Karin Prien ist seit dem 6. Mai Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Also irgendwie auch zuständig für Bildung in Deutschland. Und damit wohl auch die richtige Adresse für einen Offenen Brief, mit dem sich unter anderem Bürgerrechtler, Historiker und auch Leipzigs Oberbürgermeister an die Ministerin wenden, damit der Holodomor, mit dem Stalin vor 90 Jahren die Ukraine in eine tiefe Hungersnot stürzte, wieder in deutschen Schulbüchern auftaucht. Nur bestimmen letztlich die Bildungsminister der Länder, was in den Schulbüchern steht.
Da konnten sie zwar seit 2022 endlich munterer werden und den historischen Entwicklungen in Osteuropa deutlich mehr Raum einräumen und den Schülern auch die Chance geben, die ukrainische Geschichte der letzten 100 Jahre kennenzulernen.
Aber das Interesse scheint nicht besonders groß. Trotz des Beschlusses des Bundestages vom 30. November 2022, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen solle, den Massenmord an den Ukrainern, für den sich der Begriff Holodomor eingebürgert hat, in der Bevölkerung und vor allem unter Jugendlichen bekannter zu machen.
Im Land also das Wissen um die Geschichte der Ukraine zu stärken und wie sie einst unter dem Stalinschen Terror litt. Was natürlich auch bedeutet zu verstehen, warum sich die Ukrainer so vehement gegen die Putinschen Überwältigungs- und Auslöschungspläne wehren. Da müsste sich die Bundesbildungsministerin also etwas einfallen lassen, damit der Bundestagsbeschluss auch umgesetzt wird.
Unterschrieben haben den Offenen Brief u.a. Wolf Biermann, Markus Meckel, der Oberbürgermeister von Kyjiws Partnerstadt Leipzig, Burkhard Jung, die ehemalige Bildungsministerin Marianne Birthler und die ukrainische Schriftstellerin Oksana Sabuschko.
Der Offene Brief
Leipzig, den 18.11.2025
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Karin Prien,
vor gut einem Jahr schrieb ich allen deutschen Kultusministerinnen und -ministern sowie auch an Sie als Präsidentin der KMK einen Brief, in dem ich Sie alle aufforderte, sich dafür einzusetzen, dass das Thema HOLODOMOR in den Lehrplänen der Länder (vornehmlich im Fach Geschichte) auftauchen möge.
Der Brief wurde von etlichen Prominenten mitunterzeichnet, u.a. von WOLF BIERMANN, UWE SCHWABE, STEPHAN BICKHARDT oder ILKO SASCHA KOWALCZUK. Das Thema trieb mich um, weil ich in einer Internetrecherche festgestellt hatte, dass nur in Berlin/Brandenburg der Holodomor ein Lehrgegenstand ist – und da auch nur im Wahlbereich, als ein mögliches Beispiel für Völkermorde und Massengewalt.
Diese Recherche habe ich nach einem Jahr nun wiederholt und musste feststellen, dass inzwischen auch in diesem Länderverbund dieses „mögliche Beispiel für Völkermord“ aus dem Lehrplan gestrichen wurde. (Hat das vielleicht mit der dortigen Koalition zu tun?)
Dafür taucht das Thema in den Lehrplanvorgaben Mecklenburg-Vorpommerns auf, aber wieder nur als mögliche Vertiefung des Verständnisses stalinistischer Politik. Immer noch gilt: DER BEGRIFF HOLODOMOR KOMMT IN KEINEM LEHRPLAN EINES BUNDESLANDES ALS VERBINDLICHER LERNSTOFF VOR.
Und das, obwohl inzwischen laut KMK-Statistik ca. 227 000 Kinder und Jugendliche aus ukrainischen Familien bei uns beschult werden. Wer sich mit dem Thema schon befasst hat, der weiß, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach IN VIELEN DIESER FAMILIEN VORFAHREN GIBT, DIE DEM HUNGER-TERROR STALINS ZUM OPFER GEFALLEN SIND. Dennoch muss keiner unserer Geschichtslehrer auf das nationale Trauma der Ukrainer zu sprechen kommen.
