Am Rande einer Fraktionsklausur in Zwickau sagte CDU-Fraktionschef Christian Hartmann am Freitag, dem 15. März, dass seine Partei dem Regierungsentwurf für ein Agrarstrukturgesetz nicht zustimmen werde. Als Begründung nannte er die Stimmungslage in der Bauernschaft und die Stärkung der Umweltverbände durch den Gesetzesentwurf. Eine mehr als seltsame Ansage, die nicht nur bei den Koalitionspartnern der CDU auf massives Unverständnis stieß.

Grundsätzlich halte er eine Steuerung in dem Bereich aber für sinnvoll, so Hartmann. Die CDU sei bereit, über ein Agrarstrukturgesetz in einer modifizierten Fassung unter Einbindung der Verbände zu sprechen. Was aber sehr seltsam klingt, wenn die Stärkung der Umweltverbände ausgerechnet nicht im Sinn der CDU-Fraktion ist. In wessen Sinn agiert die CDU da eigentlich? Im Sinn der Bauern, die sie als Ausrede benutzt, ganz offensichtlich nicht, wie der Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen feststellen muss.

Das wäre ein Bruch der Koalitionsvereinbarungen

„Das Agrarstrukturgesetz ist ein wichtiger Baustein, um die wirtschaftliche Situation unserer Landwirtinnen und Landwirte in Sachsen zu stärken, denn es schiebt unter anderem Bodenspekulationen einen Riegel vor. Wer ein Agrarstrukturgesetz ablehnt, handelt gegen die Interessen der Bäuerinnen und Bauern in Sachsen.

Viele Landwirtinnen und Landwirte haben sich deutlich für ein Agrarstrukturgesetz ausgesprochen. Es braucht dieses Gesetz – und zwar schnell“, kommentiert Valentin Lippmann, Parlamentarischer Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, den Rückzieher der CDU-Fraktion.

Der Entwurf entstand schon in enger Zusammenarbeit auch mit den Bauernverbänden.

„Wir haben das Agrarstrukturgesetz gemeinsam im Koalitionsvertrag vereinbart. Es wurde in einem mehrjährigen und transparenten Prozess mit umfassender Beteiligung aller sächsischen Landwirtschaftsverbände erarbeitet und ist bereits vom Kabinett verabschiedet. Hinweise und Kritik wurden dabei berücksichtigt. Nun lehnt die CDU-Fraktion diesen gemeinsamen Entwurf ab, ohne überhaupt inhaltliche Änderungsbedarfe zu nennen“, kritisiert Lippmann den Koalitionspartner.

„Unser Verständnis für das Verhalten der CDU-Fraktion ist aufgebraucht. Die Ablehnung ist substanzlos und nicht nachvollziehbar. Das wäre ein klarer Bruch der Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag und eine Verschleppung zu Lasten der sächsischen Landwirtinnen und Landwirte. Wir Bündnisgrüne bestehen darauf, dass wir als Koalition noch in dieser Legislatur das Agrarstrukturgesetz beschließen. Wir werden dies auch im kommenden Koalitionsausschuss deutlich machen.“

Linke: Hier geht es wieder nur um Lobbyinteressen

Und auch die oppositionelle Linksfraktion kann nur feststellen, dass die sächsische CDU einmal mehr CDU Lobbyinteressen über das Gemeinwohl stellt und ein weiteres Koalitionsversprechen gebrochen hat.

„Die CDU sorgt dafür, dass der Ausverkauf dringend benötigter landwirtschaftlicher Flächen ungebremst weitergeht. Den Schaden haben die Landwirte, denen landwirtschaftsfremde Investoren noch mehr Boden wegschnappen“, sagt dazu die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Antonia Mertsching.

„Das Problem sehen wir an ständig steigenden Kauf- und Pachtpreisen. Boden ist für kaufkräftige Investoren Spekulationsobjekt Nummer eins, weil hier die mit Abstand höchsten Renditen zu erzielen sind. Wenn wir zulassen, dass der Bodenbesitz sich in der Hand einiger Weniger konzentriert, verlieren wir nicht nur Wertschöpfung für ländliche Regionen, sondern gefährden auch die Ernährungssicherheit.

