Am Montag, dem 13. Oktober, stellte Kultusminister Conrad Clemens die Arbeitszeitstudie für Sachsens Lehrkräfte vor, die die zuvor schon von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ermittelten Zahlen weitestgehend bestätigte. Aber letztlich auch das so vollmundig verkündete Maßnahmenpaket des Kultusministers als untaugliches Mittel erscheinen lässt, die Probleme von Überlastung und Unterrichtsausfall in Sachsens Schulen zu lösen. Die GEW wird in ihrer Kritik deutlich.
„Die Studie bestätigt weitgehend bisherige Untersuchungsergebnisse und zieht den aktuellen Maßnahmen des Kultusministeriums den Boden unter den Füßen weg“, stellte Burkhard Naumann, Vorsitzender der GEW Sachsen, zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Lehrkräfte-Arbeitszeitstudie des Sächsischen Kultusministeriums (SMK) am Montag, dem 13. Oktober, fest.
„Lehrkräfte sind eine hoch belastete Berufsgruppe. Sie leisten trotz Ferien systematisch Mehrarbeit über das gesamte Schuljahr hinweg. Besonders ins Gewicht fallen dabei die außerunterrichtlichen Aufgaben. Bei einer Unterrichtsverpflichtung von 26 oder 27 Stunden pro Woche wird häufig übersehen, dass dies nur etwa ein Drittel der tatsächlichen Arbeitszeit ausmacht. Der Rest findet außerhalb des Unterrichts statt. Dort entstehen Überlastung, Überstunden und gesundheitliche Risiken.“
Besonders alarmierend ist aus Sicht der GEW die Belastung von Teilzeitlehrkräften und Schulleitungen. Hochgerechnet leisten sie jedes Jahr Überstunden im siebenstelligen Bereich – unbezahlt und ohne Möglichkeit des Ausgleichs. Diese Arbeitszeit wird dem Freistaat de facto geschenkt. Das sei nicht nur unfair, sondern gesundheitsgefährdend für die Beschäftigten. Auch Klassenleitungen und Lehrkräfte in der Oberstufe arbeiteten signifikant mehr.
„Für Klassenleitungen braucht es zwingend eine Anrechnungsstunde für die zusätzliche Arbeit. Außerdem benötigen wir flächendeckend mehr Schulassistenz. Die Studie zeigt deutlich, dass diese Schulleitungen und Lehrkräfte entlastet. Und es stellt sich eine grundsätzliche Frage: Warum haben Lehrkräfte in Sachsen keinen Zugang zu einer effektiven Arbeitszeiterfassung? Sie ist gesetzlich verpflichtend und in anderen Branchen längst Standard. Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, erklärt Naumann.
Es gibt keine „Schonräume“
Die Studie zeige aber auch: Zwischen den Schularten gibt es keine „Schonräume“. In allen Schulformen arbeitet ein Teil der Lehrkräfte – einschließlich Teilzeitbeschäftigten – während der Unterrichtszeit im Jahresschnitt über 48 Stunden pro Woche. Damit sei jede weitere Belastung ausgeschlossen, so die GEW. Wer die Unterrichtsversorgung verbessern wolle, könne dies nur über freiwillige Instrumente erreichen.
„Es zeigt sich, dass es ein gravierender Fehler war, das Maßnahmenpaket vor Fertigstellung der Studie einzuführen. Mit den Ergebnissen ist die vom Kultusministerium angekündigte Vorgriffsstunde vom Tisch“, stellt Naumann fest.
„Mit den Maßnahmen wurden eine Reihe von Anrechnungsstunden gekürzt, beispielsweise für Lehrkräfte in der Oberstufe. Die Studie wiederum verdeutlicht, dass es mehr statt weniger Anrechnungsstunden bedarf. Wer die Unterrichtsversorgung sichern will, muss zuerst die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Lehrkräfte sichern. Hochbelastete Lehrkräfte brauchen sofort wirksame Entlastungen.
Alles andere ist politisch verantwortungslos. Wir werden die Studie nun im Detail prüfen und fordern das Kultusministerium auf, uns dafür die Rohdaten zur Verfügung zu stellen. Sinnvoll wäre ein transparenter Auswertungsprozess – zum Beispiel über ein unabhängiges Konsortium.“
Zentrale Belege für die notwendigen Entlastungen aus Sicht der GEW
Lehrkräfte in Teilzeit leisten im Durchschnitt 1,4 Überstunden pro Woche und damit über 70 pro Jahr. Bei Schulleitungen sind es sogar 2,5 Wochenstunden und damit über 130 Überstunden pro Jahr. Allein bei diesen beiden Gruppen entstehen im Schuljahr damit unbezahlte Überstunden im siebenstelligen Bereich. Aber auch 49,9 % der Lehrkräfte in Vollzeit leisten unbezahlte Mehrarbeit.
Dringender Handlungsbedarf ist bei Beschäftigten, die im Durchschnitt über die gesamte Schulzeit im Jahr über 48 Wochenstunden arbeiten. Das betrifft jede sechste Schulleitung (16,8 %), jede achte Lehrkraft in Vollzeit (12,3 %) und sogar jede zwölfte Lehrkraft in Teilzeit (7,9 %).
Die Studie findet auch einen signifikanten Zusammenhang zwischen Klassenleitung und Arbeitszeit: Lehrkräfte in Vollzeit mit Klassenleitung arbeiten 0,9 Stunden mehr pro Woche, bei Lehrkräften in Teilzeit sind es 1,2 Wochenstunden. Das untermauert die GEW-Forderung nach mindestens einer Klassenleitungsstunde.
Ebenso signifikant ist die Wirkung von Schulassistenz: Lehrkräfte an Schulen mit Schulassistenz arbeiten 0,6 Wochenstunden weniger als an Schulen ohne Schulassistenz. Auch eine geringere Klassengröße hat (offensichtlich) einen positiven Effekt auf die Arbeitszeit. Das untermauert die GEW-Forderungen nach mehr Schulassistenz und kleineren Klassen.
Lehrkräfte am Gymnasium in der Sekundarstufe II weisen eine deutliche Mehrarbeit auf. Sogar bei Lehrkräften mit Anrechnungsstunden nach der (alten) K6/K9-Regelung gibt es eine signifikant höhere Wochenarbeitszeit (+1,4 Stunden). Das untermauert die GEW-Forderung nach einer Ausweitung der alten K6/K9-Regelung statt der jetzt vollzogenen Kürzung.
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