In der Theorie sollte ein Vermögenswert denselben Preis haben – unabhängig davon, wie man ihn handelt. Ob Spot oder Futures, ETF oder zugrunde liegender Indexkorb: Alle sollten dasselbe widerspiegeln. Doch im Jahr 2025 stimmt die Theorie nicht mehr mit der Realität überein. Über sämtliche Märkte hinweg beobachten wir anhaltende Preisverzerrungen zwischen Spotpreisen und Derivatebewertungen. Ob Aktien, Rohstoffe, Kryptowährungen oder Zinsen – die Lücke zwischen „jetzt“ und „zukünftig“ wird größer als erwartet. Lass uns ansehen, warum diese Lücken entstehen, was sie für Trader und Portfoliomanager bedeuten – und wie man richtig reagiert, wenn sich die Märkte nicht mehr synchron verhalten.
Was bedeutet Dislocation bzw. eine Preisdifferenz?
Eine Preisdifferenz tritt auf, wenn der Preis eines Vermögenswertes in einem Markt von seinem Preis in einem verwandten Markt abweicht. Häufig sieht man das als Differenz zwischen:
- Spot- und Futures-Preisen
- ETF-NAV (Net Asset Value) und zugrunde liegendem Vermögenswert
- Perpetual Futures und Indexpreis im Kryptomarkt
- Swap-Sätzen im Vergleich zur Zinsstrukturkurve
Solche Dislokationen treten in verschiedenen Anlageklassen auf – von Rohstoffen über Aktienindizes bis hin zu Kryptowährungen. Normalerweise sorgt Arbitrage dafür, dass diese Abweichungen gering bleiben. Doch wenn sich die Bedingungen ändern – etwa durch Volatilität, Liquiditätsengpässe oder einseitige Positionierungen – brechen diese Preisbindungen auf.
Was verursacht Preisdifferenzen im Jahr 2025?
1. Risikoscheu bei Market Makern aufgrund von Volatilität
Bei hoher Volatilität weiten Market Maker ihre Spreads aus oder ziehen sich ganz aus der Liquiditätsbereitstellung zurück. Das bedeutet:
- Spotmärkte werden illiquide
- Futuresmärkte werden überfüllt
- Geld-Brief-Spannen wachsen
Wenn Risikomodelle anziehende Volatilität melden – was wir 2025 regelmäßig sehen, ausgelöst durch geopolitische Ereignisse, Gewinnüberraschungen und Rohstoffschwankungen – hören Liquiditätsanbieter auf, aktiv Preisunterschiede auszunutzen. Das Ergebnis: Preisverzerrungen. Im ersten Quartal 2025 überschritt die durchschnittliche Futures-zu-Spot-Spanne bei den S&P 500 e-minis zur NY-Eröffnung 8 Basispunkte – zum ersten Mal seit 2020, laut CME-Markttiefe-Daten.
2. Finanzierungskosten und Margendruck
Das Halten von Positionen ist teurer geworden. Höhere Zinsen und strengere Kapitalvorschriften führen dazu, dass Händler reale Kosten tragen, wenn sie Spot- und Derivatemärkte überbrücken. Beispiele:
- Ein Fonds, der Spot-Gold gegen Futures arbitrageieren will, muss mehr Sicherheiten hinterlegen
- Krypto-Trader, die Perpetuals shorten, um Spot zu kaufen, zahlen höhere Funding-Kosten
- Swap-Desks, die langfristige Positionen halten, tragen Zinsvolatilität
Diese Faktoren verringern den wirtschaftlichen Anreiz, Preisdifferenzen zu schließen – besonders wenn der Spread klein ist, das Risiko aber hoch.
3. Verzerrungen durch Retail- und Passive-Strategien
Privatanleger und passive Investoren handeln nicht nach Arbitrageprinzipien. Sie bewegen Kapital über ETFs, Apps und regelmäßige Allokationen. Das erzeugt mechanische Flows, die Preise in eine Richtung treiben – oft entkoppelt von Fundamentaldaten, hier einige Beispiele 2025:
- KI-bezogene ETFs wie BOTZ handelten konstant mit Aufschlägen zum NAV, da die Nachfrage der Retail-Anleger vor der Quartalsanpassung explodierte
- Bitcoin-Perpetuals stiegen über den Spotpreis in FOMO-Phasen, obwohl sich On-Chain-Daten nicht veränderten
- TLT (ETF für langlaufende Anleihen) handelte dauerhaft unter NAV, da institutionelle Anleger in illiquide Bedingungen hinein abverkauften
Diese Bewegungen korrigieren sich nicht einfach – denn sie beruhen nicht auf Logik, sondern auf Verhalten und Automatisierung.

4. Hedging-Verhalten und Gamma-Exposures bei Derivaten
Im Optionsmarkt sorgt Dealer-Positionierung für Folgewirkungen bei Spot- und Futurespreisen. Beispiel:
- Es gibt hohe offene Positionen in Call-Optionen oberhalb des aktuellen Kurses
- Dealer sind short in Calls und müssen bei Kursanstieg Spot kaufen
- Diese Hedging-Käufe treiben den Spotpreis über sein technisches Ziel hinaus
- Futures hinken hinterher, da sie den Fluss verzögert verarbeiten
2025 wirken sich Optionsströme stärker aus denn je. Trader beobachten Gamma-Niveaus und Dealer-Hedging-Karten, um Preisverzerrungen vorherzusehen.
5. Regulierung und Infrastrukturlücken
Kryptomärkte bleiben zersplittert – ein Coin, fünf Preise. Ein Futures-Kontrakt kann auf Binance mit Aufschlag handeln, während er auf Bybit flach läuft. Früher nutzten Trader diese Unterschiede aktiv. Heute erschweren KYC, Exchange-spezifische Regeln und Kapitalauflagen das Ausnutzen solcher Gaps. Auch in traditionellen Märkten sorgt z. B. T+2-Abwicklung bei Aktien vs Echtzeit-Preisbildung bei Futures für temporäre Timing-Lücken – klein, aber unter Stress relevant. Was diese Gaps für Trader und Investoren bedeuten
Für Trader:
- Setups zur Mittelwert-Rückkehr beobachten. Dislocations gleichen sich oft aus, wenn Volatilität abnimmt oder Liquidität zurückkehrt.
- Falsche Signale erkennen. Ein Futures-Anstieg kann bedeutungslos sein, wenn Spot nicht mitzieht.
- Modelle anpassen. Baue Filter ein, um Momentum-Signale auszuschließen, die auf Flow-Verzerrung statt Fundamentaldaten basieren.
Für Portfoliomanager:
- Rebalancing mit Vorsicht. Nutzt du ETFs für Makropositionen, prüfe Abweichungen zwischen NAV und fairer Bewertung.
- Alternative Absicherungen prüfen. Ein verzerrter Future deckt das Risiko des Basiswerts womöglich nicht korrekt ab.
- Kosten der Halteposition beachten. Basis-Trades erfordern genaue Kalkulation von Funding und Rollkosten.
Dislokations / Preisdifferenzen sind Signale – kein Rauschen
Wenn sich Preise von ihren Derivaten abkoppeln, wirkt dies zunächst wie ein Fehler im System. Doch in Wahrheit zeigen diese Lücken etwas an: wo Risiko konzentriert ist, wo Liquidität schwindet oder wo Spekulation den Fundamentals vorausläuft. Im Jahr 2025 sind Preisdislokationen keine Ausreißer mehr – sie sind strukturbedingt. Sie spiegeln wider, wie fragmentiert, flussgetrieben und reaktiv moderne Märkte geworden sind.

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