Obwohl ukrainische und deutsche Kinder in vielen Klassenzimmern gemeinsam vor ihm sitzen. Die deutschen Jugendlichen erfahren nur dann etwas von dem düsteren Schicksal der Vorfahren ihrer Mitschüler, wenn sie einen engagierten Lehrer haben, der auf eigene Faust das Thema in den Unterricht hineinholt. Was er natürlich darf.
Ich wende mich jetzt zum zweiten Mal an Sie, nicht nur, weil Sie inzwischen die Bundesministerin sind, die für Bildung zuständig ist, sondern auch, weil Sie in der Öffentlichkeit mehrfach aus der Position einer deutschen Jüdin argumentiert haben.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Juden sich heute in einem Staat nicht wohlfühlen würden, in dem der Holocaust in der Öffentlichkeit sowie speziell von den staatlichen Bildungseinrichtungen nicht als Menschheitsverbrechen wahrgenommen wird. Und ich vermute, dass Sie deshalb mehr Verständnis als viele andere Deutsche für die Situation der zu uns gekommenen Ukrainer haben. Sie leben in einer Gesellschaft, die mehrheitlich nichts von ihrem nationalen Trauma weiß.
Den Holocaust und den Holodomor eint nicht nur der erste Teil des Wortes (obwohl er jeweils etwas anderes bedeutet), sondern insbesondere die Größenordnung des Verbrechens. Es geht in beiden Fällen um millionenfachen Mord. Man bekommt bei uns immer wieder zu hören, dass die Shoah ein singuläres Ereignis sei. Das kann man sicher begründen, aber das darf auf keinen Fall bedeuten, dass das ein Jahrzehnt zuvor stattgefundene Massenverbrechen – bis dahin das größte an einem europäischen Volk – einfach ignoriert wird, zumal die Nachwirkungen bis heute spürbar sind.
Wie sollen unsere Jugendlichen denn ohne dieses historische Wissen begreifen, woher die enorme Bereitschaft des ukrainischen Volkes kommt, sich gegen eine militärische Supermacht zu behaupten? Und werden sie mit diesem Wissenshintergrund nicht viel eher dem Gedanken zustimmen, dass die Europäer dieses Volk nicht ein zweites Mal im Stich lassen dürfen? Dass man deshalb die Unterstützung des angegriffenen Landes nicht zurückfahren kann? Dass es Entsetzen unter den Ukrainern auslösen dürfte, dass Putin für den Mörder ihrer Vorfahren wieder Denkmäler errichten lässt?
Natürlich versucht der Kreml, die historischen Zusammenhänge zu vernebeln, indem er verfälschende und verharmlosende Narrative über Stalin und seinen Hungerterror in Umlauf bringt, die bis in unsere Parteienlandschaft hinein geteilt werden (AfD, BSW sowie Teile der Linken bemühen sich um eine relativierende Umdeutung der damaligen Ereignisse, wenn sie sie nicht ganz verschweigen). Auf dieser Ebene ist Putins hybrider Krieg äußerst erfolgreich.
Nino Haratischwili sagte in einer Rede 2024 treffend, „dass eine Staatsmacht nicht zur Diktatur werden kann, wenn sie nicht imstande ist, die ‚Wahrheit‘ zu erfinden und zu steuern, eine ‚Wahrheit‘, die selbstverständlich alles andere ist als die Wahrheit, für die sie ausgegeben wird.“
Das zu verhindern, ist zentrale Aufgabe demokratischer Bildung. Und es gibt ein probates Mittel, um hier flächendeckend Erfolge zu erzielen: historische Bildung über den Osten Europas quer durch alle allgemeinbildenden Schulen.
