Schuljahr um Schuljahr fehlen in Sachsen tausende Lehrer. Viele Schulstunden fallen aus. Die Versuche sächsischer Kultusminister und Kultusministerinnen, das Problem irgendwie zu lösen, waren bestenfalls halbherzig und haben das Problem bis heute nicht in den Griff bekommen. Darunter leiden nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer.
Kai Bartholomäus, Vorsitzender des KreisElternRates Leipzig, hat jetzt einen Offenen Brief an Kultusminister Conrad Clemens geschrieben, in dem er ihn zu einem ehrlichen Eingeständnis der Versäumnisse und einer offeneren Kommunikationskultur auffordert.
Denn auch das von Clemens im März vorgestellte 21-Punkte-Programm löst die Probleme nicht und hat in den Schulen eher für neuen Unmut gesorgt. Statt eines Festhaltens an einer rückwärtsgewandten Bildungspolitik, die für einen Teil der sächsischen Probleme verantwortlich ist, fordert der Offene Brief des KreisElternRats Leipzig eine Bildung, die tatsächlich auf Zukunft ausgerichtet ist.
Offener Brief des KER Leipzig
Sehr geehrter Herr Kultusminister Clemens,
sehr geehrte Mitglieder der sächsischen Regierungskoalition,
die Herausforderungen, mit denen unser Bildungssystem derzeit konfrontiert ist, sind enorm. Als Elternvertretung im KreisElternRat Leipzig erleben wir täglich, wie belastend die Situation für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Familien geworden ist. In vielen Schulen fällt ein erheblicher Anteil des Unterrichts aus – eine Entwicklung, die Chancenungleichheiten verschärft und langfristige Folgen für unsere Kinder haben kann.
Uns ist bewusst, dass die Ursachen dieser Krise vielschichtig sind – von einem eklatanten Fachkräftemangel über strukturelle Schwächen bis hin zu gesellschaftlichen Veränderungen, die Schule und Bildung vor neue Aufgaben stellen. Ebenso wissen wir, dass es keine schnellen oder einfachen Lösungen gibt. Gerade deshalb möchten wir Sie dazu ermutigen, gemeinsam mit allen Beteiligten neue Wege zu gehen und die notwendigen Weichen mutig und zukunftsorientiert zu stellen.
Als engagierte Eltern erleben wir sowohl die enormen Herausforderungen als auch das große Engagement vieler Menschen im System: Lehrkräfte, die weit über das geforderte Maß hinaus arbeiten, Schulleitungen, die mit hohem Einsatz ihre Schulen am Laufen halten, sowie Hortmitarbeitende, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter und viele mehr. Wir sehen aber auch die Belastungsgrenzen, die vielerorts überschritten sind.
Wir wünschen uns in dieser schwierigen Lage eine politische Haltung, die das Ausmaß der Situation offen anerkennt – nicht um Schuldzuweisungen zu betreiben, sondern um eine vertrauensvolle Grundlage für gemeinsames Handeln zu schaffen. Eine klare, transparente Kommunikation und das Eingeständnis, dass politische Entscheidungen der Vergangenheit mit zur aktuellen Lage beigetragen haben, wäre ein wichtiges Signal des Respekts gegenüber allen Beteiligten. – Nicht Lehrkräfte, die in Rente gehen oder Elternzeit nehmen, haben diese Situation verursacht, sondern strukturelle Versäumnisse, die nun sichtbar werden.
Zugleich bitten wir Sie um eine offenere, dialogorientierte Kommunikationskultur. Viele Maßnahmen, wie das sogenannte 21-Punkte-Programm, haben bei Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern für Unmut gesorgt, da sie nicht ausreichend abgestimmt und vermittelt wurden. Wir regen an, mehr Räume für Beteiligung zu schaffen und die Erfahrung und Expertise aus der Praxis stärker einzubeziehen. Es braucht Lösungen, die gemeinsam getragen werden – nicht nur verwaltet, sondern gestaltet.
Auch wenn wir wissen, dass Ressourcen begrenzt sind, glauben wir, dass Bildung eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft unseres Landes ist. Daher sollte nicht die Frage im Mittelpunkt stehen, was gerade nicht geht, sondern wie wir – mit Kreativität, Mut und Entschlossenheit – neue Wege ermöglichen.
Wir sehen Potenzial in der Stärkung der Lehrerbildung, der klugen Nutzung digitaler Lernformate, der systematischen Etablierung von Selbstlernstunden und der nachhaltigen Verbesserung der Rahmenbedingungen vor Ort. Der LandesElternRat Sachsen hat hierzu bereits umfangreiche Vorschläge unterbreitet.
Abschließend möchten wir appellieren: Machen Sie Bildungspolitik nicht rückwärtsgewandt, sondern ausgerichtet auf die Zukunft – mit Mut, mit Blick auf das große Ganze und mit echter Beteiligung. Unsere Kinder verdienen Schulen, die sie stärken, nicht schwächen.
Bildung ist keine Frage des Wohnorts oder des Geldbeutels – sondern eine zentrale Gerechtigkeits- und Zukunftsfrage.
Sie, Herr Clemens, tragen zusammen mit der Regierungskoalition die Verantwortung dafür, Sachsen zu einem Land zu machen, in dem Bildung wieder als Stärke wahrgenommen wird. Wir stehen bereit, diesen Weg mitzugehen – konstruktiv, kritisch und engagiert.
Mit freundlichen Grüßen
KreisElternRat Leipzig
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