Am 21. Oktober 2004 gründeten Leif Greinus und Sebastian Wolter den Verlag Voland & Quist - ein ihn mehrfacher Hinsicht innovatives Projekt. Auch für Sachsen, denn sie operierten gleich mal mit zwei Standbeinen - eins in Dresden und eins in Leipzig. Das erste Programm erschien wenig später: eine Geschichtensammlung der Lesebühne "Die Surfpoeten", die Liveliteratur-Anthologie "Live und direkt", ein Lyrikband des Dresdner Spoken-Word-Dichters Stefan Seyfarth sowie eine Internet-Fiction von Frank Klötgen auf CD-ROM.

Womit auch schon mal klar wahr, worum man sich besonders kümmern wollte: Die durchaus auch mal experimentelle Literatur, die auf den Lesebühnen des Landes zu hören und zu erleben war. Was dann gleich die nächste Neuerung einschloss: Den Büchern wurde auch noch eine CD mit den von den Autoren selbst eingelesenen Texten beigelegt. Doppelter Literaturgenuss also.

Dazu Sebastian Wolter: “Voland & Quist war der erste Verlag, der die Verbindung von Buch und CD zu seinem Konzept machte. Für uns lag dies aber ausgehend vom Programm auf der Hand: Unsere Autoren können hervorragend vorlesen – und das muss man auch zuhause nachhören können.”

Programmschwerpunkte waren also zunächst kurze, satirische Texte (Lesebühnenliteratur) und Spoken-Word-Lyrik, zum Beispiel von Schriftstellern wie Ahne, Volker Strübing, diversen Lesebühnenanthologien bzw. von Dichtern und Dichterinnen wie Bas Böttcher, Nora Gomringer oder Lydia Daher.

Und dann gab’s eine überfällige Erweiterung:

2006 wurde das Programm um die Osteuropa-Reihe “Sonar” erweitert, die zeitgenössische Prosa aus Osteuropa einem deutschsprachigen Publikum zugänglich machen soll. Osteuropa hat zwar genau so viele Literaturlandschaft und junge Autorentalente wie der Westen des Kontinents. