Eigentlich könnten sich die Freunde des Leutzscher Fußballs gedanklich schon in die Sommerpause verabschieden. BSG Chemie Leipzig und SG Leipzig Leutzsch haben beide die Klasse gehalten. Sportlich betrachtet geht es für beide Teams in den letzten Saisonspielen nur noch um die goldene Ananas. Wäre da nicht das grün-weiße Derby am 9. Juni. Die Chemie-Fans nutzen die Gunst der Stunde für eine klare Ansage.

Jamal Engel dürfte dieser Tage vieles durch den Kopf gehen. Am 1. Juni muss der Vorstandssprecher seinen Mitgliedern Rechenschaft ablegen für eine Saison, die chaotischer nicht hätte verlaufen können. Zunächst sorgten Neonazis während des Pokalspiels gegen den Roten Stern Leipzig für einen Eklat. In der Winterpause wurde bekannt, dass Präsident Jens Barthelmes Sponsorengelder nicht rechtzeitig an den Club weitergeleitet haben soll. Kaum war der Skandal totgeschwiegen, tauchten weitere Probleme auf.

So waren die Leistungen der Jugendteams in dieser Saison nicht berauschend. U17 und U15 steigen aus der Landesliga ab, die U19 kämpft noch um den Klassenverbleib. Mit dem selbst gesteckten Ziel von leistungsorientierter Nachwuchsarbeit hat die Realität nichts mehr gemein.

Nun stellen ausgerechnet die Fans der BSG Chemie den SG-Vorstand vor eine Zerreißprobe. 29 Fanclubs legten den Verantwortlichen am Dienstag in einem Brief nahe, ihnen beim Leutzscher Derby den Norddamm zu überlassen. Nach einer Absprache zwischen den beiden Vereinen vor dem Hinspiel sollen sie eigentlich im Gästeblock untergebracht werden, was angesichts der Mengen an BSG-Fans kaum möglich scheint.
Die Chemiker befürchten demnach, dass der Block zu klein sein könnte. Außerdem seien die sanitären Anlagen nicht ausreichend. Im Hinspiel hatten sich rund 1.500 Fans auf dem Norddamm für die BSG Chemie positioniert. Es “ist zu befürchten, dass Fans der BSG Chemie in Blöcke ausweichen, in denen sich auch Fans der SG Leipzig Leutzsch aufhalten, was ein weiteres Sicherheitsrisiko darstellen kann”, apellieren sie an Engels Vernunft.

Die SG-Vorstände stehen nun zwischen den Stühlen. Die Fanlager beider Clubs sind tief verfeindet. Die eigenen Anhänger würden den Funktionären ein Nachgeben gegenüber dem verhassten Untermieter kaum verzeihen. Aber: Sollten die Chemie-Fans das Spiel boykottieren, würden den Gastgebern schätzungsweise 8.000 bis 11.000 Euro durch die Lappen gehen. Geld, dass der kriselnden Leutzscher Stadionbetreiber SGLL gut gebrauchen könnte.

Die SG Leutzsch äußerte sich bisher nicht zu dem Thema.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version stand im Artikel, Nachwuchsleiter Christian Scheibe hätte die SG Leutzsch verlassen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. Christian Scheibe trainiert derzeit die B-Junioren.
Sehr geehrter Herr Engel,
sehr geehrte Vertreter der SG Leipzig Leutzsch e.V.,

am 9. Juni dieses Jahres wird Ihr Verein sein Punktspiel gegen die BSG Chemie Leipzig e.V. bestreiten. Ein halbes Jahr zuvor sahen im Hinspiel – trotz windig kaltem Herbstwetter – über 2.800 Zuschauer ein 0:0 beider Mannschaften. Die Reviere wurden vorher abgesteckt. Während ungefähr 800 Fans das Spiel als mehr oder minder Neutrale vom Dammsitz und der Tribüne aus verfolgten, positionierten sich 500 Personen im prall gefüllten Gästeblock für die SG Leipzig Leutzsch. Etwa 1.500 Fans bezogen auf dem Norddamm ganz klar für die BSG Chemie Leipzig Stellung.

Zum Rückspiel sollen die Vorzeichen nun vertauscht werden. Die Fans der BSG Chemie sollen laut Planung im Gästeblock Platz nehmen, wohingegen der Norddamm den Zuschauern der SGLL vorbehalten sein soll.

Wir, die Fans der BSG Chemie Leipzig, sprechen uns nach einer gemeinsamen Verständigung gegen diese Art der Blockeinteilung aus.

Allein die Zahlenverhältnisse des Hinspiels offenbaren, dass die Kapazität des Gästeblocks in seiner derzeitigen Form für die Anzahl der an diesem Spieltag zu erwartenden Fans der BSG bei Weitem nicht genügt. Es ist damit zu rechnen, dass – gerade bei gutem Wetter und sommerlichen Temperaturen – die Zahl aus dem Hinspiel noch übertroffen wird. Die baulichen Gegebenheiten machen es in Anbetracht der an diesem Tag herrschenden strengen Sicherheitsvorkehrungen unmöglich, eine derartige Menge an Fans im Gästeblock unterzubringen.

Er ist schlichtweg zu klein und zu eng. Es ist zu befürchten, dass Fans der BSG Chemie in Blöcke ausweichen, in denen sich auch Fans der SG Leipzig Leutzsch aufhalten, was ein weiteres Sicherheitsrisiko darstellen kann. Darüber hinaus sind auch die sanitären Bedingungen im Gästeblock ungenügend für eine solche Masse an Fans.

Aus den o.g. Gründen und im Sinne eines entspannten, reibungslosen und vor allem sicheren Ablaufes legen wir Ihnen nahe, uns Fans der BSG Chemie am 9. Juni den Norddamm als Fanblock zur Verfügung zu stellen.

Wir bitten Sie, unseren gemeinsamen Vorschlag in Erwägung zu ziehen und uns bis zum 31. Mai über Ihre Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen

Die Fans der BSG Chemie Leipzig e.V.

Leutzscher Freundeskreis, Fanclub Nova 84, Diablos Leutzsch, Fanclub Schkeuditz, Fanclub Die Höllenreiter, Ultra` Youth, Green Bastards, Fanclub Paparazzis, Fanclub Alcatraz, Bierstand-Sternburgpöbel, Fraktion Grün-Weiß, Fanclub Gohlis-Nord, Fanclub West, Brigade 1964, Wahren-Möckern Connection, Fanclub Unbeugsam, Sektion Frankfurt am Main, Grüne Engel Chemie Leipzig, Fanclub “Sprechende Hände – Leutzsch”, Fanclub Connewitz, Fanclub Phönix, Chemie Ultras Lützen, Fanclub Liverpool, Chemie Leipzig Fanclub Delitzsch, Sektion Eilenburg, Kamarilla Dschungz, Grüne Freeks, Riot Uwe Town, Fanclub Leutzscher Hölle

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