Neues vom Präsidenten des 1. FC Lok: Erwartet werden seitens der Fans konkrete Zahlen zur finanziellen Lage beim 1. FC Lok, nachdem zuletzt von einem Etatloch von bis zu 300.000 Euro in der laufenden Saison die Rede war. Bekommen haben sie die genauen Angaben bis heute nicht. Unterdessen ist Unternehmer Michael Notzon ganz bei sich und auf dem Weg, in Stellung für eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu gehen. Seine Taktik: Die Schuld an der Misere bei anderen zu suchen. Zitat: "Ich weiß gar nicht, was ich für Verbrechen begangen haben soll."

Lok braucht offenbar nicht nur dringend Geld, sondern auch wieder jemanden für die Öffentlichkeitsarbeit. Während die Fans das eine Dilemma bereits angegangen sind und in den vergangenen zehn Tagen bereits 50.000 Euro gespendet haben, streben sie nun die außerordentliche Mitgliederversammlung (AoMV) an. Am Montagabend sammelten Fans des 1. FC Lok erneut Unterschriften für die Einberufung der AoMV, was aufgrund des ausgefallenen Heimspiels gegen Hertha BSC II derzeit nicht so einfach ist. Motivationshilfe eher unfreiwilliger Art kam nun vom Verein selbst. Präsident Michael Notzon meldete sich am Dienstag via LVZ zu Wort und tat dabei alles dafür, dass noch mehr Unterschriften auf die Listen kommen.

Notzon sieht einer möglichen AoMV offenbar gelassen entgegen, wenn er formuliert: “Das Präsidium ist handlungsfähig. Ich klebe nicht an meinem Stuhl, weiß aber gar nicht, welches Verbrechen mir eigentlich vorgeworfen wird.” Ein Blick in die Leipziger Presse, auf die seitenlange Gläubigerliste des Vereins und den aktuellen Kontostand müssten eigentlich genügen, um sein Gedächtnis aufzufrischen. Den Rest erfährt der Vereinspräsident sicher, wenn er Ex-Trainer Mike Sadlo oder VfB-Insolvenzverwalter und Lok-Vermieter Friedbert Striewe anrufen würde. Die vielen offenen Fragen der vergangenen Tage hinterlassen zudem ein Bild von der Arbeit des Lok-Vorstandes im Gesamten, in welchem die Versäumnisse und Fehlentscheidungen überwiegen. Mike Sadlo hat statt einer Abfindung von ursprünglich 14.000 Euro nun Anspruch auf eine etwa vierfache Summe. Im Konkreten wartet Mike Sadlo auf Gelder aus der Saison 2011/2012 und auf alle Gelder aus der letzten Saison.

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Entgegen anderslautender Ankündigungen scheinen keine funktionierenden Arbeitsstrukturen im Verein vorhanden. Insbesondere im Bereich Finanzen und Marketing wurden langjährige Mitarbeiter zwar entlassen, aber bis heute ist für diese kein oder kein adäquater Ersatz in Sicht. Seit Sommer 2012 ist kein Mitarbeiter für die Suche von Sponsoren mehr zuständig. Seit Oktober 2012 scheint es nach dem Marketingbereich auch im Finanzbereich des Vereins keine Übersicht mehr zu geben. Wochenlang wurden offensichtlich Spieler und Fans über das Ausmaß der Krise nicht informiert, mehrere Spieler haben ihre Überraschung über die Zustände bei Lok gegenüber der Presse erklärt. Der Verein wurde lange Zeit von einem “Investor” an der Nase herumgeführt, welcher derzeit nicht einmal die Kosten für seine eigenen Werbebanden in Höhe von 1.217,50 Euro bezahlt hat.

Dass die Fans nach diesem Verlauf mehr erwarten, als Durchhalteparolen, darf nicht verwundern. Und so mancher fragt sich allmählich, wie der Vorstand des Vereins so seine Arbeit definiert. Wessen Aufgabe es ist, den Verein nach einem nachhaltigen Konzept und mit realistischen Visionen für die Zukunft aufzustellen, dürfte nie in Frage gestanden haben. Ebenso macht es sich sicherlich nicht schlecht, beim beweglichen Geschäft Fußball, die aktuellen Einnahmen und Ausgaben wenn nicht wöchentlich, so doch zumindest monatlich kritisch zu prüfen und allzeit parat zu haben.

Natürlich hat jeder Verein das Problem, dass er vor der Saison nicht auf Heller und Cent weiß, wie viel er einnehmen wird, so wie es Notzon gegenüber der LVZ beklagte. Bei einer soliden Vorarbeit jedoch, hat man sichere Ahnungen mit Schwankungsplanungen. Dass nicht alle Fußballvereine der 1. bis 5. Liga momentan vor einer Insolvenz stehen, sollte einen Präsidenten dabei stutzig machen. Irgendetwas muss bei Lok falsch gelaufen sein. Ja, die Zuschauerzahlen waren enttäuschend, aber wieso nahm man überhaupt an, dass bei zu erwartendem Abstiegskampf im Schnitt 2.800 Zuschauer kommen würden? Die lang ersehnten Klassiker gegen Optik Rathenow, Energie Cottbus II, TSG Neustrelitz oder Torgelower SV Greif sind es sicher nicht gewesen.
Was jedoch die Fans des 1. FC Lok zu leisten bereit sind, wenn sie um ihren Verein kämpfen müssen, zeigen sie dieser Tage. Wenn sie wissen, worum es geht und nicht mit Versprechungen und unklaren Zahlen im Dunkeln stehen gelassen werden. Wirkliche Fragen will oder kann der Vorstandschef Notzon offenbar bis heute nicht beantworten, einem Gespräch mit der L-IZ verweigert er sich bislang hartnäckig. Stattdessen sucht er via LVZ die Schuld beim Leipziger Publikum, von dem er sich im Stich gelassen fühlt. Nüchtern und im Licht der Vielzahl von aktuellen Unterstützungsaktionen betrachtet eine klare Unkenntnis über die Motivationsfähigkeit und Fanstruktur des eigenen Vereins. In Zahlen ausgedrückt: Wer im Mai 2012 beim Aufstiegsendspiel auswärts von 2.500 Fans unterstützt wird und zuletzt zu Hause gerade noch 2.000 Fans im Heimstadion vorfindet, hat auch das eigene Publikum verprellt.

Bei einigen der aufgelaufenen Probleme muss sich Präsident Michael Notzon vielleicht nicht alleine angesprochen fühlen, schließlich gibt es zwei weitere Präsidiumsmitglieder. Allerdings geben diese bis heute ein ähnliches Bild ab. Diejenigen, die der Verein mit seiner Finanzpolitik und Öffentlichkeitsarbeit noch nicht vergrault hat, haben nun binnen elf Tagen 55.462,57 Euro gesammelt. Aber wie viel von der Finanzlücke nun gedeckt ist und ob weitere Spenden einen Sinn haben, weiß niemand von ihnen. Langsam aber sicher jedoch beschleicht sie das Gefühl, vom eigenen Präsidenten für dumm verkauft zu werden.

Die entscheidende Frage auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung könnte also lauten: Wer ist für die Führung des Vereins 1. FC Lokomotive Leipzig zuständig?

Info: Vereinsmitglieder (mit bezahltem Mitgliedsbeitrag), die ihre Unterschrift für eine außerordentliche Mitgliederversammlung leisten wollen, können dies Dienstag und Mittwoch zwischen 17 und 19 Uhr in der Stadtbibliothek am Leuschner-Platz im Lesesaal der regionalkundlichen Abteilung tun.

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