Dass es im sächsischen Bildungssystem derzeit gewaltig klemmt, hat nicht unbedingt damit zu tun, dass sich zu wenige junge Menschen in Sachen um eine Anstellung als Lehrer bemühen. Obwohl es vom Anliegen her einer der schönsten und wichtigsten Berufe ist. Aber er ist in ein Korsett gepresst, in dem Lehrerpersönlichkeiten keinen Platz haben und Schüler sich wie Werkstücke auf einem Fließband fühlen. Der Landeselternrat fordert dringend eine echte Reform im Bildungswesen.

Am 6. September veröffentlichte der Landeselternrat Sachsen eine Presseerklärung zum Schulstart 2022. Darin betonte er, dass er den Aufruf der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für den 21. September unterstützt. Für den Tag hat die GEW um 17 Uhr zur Kundgebung vor dem Sächsischen Landtag aufgerufen. Motto: „Raus aus dem Bildungsnotstand!“

Der Landeselternrat Sachsen verlangt aber mehr.

„Wir starten das neue Schuljahr mit geplantem Unterrichtsausfall, Corona scheint längst nicht vorbei und Kinder, die vor Krieg flüchten mussten, sollen in den Schulen gut aufgehoben sein – in unser aller Interesse“, sagt André Jaroslawski, stellvertretender Landesvorsitzender des LER.

„Bei allen Krisenerscheinungen, die nicht enden wollen – wir müssen handlungsfähig bleiben und auch handeln. Dabei müssen wir Probleme angehen, die wir schon längst hätten lösen können. Nicht handeln bedeutet Probleme weiter verschärfen, zum Schaden unserer Kinder und unseres Landes.“

Und dann hat der Landeselternrat seine Forderungen formuliert, die letztlich eine Abkehr von einem völlig antiquierten Bildungskonzept bedeuten, das den Kindern die Lust am Lernen nimmt und den Lehrern die Freiheit für einen kindergerechten Unterricht nimmt.

Die Forderungen des Landeselternrates

1. Das antiquierte Schulkonzept ersetzen und Schule grundsätzlich erneuern
Die Coronakrise hat vielfältige Mängel unseres Schulsystems aufgezeigt und dennoch müssen wir über mehr als nur die Entschlackung der Lehrpläne sprechen. Wenn Schüler an Schule leiden, wenn es Lehrern nicht anders ergeht, dann stimmt etwas Grundsätzliches nicht.

Es ist möglich, mit Lust zu lernen und wirklich gern in die Schule zu gehen. Die zaghaften Anfänge von fächerübergreifendem Unterricht sind längst nicht genug. Sachsen möge hierzu auf Bundesebene eine Initiative starten, die dafür sorgt, dass wissenschaftsbasiert ein modernes zukunftsfähiges Schulkonzept entwickelt und eingeführt wird. Föderales Klein-Klein hat seit Jahrzehnten Probleme verschärft, anstatt sie zu lösen.

2. Lehrpläne entschlacken
Sachsen möge sich in der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen, dass bundesweit und einheitlich Lehrpläne grundsätzlich entschlackt werden. Bis zum Beginn der Weihnachtsferien sollen hier erste konkrete und handhabbare Festlegungen erarbeitet werden. Es würde nicht nur den Druck beim dramatischen Lehrermangel mindern, wir würden auch Freiräume schaffen, um die eigentliche Qualität von Schule zu erhöhen, indem wir wirkliche Gestaltungsräume bereitstellen.

3. Aufholen nach Corona neu justieren
Das Aufholen von Lernrückständen wurde und wird an Sachsens Schulen ganz unterschiedlich betrieben. So wurden die finanziellen Mittel des Aufholprogramms an der einen Schule genutzt, an der anderen Schule gab es gar keine Unterstützung für die Schüler. Zahlen über die tatsächlichen Bedarfe wurden ebenso wenig erhoben, wie über die wirklich unterstützten Schüler bzw. die Fächer, wo diese gewährt wurde.

Wir brauchen ein einfaches Konzept, welches sicherstellt, dass alle Schüler, die Unterstützung brauchen, diese auch erhalten und dass vor allem die Experten hierfür – die Fachlehrer verwertbare Aussagen treffen und die Bedarfe formulieren.

4. Lehrerausbildung verbindlich stärken
Seit Jahrzehnten sprechen wir über zu wenig Lehrer und eine zu reformierende Lehrerausbildung, um mit unseren Schulen im 21. Jahrhundert anzukommen. Seit Jahrzehnten kommen deutschlandweit die politisch Verantwortlichen unterschiedlichster Parteien bei der Lösung des Problems nicht voran.

Wir brauchen auf Länder- und Bundesebene jetzt unbürokratische und dennoch nachhaltige Lösungsschritte, um an allen Schulen, egal welcher Schulart, endlich eine gute Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Für Sachsen bedeutet dies jetzt die Erweiterung der Lehrerausbildung an allen vorhandenen Ausbildungsstandorten und die Implementierung derselben an den Standorten Görlitz und Zittau verbindlich und konkret festzuschreiben.

5. Schulen müssen von außen unterstützt werden
Sicher ist es wichtig, den engagierten Lehrern für die Bewältigung der nicht enden wollenden krisenbedingten Herausforderungen der letzten 2 Jahre herzlich zu danken. Auf Dauer reicht das nicht! Bei der Gewinnung von Schulassistenzen und Schulverwaltungsassistenzen müssen die Schulen von außen unterstützt werden.

D. h., es muss sichergestellt werden, dass Hilfsangebote, die es erlauben, dass sich Lehrer auf das Unterrichten konzentrieren können, den Schulen auf Anfrage von außen zur Verfügung gestellt werden. Hierzu braucht es außerhalb von Schulen eine Stelle, die engagiert und unkompliziert diese Supportaufgaben übernimmt.

6. Soziale Absicherung von Familien – das Schulessen und die Nutzung des ÖPNV müssen für jeden erschwinglich sein
Die Ausbildung unserer Kinder muss nicht nur fachlich-technisch auf hohem Niveau sichergestellt und stets weiterentwickelt werden. Die derzeitigen Preisentwicklungen allein beim Schulessen lassen eine monatliche Mehrbelastung von 20 € pro Schulkind für Familien erwarten. Die Senkung der Mehrwertsteuer federt hier offenbar zu wenig ab und das Kindergeld wurde gerade um lediglich 18 € erhöht.

Die Einführung des Bildungstickets bringt ebenfalls eine finanzielle Mehrbelastung für eine große Anzahl der Familien mit sich und das bei keineswegs gestiegener Quanti- und Qualität der Schülerbeförderung vor allem im ländlichen Raum. Hier erwarten wir weitere Lösungsvorschläge.

***

„Der Landeselternrat Sachsen tritt dafür ein, dass die notwendigen Veränderungen in unserem Bildungssystem gemeinsam gemeistert werden“, betont André Jaroslawski.

„Ob als (Regierungs-) Parteien, Ministerien, Verwaltungen, Interessenverbände oder einzelne Bürger, dafür auch öffentlich zu demonstrieren tut unserer Demokratie gut. Es gab die ‚Finanz-Bazooka‘ zur Überwindung der Coronakrise, es gab 100 Milliarden für die Bundeswehr – wir brauchen schon lange einen Marshallplan für die Reform unseres Bildungswesens!“

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Eine unglaubliche Aneinanderreihung von hohlen Phrasen, leeren Worthülsen und nichtssagenden Formulierungen, dieses ach so modern dünkende Forderungspapier des Landeselternrates … “Holzauge sei wachsam!”

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