Deutschland bekleckert sich gegen Ghana nicht mit Ruhm. Martin Matthäus stellt das direkt im Stadion fest und bekommt auf der zwölfstündigen Busfahrt nach Fortaleza einen Eindruck, für wen die Weltmeisterschaft eigentlich vollkommen uninteressant ist - nicht nur für tote Fische in Recife.

Nach dem Frühstück, bei dem ich mich endlich wieder satt essen konnte, ging es mit gemieteten zwei Reisebussen nach Recife. Die eine Hälfte unserer Gruppe besucht dort das Spiel Italien gegen Costa Rica. die andere Hälfte, zu der ich gehörte, besuchte das Fanfest und die Innenstadt. Enge Gassen und viele Straßenhändler prägen wie immer das Bild. Das Fanfest befindet sich auf einer Insel, welche Teil der Altstadt ist. Ich überquere die älteste Brücke des Kontinents, um dorthin zu gelangen.

Das Wasser, welches die Insel umgibt, ist sehr dreckig. Ein Drittel der Breite der Wasserfläche besteht aus Schlamm bis zur Oberfläche. Fischkadaver treiben an der Wasseroberfläche. Das Fanfest ist also direkt neben einer Kloake. Dies macht sich auch an den Besucherzahlen bemerkbar.

Ich schätze, so um die 300 Fans sehen sich das Spiel der Italiener an. Die gastgeberunfreundlichen aber dafür europafreundlichen Anstoßzeiten tun ihr Übriges. Mittags um eins ist einfach nicht die Zeit, denn viele müssen arbeiten oder können sich den Besuch der Stadt nicht leisten. Da greift also der Werbeslogan der FIFA nicht, der auf den Banden im Stadion steht: “FIFA is for all”. Wohl eher für die die, die Kohle bringen.

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Nach dem Spiel treffen wir uns wieder alle am Flughafen und fahren nach Fortaleza zum Spiel unserer Deutschen gegen Ghana. Die Nachtfahrt wird durch mehrere Stopps an Raststellen unterbrochen. Die sind teilweise sehr veraltet und oft stehen Bettler, teilweise abgemagerte Frauen mit Kindern, an den Eingängen. Das trübt meine WM-Freude etwas und man merkt, dass die Leute in der Vielzahl ganz andere Probleme haben als fertige WM-Stadien.

Nach circa zwölf Stunden Fahrt kommen wir in Fortaleza an. Viel Zeit bleibt nicht. Ein kurzer Abstecher zum Strand und eine kurze Stärkung, dann geht’s zum Stadion. Einige sehen dabei sogar noch die Mannschaft von Ghana und wünschen besonders Kevin-Prince Boateng “Alles Gute” für das Spiel. Das Stadion wird bereits circa einen Kilometer vorher abgeriegelt. Auf dem Weg dahin, wie immer das gleiche Spiel: Viele fliegende Getränkehandel und für mich ganz untypisch: Kein Stand mit Fanutensilien.

Ich bin eine Stunde vor dem Spiel im Stadion. Das Stadiondach spendet zum Glück Schatten, denn es ist sehr warm. Ich möchte mir vor dem Spiel noch etwas zu essen holen, doch statt der angepriesenen Cheeseburger et cetera erhalte ich nur einen abgepackten “Hot Dog”, also zwei kleine Wiener in einem weichen Brötchen und Ketchup. Positiv anzumerken ist, dass auf Getränke kein Pfand genommen wird.

Nach langem Warten geht endlich das Spiel los. Dazu möchte ich an sich nicht viel Worte verlieren, außer dass 15 Minuten Kampf für den WM-Sieg nicht reichen werden! Abseits des Spiels gab es einen kleinen Tumult im Zusammenhang mit der bereits schon mal erwähnten Zaunfahnen-Problematik. Nachdem die ganze Kurve wieder mit vielen Deutschland Fahnen geschmückt war, kamen Ordner und rissen diese mit Hilfe der Militärpolizei ab. Daraufhin schallte es aus dem ganzen Block “FIFA raus!”. Die Fans drückten damit ihren Unmut über das Fahnenverbot sowie die Vorgehensweise der Ordnungshüter allgemein aus.

Die 12-stündige Rückfahrt fuhren wir wieder im Konvoi mit anderen Bussen, weil Nachtfahrten eine Gefahr sind. Es kann vorkommen, dass Straßen durch Banden gesperrt werden und die Businsassen alle Wertsachen abgeben müssen. Das bleibt mir aber erspart. Völlig erschöpft kommen wir Sonntagmittag in der Pousada an und ich gehe erstmal eine Runde schlafen.

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