Da war Sachsens Kultusminister Conrad Clemens riesig froh, als sein Ministerium am 16. Oktober vermelden konnte: „Sachsens Neuntklässler gehören zu den besten MINT-Schülerinnen und -schülern in Deutschland. Das sind die Ergebnisse des IQB-Bildungstrend 2024, der im Auftrag der Kultusministerkonferenz vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) erstellt und heute in Berlin vorgestellt wird.“
Und überall waren die sächsischen Neuntklässler deutlich besser als alle anderen. Ist Sachsen also wieder einmal Primus? Wenn das so eindeutig wäre.
„Sachsen belegt in allen untersuchten fachspezifischen Kompetenzen den ersten Platz und liegt damit überall signifikant über dem deutschen Mittelwert (Mathematik: 511 Punkte, Durchschnitt aller Bundesländer: 474 Punkte; Naturwissenschaften: 505 – 513 Punkte, Durchschnitt aller Bundesländer: 471 – 477 Punkte)“, freute sich das Kultusministerium.
„Insgesamt sind die erbrachten Leistungen allerdings in allen Bundesländern gesunken. Eine Entwicklung, die zeigt, dass Pandemie, Lehrkräftemangel und gesellschaftliche Umbrüche Spuren hinterlassen haben.“
Falscher Zungenschlag Migration
Was Kultusminister Conrad Clemens zu den Worten animierte: „Wir müssen uns bei dieser Generation entschuldigen. Corona, Lehrermangel, Migration, Handys – viel zu schultern für unsere Schülerinnen und Schüler. Dass Sachsen trotzdem mit gleichem Abstand an der MINT-Spitze steht, ist unseren herausragenden Lehrkräften in Sachsen zu verdanken.“
Das sagt der Mann einfach so hin. Als wäre der Lehrermangel nicht selbstverursacht, auch wenn dafür vor allem seine Vorgänger im Amt des Kultusministers verantwortlich waren. Aber Migration? Hat der Mann nicht nachgedacht beim Sprechen?
Wer auf die IQB-Auswertung schaut, sieht natürlich, dass Migration eine wesentliche Rolle spielt bei den Ergebnissen. Aber sie ist keine Belastung für die Schüler, so wie das bei Clemens anklingt. Denn ein wachsender Anteil der Schüler hat ja nun einmal Migrationshintergrund.
Nur: Das deutsche Bildungssystem reagiert darauf so gut wie gar nicht. Lässt die Lehrerinnen und Lehrer damit oft allein. Was dazu führt, dass gerade die Bundesländer mit hohem Anteil von Kindern aus migrantischen Familien im Test besonders schlecht abschneiden. Allen voran Bremen, NRW, Hessen und Niedersachsen.
Wenn es an Fähigkeit zur Sprache mangelt
Dass das einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Länderergebnisse hat, betont auch das IQB: Die Ergebnisse korrelieren direkt mit dem Anteil der Schüler mit Zuwanderungshintergrund. Und das hat nichts mit ihren geistigen Fähigkeiten zu tun. Denn die schlechten Ergebnisse in den „naturwissenschaftlichen Fächern (auch bei Jugendlichen mit Fluchterfahrung) lassen sich zu großen Teilen auf geringere Deutschkenntnisse zurückführen.“
Eine Feststellung, die ja über die Kinder mit Zuwanderungshintergrund hinausgeht: Auch die deutschen Schüler, die in Naturwissenschaften schlecht abschneiden, verfügen oft genug nicht über ausreichende Deutschkenntnisse. Ohne Sprache kein Verständnis. Auch nicht für Naturwissenschaften.
Die Kultusminister wissen also sehr genau, wo sie ansetzen müssten. Tun es aber nicht.
Das sächsische Kultusministerium verweist dann auch noch auf die anderen Untersuchungsteile der IQB-Studie: „Neben fachlichen Tendenzen untersucht die Bildungsstudie ebenfalls das Lern- und Sozialverhalten von Jugendlichen. Auch hier zeigen sich Auffälligkeiten. Das Interesse an den MINT-Fächern ist im Vergleich zum letzten Untersuchungszeitpunkt 2018 spürbar zurückgegangen, ebenso die Verbundenheit mit der eigenen Schule. Zugleich geben mehr Schülerinnen und Schüler an, Schwierigkeiten im Umgang mit Konflikten zu haben. Auch psychosoziale Auffälligkeiten treten häufiger auf.“
Darüber hinaus verfolge Sachsen mit dem „Bildungsland Sachsen 2030“ eine langjährige angelegte Strategie zur verbesserten Kompetenzvermittlung im Unterricht. Praxisnahes Lernen, digitale Bildung und individuelle Förderung stünden gleichermaßen im Fokus, so das Kultusministerium. Und das Maßnahmenpaket zur Unterrichtsversorgung solle zudem sicherstellen, dass Unterricht landesweit verlässlich stattfindet.