Am 14.11.24 antwortete mir bzw. Uwe Schwabe, der den Brief vom Vorjahr über das Büro des Archivs Bürgerbewegung Leipzig verschickt hatte, Ihre Referentin Christine Streichert-Clivot und verwies auf den Beschluss des Bundestags vom 30.11.2022 sowie die damals geführte Debatte, in der nicht nur der Begriff Völkermord, bezogen auf den Holodomor, für zutreffend erklärt wurde, sondern ausdrücklich auch aufgrund der deutschen Vergangenheit eine besondere Verantwortung unseres Volkes und seiner Politiker abgeleitet wurde, Menschheitsverbrechen (also nicht nur die Shoah) kenntlich zu machen und aufzuarbeiten. Das war ein wichtiger Hinweis, dem ich gründlich nachgegangen bin.
Die Debatte im Bundestag wurde vor bald drei Jahren auf hohem Niveau geführt. Dass sich die Ampelparteien für den Antrag mit der oppositionellen CDU/CSU zusammengetan hatten, ist beruhigend und zeugt von der Bereitschaft, die demokratische Mitte gemeinsam zu verteidigen. Im unten angehängten Kasten sind einige Ausschnitte aus den Redebeiträgen festgehalten, die bis heute aber auch gar nichts von ihrer Bedeutung verloren haben. Der konkreteste Vorschlag in der Debatte kam von Robin Wagener.
Er forderte klipp und klar, dass die Schrecken des Holodomor – neben den anderen Schrecken des 20. Jahrhunderts – „prominenter in die Geschichtsbücher und Schulen“ gehörten. Hier tauchte ausdrücklich die Idee auf, die Schulen mit dieser Aufgabe zu betrauen.
Aber auch im gemeinsamen Antrag selber hieß es: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. die Erinnerung an die Opfer des Holodomors und zu dessen internationaler Bekanntmachung politisch – bspw. durch verschiedene Bildungsangebote – weiter zu unterstützen; 2. jeglichen Versuchen, einseitige russische historische Narrative zu lancieren, weiterhin entschieden entgegenzuwirken.“
Und nun das Desillusionierende: KEINER DER DAMALIGEN BILDUNGSMINISTER DER LÄNDER, KEIN BILDUNGSINSTITUT EINES BUNDESLANDES FÜHLTE SICH ANGESPROCHEN, DIESER AUFFORDERUNG FOLGE ZU LEISTEN. IN KEINEM DER SECHZEHN LÄNDER IST DER HOLODOMOR INZWISCHEN ZU EINEM VERBINDLICHEN THEMA DES GESCHICHTSUNTERRICHTS GEWORDEN.
Es sieht so aus, als ob sich nahezu die gesamte bundesdeutsche Bildungselite der Aufgabe entziehen wollte, Putins Narrativen historisch solide Fakten entgegenzusetzen. Dabei ist der Kampf um die Geschichtsdeutung letztlich ebenso wichtig wie der gegen russische Drohnen. Drei weitere Jahre tobt nun der Krieg in Europa – und immer noch nicht ist es gelungen, die Vorgeschichte dieses unheilvollen Verhältnisses zwischen dem Stalinfreund Putin und den Ukrainern unter Schülern zu verbreiten.
Das deutsche Schulsystem scheint immun zu sein gegenüber inhaltlichen Verbesserungsvorschlägen, selbst wenn die gesamte demokratische Mitte des Bundestags sie macht. Wie kann das sein, dass ein derart klarer Auftrag unseres gesetzgebenden Verfassungsorgans von den angesprochenen Verantwortlichen in Bund und Ländern so vollständig ignoriert wird?
Liebe Frau Prien, ich weiß: wir haben einen Bildungsföderalismus. Das schließt aber nicht aus, dass Sie als Bundesbildungsministerin Ihre Länderkollegen darauf aufmerksam machen, dass es neben den materiellen Problemen der Integration von geflohenen ukrainischen Kindern und Jugendlichen EBEN AUCH EINE FACHLICH-INHALTLICHE AUFGABE GIBT. Die hat der Bundestag 2022 klar benannt.