Es ist unverantwortlich, dass die CDU wie beim Vergabegesetz Lobbyinteressen über das Gemeinwohl stellt. Die Frage, wem der Boden in Sachsen gehört, geht uns alle an!“

AbL Mitteldeutschland: Jetzt gehören alle Verbände an einen Tisch

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL) Mitteldeutschland nimmt die sächsische CDU freilich beim Wort und fordert sie auf, jetzt tatsächlich Verantwortung für den Erhalt der sächsischen Landwirtschaftsbetriebe zu übernehmen und die Verbände in der kommenden Woche an einen Tisch zu laden.

„Ministerpräsident Kretschmer hat bei der Bauerndemo im Januar groß verkündet, dass er an der Seite der Bauern stünde. Das kann die CDU nun unter Beweis stellen. Sie muss schnellstmöglich alle Landwirtschaftsverbände an einen Tisch holen und einen Entwurf aushandeln, der den Schutz der Branche vor außerlandwirtschaftlichen Großkonzernen gewährleistet“, sagt Clemens Risse, AbL-Landesgeschäftsführer und Landwirt aus Meißen.

„Kein Landwirtschaftsbetrieb, egal ob groß oder klein, kann langfristig gegen die Konkurrenz durch kapitalstarke Großkonzerne bestehen. Wir wirtschaften überwiegend auf Pachtland. Wenn unsere Pachtgebote durch Investorenbetriebe ausgestochen werden, ist die Existenz unserer Betriebe in Gefahr.“

Das Agrarstrukturgesetz sollte eigentlich verhindern, dass nicht-landwirtschaftliche Konzerne unreguliert und unerfasst landwirtschaftliche Betriebe und deren Flächen aufkaufen können. Dieses Ziel ist Teil des Koalitionsvertrags der schwarz-rot-grünen Landesregierung.

Das Landwirtschaftsministerium hat in den vergangenen vier Jahren einen Entwurf erarbeitet. Dieser wird von einem Teil der Landwirtschaftsverbände, unter anderem durch den Sächsischen Bauernverband (SLB), aber abgelehnt. Der aber ist vor allem der Interessenvertreter der Großbetriebe. Die Schicksale der kleinen Bauernbetriebe interessieren da nicht.

„Anstatt nur die Interessen der größten 30 Betriebe zu vertreten und jegliche Vorschläge zu blockieren, soll der Sächsische Bauernverband eigene Vorschläge in die Debatte einbringen“, fordert Anne Neuber, Geschäftsführerin der AbL Mitteldeutschland. „Bei den letzten Verbändeanhörungen im Landwirtschaftsministerium ist er noch nicht einmal erschienen. Die derzeitige Blockadehaltung des SLB setzt die Existenz der sächsischen Landwirtschaftsbetriebe aufs Spiel“.

Worum geht es?

Die AbL Mitteldeutschland setzt sich seit Jahren für Gesetze ein, die den Ausverkauf der Landwirtschaft an Investoren verhindern. Aufgrund der gestiegenen Kaufpreise für Land ist es für Bäuerinnen und Bauern nicht mehr möglich, diese Preise innerhalb eines Arbeitslebens durch landwirtschaftliche Arbeit zu refinanzieren.
Für Junglandwirte ist eine Betriebsgründung fast unmöglich.

Außerlandwirtschaftliche Konzerne verdienen ihr Geld jedoch in anderen Branchen, können andere Summen zahlen und treiben damit die Preise nach oben. Zahlenmäßig werden diese Käufe nicht erfasst, das bundeseigene Thünen-Institut schätzt in einer Studie von 2017 den Anteil der Investoren an Agrar-Großbetrieben (juristische Personen) in Ostdeutschland auf 34 %.

Bisher regulierten bestehende Gesetze nur den Verkauf von Agrarland, nicht aber den Verkauf ganzer landwirtschaftlicher Unternehmen. Daher konnten die Verkäufe an Investoren nicht beanstandet werden. Der sächsische Gesetzesentwurf unterwirft diese sogenannten Share-Deals nun auch einer Anzeige- und Genehmigungspflicht und reguliert Bodenpreise stärker.

Bislang gibt es bundesweit noch kein Gesetz, das Share-Deals erfasst. Neben Sachsen arbeiten daher auch die Bundesländer Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen an Agrarstrukturgesetzen. Auch dort kaufen Investoren landwirtschaftliche Betriebe und Flächen auf und verursachen damit einen beständigen Anstieg der Bodenpreise. Gerade hinsichtlich des Ausbaus der Freiflächenphotovoltaik ist davon auszugehen, dass das Problem bald ein bundesweites sein wird.

Das Positionspapier der AbL zum Agrarstrukturgesetz.

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