Genau das aber passiert nicht, wie schon die Bildungsgewerkschaft GEW feststellte.
Tatsächlich verteilt das Paket nur die Probleme schön gleichmäßig im Land, verschlechtert also die Situation dort, wo sie bislang noch einigermaßen gut war. Die neue IQB-Studie zeigt im Grunde, dass alle Ansätze zur Lösung der Bildungsprobleme im Land falsch waren, von falschen Prämissen ausgingen.
Und dass Kultusminister bis heute nicht begriffen haben, dass es bei Schule zuallererst um Sprache und Verständnis geht. Wenn man diese Ausbildungsteile ignoriert und vernachlässigt, bekommt man ein Bildungssystem, dass Scheitern regelrecht produziert.
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Unter den Blinden ist der Einäugige natürlich immer König.
Dass Sachsens Schulsystem nur bedingt als Vorbild dienen kann, ist sicher unstreitig.
Allerdings gibt es keinerlei standardisierte oder offizielle Statistiken der Bundesländer zu Indikatoren wie “Schülern mit Migrationshintergrund”, “Zuwanderungsgeschichte” oder “Schülern mit Herkunftssprache nicht oder nicht ausschließlich Deutsch”, die hier einen kausalen Zusammenhang zulassen.
Die Bundesländer verwenden unterschiedliche Begriffe/Erhebungsweisen und manche Statistiken sind nur für Teilgruppen oder einzelne Schularten verfügbar.
So, wie man das in einem vom Föderalismus zerstörten Bildungssystem erwarten kann.
Hier ein paar zusammengesuchte Zahlen dazu:
(Man sieht, dass der Anteil nicht unbedingt mit der These korreliert)
* Baden-Württemberg 30–31 % Migrationshintergrund Statistisches Landesamt BW, Schulstatistik 2024/25 (Tabellen „Schüler mit Migrationshintergrund“)
* Bayern 32–33 % Migrationshintergrund Bayerisches Staatsministerium / „Bayerns Schulen in Zahlen 2024“
* Berlin 48–50 % Migrationshintergrund (mind. ein Elternteil im Ausland geboren) Bildungsstatistik Berlin 2024/25
* Brandenburg 15–17 % Herkunftssprache nicht ausschließlich Deutsch Landesamt für Statistik Brandenburg, Schulstatistik 2024/25
* Bremen 57 % Migrationshintergrund Statistisches Landesamt Bremen, Bildungsbericht 2024/25
* Hamburg 56–58 % Migrationshintergrund IfBQ Hamburg, Schuljahresstatistik 2024/25
* Hessen 45–50 % Migrationshintergrund Hessisches Statistisches Landesamt 2024/25
* Mecklenburg-Vorpommern 10–12 % Herkunftssprache nicht ausschließlich Deutsch Statistisches Amt MV, Schulstatistik 2024/25
* Niedersachsen 30–32 % Migrationshintergrund / Herkunftssprache MK Niedersachsen, „Zahlen & Fakten Schulen 2024/25“
* Nordrhein-Westfalen 46,3 % Zuwanderungsgeschichte IT.NRW, Pressemitteilung 2025 („fast jede/r zweite Schüler/in“)
* Rheinland-Pfalz ≈ 27 % Migrationshintergrund Statistisches Landesamt RLP, Pressemitteilung 2025
* Saarland 24–26 % Migrationshintergrund Statistisches Amt Saarland, Schulstatistik 2024/25
* Sachsen 11–13 % Herkunftssprache nicht ausschließlich Deutsch Statistisches Landesamt Sachsen, Schulstatistik 2024/25
* Sachsen-Anhalt 12–14 % Herkunftssprache nicht ausschließlich Deutsch Landesstatistik Sachsen-Anhalt, Schuljahr 2024/25
* Schleswig-Holstein 25–27 % Migrationshintergrund Statistikamt Nord, Bildungsstatistik 2024/25
* Thüringen 10–12 % Herkunftssprache nicht ausschließlich Deutsch TLS Thüringen, Schulstatistik 2024/25