Ich nehme an, dass Sie den damaligen Auftrag des Parlaments an die damalige Bildungsministerin auch auf sich als ihre Nachfolgerin beziehen. In dem Fall geht es ausnahmsweise mal nicht um viel Geld, denn die Aufforderung, den Holodomor in den Schulen als Thema zu verankern, lässt sich durch deutliche Briefe und letztlich ein paar Länder-Erlasse verwirklichen.
Material kann man sich zwar nicht auf den Schulservern der Länder, wohl aber z.B. auf dem Portal der Stiftung Aufarbeitung herunterladen, das zu einer ersten Orientierung gut geeignet ist. Besser wäre es natürlich, die Geschichtslehrer zögen beispielsweise Anne Applebaums Buch Roter Hunger hinzu.
Bitte, nehmen Sie sich der Sache an: Im Gedenken an die etwa vier Millionen im Herzen Europas ermordeten Ukrainerinnen und Ukrainer. Und auch an die ungeborenen Ukrainer der damals verhungerten Schwangeren. Aus Mitgefühl mit den heute in ihrer Heimat sowie im Exil lebenden Ukrainern.
Als Jüdin, die weiß, wie sehr wir Menschen alle darauf angewiesen sind, auch von den Mitgliedern anderer Völker respektiert zu werden. Als Politikerin eines Europas, das nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft ist, sondern eine Familie – eine Völkerfamilie, wo der Bruder der Schwester mit Empathie begegnen sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Gottfried Böhme, Schriftsteller, früher Lehrer
Um zu belegen, dass dies ein Anliegen ist, das von ausgewiesenen Historikern und ganz allgemein Menschen, die sich dem Schicksal der Ukraine besonders verbunden fühlen, geteilt wird, hier eine Liste von Unterstützern dieses Briefes, vornehmlich aus meinem Leipziger Umfeld. Ich gehe davon aus, dass man mühelos in jeder deutschen Metropole etliche prominente Unterstützer gewinnen könnte.
Stephan Bickhardt, Pfarrer, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Wolf Biermann, dichtet und singt sein Leben lang in und über Deutschland
Pamela Biermann, Künstlerin, Sängerin
Marianne Birthler, ehemalige Bildungsministerin in Brandenburg
Prof. Rainer Eckert, Historiker
Dr. Gerhard Gnauck, Historiker (LMU München), organisiert u.a. eine Wanderausstellung über den Holodomor
Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig, das eine Städtepartnerschaft mit Kiew pflegt
Gisela Kallenbach, ehemalige Leipziger Europaparlamentsabgeordnete
Basil Kerski, Direktor des Europäischen Solidarnosc-Zentrums Danzig
Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker
Markus Meckel, Außenminister und MDB a.D.
Christa Mihm, Künstlerin, zur Zeit Lehrerin an der Deutschen Schule Kiew
Gesine Oltmanns, Stiftung Friedliche Revolution
Oksana Sabuschko, Schriftstellerin, Kyjiw
Uwe Schwabe, Vorstandsvorsitzender Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.
Rolf-Michael Turek, Pfarrer, Vorstand vom Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.
Elke Urban, ehemalige Leiterin des Schulmuseums Leipzig
Peter Wensierski, Autor und Journalist
Auszüge aus der Bundestagsdebatte vom 22. November 2022
Dietmar Nietan (SPD) sagte: „Es darf auch kein Vergessen geben; denn der Holodomor ist ein unauslöschbarer Teil der europäischen Geschichte, auch wenn es politische Kräfte gibt, die das negieren wollen. … Seinen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Wladimir Putin nicht nur militärisch vorbereitet.
