Das jahrelange Zögern, Zaudern und Vertagen einstiger sächsischer Kultusminister rächt sich jetzt. Natürlich nicht an den Kultusministern. Sondern an den Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen. Sie müssen ausbaden, dass der Freistaat viel zu spät in die Erweiterung der Lehrerausbildung eingestiegen ist und auch dann noch wählerisch hunderte Bewerbungen jedes Jahr abgelehnt hat. Eine Folge sind auch deutlich erhöhte Krankenstände im sächsischen Lehrpersonal.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Susanne Schaper, hat sich gemeinsam mit der bildungspolitischen Sprecherin Luise Neuhaus-Wartenberg nach dem Krankenstand bei Sachsen Lehrkräften erkundigt (Drucksache 7/12866).

Und das Ergebnis ist eindeutig, stellen die beiden Landtagsabgeordneten fest: „Der Krankenstand der Lehrkräfte ist im Vergleich zu den Vorjahren zuletzt deutlich gewachsen – fielen 2020 statistisch gesehen pro Lehrkraft 15,2 Fehltage an, betrug dieser Anteil 2022 sogar 22,6 Fehltage. Die Ausfallzeit pro Person betrug 2022 nicht mehr um die sechs Prozent wie in Vorjahren, sondern neun Prozent.

Die Staatsregierung muss diese Entwicklung sehr ernst nehmen: Je mehr Lehrkräfte krank sind, desto mehr Schulstunden fallen aus – und desto mehr leidet am Ende die Bildungsgerechtigkeit.“

In den Jahren 2017 und 2018 lag die Ausfallzeit der Lehrkräfte pro Person auch durchschnittlich bei 6,5 Prozent. Auch das schon unter dem Druck eines Lehrkräftemangels, der auch mit Seiteneinsteigern nicht gänzlich behoben werden konnte.

Doch mittlerweile lassen sich die Lücken auch mit Seiteneinsteigern nicht mehr auffüllen. Umso seltsamer wirkten die im Januar vorgelegten Vorschläge der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK), die der Öffentlichkeit geradezu suggerierten, die Lehrer/-innen in Deutschland würden zu wenig arbeiten und zu viel Freizeit nehmen.

Und das in einem Moment, in dem alle Bundesländer eifrig bemüht waren, einander die Lehrkräfte mit besseren Konditionen oder gar Beamtenstatus abzuwerben. Auch da mischte Sachsen mit. Nur ohne den erwünschten Effekt.

Die Strukturen müssen verändert werden

„Wir teilen die Einschätzung der GEW zu unserer Anfrage, dass es mit Angeboten zur Betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention nicht getan ist“, stellen Schaper und Neuhaus-Wartenberg fest. „Wir fordern strukturelle Verbesserungen! Kontinuierliche Mehrarbeit macht krank – und Sachsens Lehrkräfte leisten seit langem mehr als sie müssten.

Bestrebungen, Teilzeit einzuschränken, Abminderungsstunden zu kürzen oder sogar die Unterrichtsverpflichtung zu erhöhen, sind falsch und schrecken Menschen davon ab, als Lehrkraft zu arbeiten. Das Gegenteil ist richtig: Die Staatsregierung muss die Lehrkräfte entlasten.

Das heißt vor allem: Lehrpläne entschlacken und mehr nicht-pädagogisches Personal einstellen, das administrative, technische und Kommunikationsaufgaben übernimmt. Multiprofessionelle Teams lindern auch den Lehrkräftemangel! Dazu gehört auch flächendeckende Schulsozialarbeit.“

GEW spricht von einem Alarmsignal

Für die Bildungsgewerkschaft GEW Sachsen ist der hohe Anstieg des Krankenstandes ein drastisches Alarmsignal, das dringend ernst genommen und Konsequenzen haben muss.

„Der erschreckende Anstieg des Krankenstandes um 50 Prozent innerhalb von nur zwei Kalenderjahren korrespondiert mit den gestiegenen Belastungen an den Schulen in Folge des Lehrkräftemangels und mit dem Hinkommen immer neuer Anforderungen an die Lehrkräfte“, sagt Uschi Kruse, Landesvorsitzende der GEW Sachsen.

„Dies berichten uns unsere Kolleginnen und Kollegen täglich und wurde in einer von der GEW geförderten Studie der Universität Göttingen zu Arbeitszeit und Arbeitsbelastung sächsischer Lehrkräfte wissenschaftlich bestätigt. Viele Lehrerinnen und Lehrer arbeiten nicht nur permanent an ihrer Belastungsgrenze, sondern auch deutlich über das gesetzlich zulässige Höchstmaß von 48 Stunden pro Woche.

Bestrebungen, die Teilzeit einzuschränken, Abminderungsstunden zu kürzen oder sogar die Unterrichtsverpflichtung zu erhöhen, laufen völlig in die falsche Richtung. Sie werden den Krankenstand und damit den Unterrichtsausfall für die Schülerinnen und Schüler weiter ansteigen lassen. Stattdessen müssen Entlastungsmöglichkeiten für Lehrkräfte stärker in den Blick genommen werden.

Das ist nur mit strukturellen Änderungen, verlässlichen Unterstützungssystemen und der Bereitschaft, sich endlich einer ehrlichen Aufgabenkritik zu stellen, möglich.“

Die GEW Sachsen hat das Kultusministerium aufgefordert, Sofortmaßnahmen für die Entlastung von Lehrkräften zu entwickeln, zu denen etwa das Streichen von Aufgaben, die aktuell keine Priorität haben, das Abgeben von Verwaltungsaufgaben, die Überarbeitung der Lehrpläne und ggf. die Kürzung der Stundentafel gehören.

Ebenso wie stärkere personelle und sächliche Ausstattung von Schulen in schwierigem sozialen Umfeld und die erleichterte Anerkennung von Lehrkräften mit ausländischen Abschlüssen.

„Es ist gut, dass es Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung und zur Krankheitsprävention gibt“, sagt Kruse. „Ohne grundsätzliche Änderungen bleiben sie aber lediglich Symptom-Pfuscherei und werden nicht dazu beitragen können, den Krankenstand so zu senken, dass gute Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden können.“

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