was verboten ist.

Ist jede Jogginghose lottrig?

Ist die Jeans, mit einem vom Designer entworfenen Loch, zerrissen?

Was ist eigentlich „zu freizügig“?

Oder ist an einem Gymnasium in besserer Wohnlage schon die abgetragene Bekleidung von Schülern oder Schülerinnen aus armen Familien dann einfach „lottrig“?

Lassen wir das so im Raum stehen.

Was ist mit der Schulpflicht?

Können Schulleitung, Lehrerinnen oder Lehrer eigentlich Schülerinnen oder Schüler einfach nach Hause schicken?

Das Sächsische Schulgesetz kennt, in § 39 Abs. 2 (4), die Ordnungsmaßnahme „Ausschluss vom Unterricht und anderen schulischen Veranstaltungen bis zu vier Wochen“, das dürfte hier nicht zutreffen. Diese Maßnahme ist ja nach dem Gesetz nur „bei schwerem oder wiederholtem Fehlverhalten zulässig.“

Erschwerend kommt dazu (Eltern kennen das), dass ein Kind selbst bei Unterrichtsausfall nicht einfach nach Hause geschickt werden darf, wenn nicht die Erziehungsberechtigten dies im Vorab schriftlich gestattet haben.

Geradezu absurd wird es z. B. bei Gymnasien, zu denen die Schülerinnen und Schüler mitunter eine Stunde Schulweg haben. „Geh nach Hause und ziehe dich um!“, ist dann quasi die Freistellung für den Schultag.

Fazit: Der Vorstoß der Vorsitzenden des Bundeselternrates ist, nicht nur in rechtlicher Hinsicht, problematisch. Wenn die Kleidung an den Schulen das größte Problem unseres Bildungssystems wäre, könnte man ernsthaft darüber diskutieren. Bis dahin sind aber Lehrermangel, Unterrichtsausfall, marode Sanitäranlagen und weitere echte Probleme zu lösen.

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