Die Fälschung der geschichtlichen Tatsachen inklusive der versuchten Rehabilitierung des Massenmörders Stalin, die geschichtliche Herleitung der Rechtfertigung für eine Negierung der Existenz der ukrainischen Nation – das waren keine Zufälle. Geschichtsrevisionismus gehört zum Kampf der Totalitären gegen offene Gesellschaften, und dagegen müssen wir alle vorgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. …
Jeder Schritt, der zur Aufklärung von Menschheitsverbrechen beiträgt, ist ein wichtiger Schritt, den es zu unterstützen gilt. Mit diesem Antrag können wir dazu beitragen, dass die Erinnerung an den Holodomor aufrechterhalten und weiterverbreitet wird; denn Versöhnung und Frieden kann es nur auf der Grundlage geschichtlicher Wahrheiten geben.“
Knut Abraham (CDU/CSU) sagte, dass es im gemeinsamen Antrag darum gehe, „das Wissen über den Holodomor in Deutschland zu verbreiten und darüber hinaus die Kenntnis der Geschichte des östlichen Teils unseres Kontinents zu verbessern. Das Ausmaß dieses Verbrechens steht nämlich in einem starken Gegensatz zu dessen geringer Bekanntheit im Westen Europas. …
Die Ukraine ist Teil der europäischen Familie. Der Holodomor war daher auch ein Verbrechen an unseren ukrainischen Familienmitgliedern, das uns alle angeht, uns alle betrifft.
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) bezeichnete den Holodomor als „Ein Menschheitsverbrechen, welches zu seiner Zeit die Weltöffentlichkeit nicht wahrnehmen wollte oder konnte. Danach wurde die Wahrheit durch die Sowjetunion und durch Russland unterdrückt. Mit jeder Verleugnung oder Relativierung ihres Schicksals sind die Opfer ein weiteres Mal gestorben.
Das müssen wir verhindern. Wir müssen uns ihrer erinnern. … Wer also heute davon spricht, an der Seite der Ukraine zu stehen, der muss ihr auch durch die Anerkennung der historischen Wahrheit zur Seite stehen. Nicht auch noch die Geschichte darf als Waffe gegen die Ukraine benutzt werden.“
Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen) forderte klipp und klar: „Die Schrecken des Holodomors genau wie die deutschen Verbrechen gegen die Sowjetunion und viele andere Kapitel der wechselvollen Geschichte der Ukraine und Osteuropas gehören prominenter in die Geschichtsbücher und Schulen; denn Wissen schafft nicht nur Empathie. Wissen schafft Widerstandsfähigkeit gegen Propaganda und Geschichtsklitterung.“
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Es gibt 2 Kommentare
Nicht nur das. Es gibt weit mehr Späne und Balken in den Augen. Die Hungernot von 1943 in Bengalen – die Todeszahlen schwanken – passt strukturell ökonomisch ebenfalls, war – durch Churchills Aussagen gesichert belegt – kolonialistisch, rassistisch und – wie viele andere Hungersnöte der Neuzeit auch – prinzipiell abwendbar. Mittlerweile weiß ich nicht mal mehr, ob – wie zu meiner Schulzeit – die irische Hungersnot von 1848/49 behandelt wird, die ebenfalls durch Getreideausgaben hätte abgewendet werden könne. Dass F. Engels über sie geschrieben hat, ist vermutlich heutzutage kein Empfehlungsschreiben für den Schulunterricht.
Die Geschichte Indiens ab dem 18. Jhd. – als Besitz der British East India Company, dann ab 1858 als British Raj – eignet sich viel besser als Beispiel einer kolonialen Zerstörung als die eher im zeitgenössischen Rahmen liegende – cosi fan tutte – imperiale Ausdehnung Russlands.
Bitte nicht vergessen, dass auch die Ukraine damals zur Sowjetunion gehörte, sonst liest sich dieser Aufruf wie billiges Russland-Bashing. Es gab immer wieder Versuche, Teile einer Gesellschaft auszuhungern, nicht nur von Stalin, sondern auch von Staaten, die wir zu unseren Freunden zählen. Sind die in den Schulbüchern? Nein.