Guter Anfang für das neue Präsidium des 1. FC Lok. Am Freitagabend präsentierten Jens Kesseler, Heiko Spauke, René Gruschka und Stephan Guth 250 Lok-Fans in der Alten Wollkämmerei ihr Konzept für die Lok-Zukunft und zeigten erstmals, dass es bei Lok auch anders gehen kann. Diskutieren auf Augenhöhe, gewählte Ausdrucksweise, Ehrlichkeit, Offenheit, Bescheidenheit waren Trumpf und Wegweiser für die Zukunft - am besten mit starkem Nachwuchs und 1. Herren, aber ohne Frauenabteilung und Sicherheitschef Steffen Kubald.

“Wir sind gebildet und kein asoziales Pack!” Dieser Satz aus dem Mund des Vaters eines C-Jugendlichen des 1. FC Lok saß. “Jawohl!”, pflichteten ihm anwesende Lok-Fans bei. Er traf den Geist der Informationsveranstaltung des neuen Präsidiums am Freitagabend genau.

Bei Lok soll sich vieles ändern, das Image ist da nur eine Baustelle, deren Abschluss aber viel bewirken könnte. “Der Ruf des 1. FC Lok ist nicht gut, aber der Verein immer noch von Bedeutung”, hatte Heiko Spauke, frisch berufenes Präsidiumsmitglied, kurz vorher erklärt. Zusammen mit René Gruschka, Stephan Guth – der wohl für den Freitag ausgeschiedenen Bernd Wickfelder ins Präsidium kooptiert werden soll – und Jens Kesseler will Spauke den neudeutsch als “Turn around” bezeichneten Richtungswechsel schaffen – auf nahezu allen Ebenen. Viel Arbeit, aber der Abend am Freitag zeigte, dass der Stil der Neuen bisher ankommt.
Auf die Fans zugehend, sie ernst nehmend, ehrliche Worte ohne Umschweife, keine Luftschlösser, sondern Ziele, die sich jeder Fußballklub in der Regionalliga stellen müsste. Ein dazu passendes Publikum, das zuhörte, sich in einer anschließenden Fragenrunde dem rhetorischen Niveau anpasste, keine Stammtisch-, eher Kongressatmosphäre und damit ein Beweis, dass Lok eben auch Menschen mit Verstand hinter sich weiß. Nur wurden die bisher schlicht zu wenig angesprochen – eine intransparente Arbeitsweise mit nicht reflektierenden, selbstverliebten Vereinsvorständen und launische Kommentare sind eben nicht nach Jedermanns Gusto.

Ein Grund, warum ein Hauptziel der neuen Macher lautet: “Wir brauchen wieder ein Management, was dem Namen und der Tradition des Vereins gerecht wird.” Und vor allem soll dieses Management breit aufgestellt sein, aus vielen Meinungen bestehen. So soll es in naher Zukunft neben Präsidium und Aufsichtsrat auch einen Wirtschaftsbeirat (mehrheitlich bestehend aus Sponsoren) und einen Sportbeirat geben. Letzterer soll sich nicht in das operative sportliche Geschäft einmischen, aber Empfehlungen für die sportliche Konzeption geben. “Hier brauchen wir ganz klar Kompetenz, denn wir haben sie nicht”, so Jens Kesseler ehrlich. Außerdem soll ein Geschäftsführer als Bindeglied zwischen Präsidium und Mitarbeitern und Ehrenämtlern fungieren.

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Im Kern besteht das Managementkonzept aus der Idee, dass der Verein einer nachhaltigen Philosophie folgt und sich dazu die Angestellten holt und nicht andersherum, neue Angestellte immer wieder die Philosophie ändern. “Nachhaltig bedeutet auch, dass wir nicht nur von Traumtoren träumen, sondern den Schützen auch bezahlen können”, so Kesseler. Vertraulich, innovativ und transparent soll der Verein zukünftig arbeiten, Grabenkämpfe nicht mehr nach außen tragen.

Klar ist auch: Der Nachwuchs bleibt eine wichtige Stütze des Vereins. “Ich habe selbst als Nachwuchstrainer ehrenamtlich gearbeitet. Er wird hohe Priorität haben, zuletzt wurde er vielleicht ein bisschen vernachlässigt”, so Spauke. Der 33-Jährige berichtete zudem von “wirklich guten Sponsorengesprächen” und von einer “keineswegs unmöglichen, aber sehr, sehr schweren Situation.” Zusammen mit Jens Kesseler wird sich der Unternehmer am Wochenende die Buchhaltung des Vereins vornehmen. Um die Situation bestmöglich zu meistern, wird die renommierte Rechtsanwaltskanzlei Brinkmann & Partner dem Verein zur Seite stehen. Über 100 Anwälte befassen sich in dieser Kanzlei deutschlandweit mit Insolvenzen und zwei nun auch mit Lok. “Wir können nicht alles wissen, aber diese Unterstützung gibt uns eine gewisse Sicherheit”, bedankte sich Steuerberater Jens Kesseler, dessen Team von der Kanzlei angesprochen wurde.

Parallel hat die Planung für die kommende Saison schon begonnen. Die erste Herrenmannschaft sollte dann am besten noch Regionalliga spielen und Sponsoren Patenschaften für neue Spieler übernehmen. “Das würde unseren Etat enorm entlasten, erste positive Signale kamen schon”, verriet Spauke, während René Gruschka versprach, sich fortan intensiv um die Fanarbeit zu kümmern. Die Anhänger sollen sich wieder verstärkt in den Verein einbringen dürfen, ihre Vorschläge ernst genommen werden. Eine Stadionverbotskommission soll aktuelle Stadionverbote prüfen und gegebenenfalls aufheben, aber Gruschka stellte gleichzeitig klar: “Als Lok-Fan repräsentiert man den Verein, also muss man sich benehmen. Gegen Randale und Rassismus werden auch wir vorgehen.”
Bis zum 30. Juni ist mit der Sicherheit noch Steffen Kubald betraut. Dass er danach den Verein verlässt, auch sportlich nichts mehr zu sagen hat, sorgte für Applaus bei den Fans, die sich genauso klar positionierten, als Jens Kesseler ankündigte, dass es am Montag einen neuen Präsidenten geben, Michael Notzon sein Amt verlieren wird. Beifall erhielt auch die Entscheidung der Frauenabteilung, den Verein per 30. Juni zu verlassen. “Dies hat uns heute Nachmittag der Mannschaftsrat mitgeteilt”, erklärte Gruschka. Die Abteilung soll wohl in einen komplett neuen Verein übertreten, der dann am Gontardweg in Schönefeld-Mockau spielen wird.

Und emotional wurde es auch, als besagter Vater eines C-Jugendlichen ans Mikrofon trat. Der Abend mag wenig mit vorhergehenden präsidialen Zurschaustellungen zutun gehabt haben, die Emotionen rundum den Verein sie bleiben und könnten – kanalisiert – doch noch für eine Rettung sorgen. Die Rettungsaktionen laufen jedenfalls noch, 75 Plätze auf dem Vereinstrikot sind noch frei, die Aktion 500 mal 500 Euro wurde am Freitag beworben. Stephan Guth, ein Initiator der Rettungsaktionen dankte am Ende den Fans für ihr vielfältiges Engagement. “Das ist bisher im Verein einfach zu kurz gekommen.” Wie so manches andere auch…

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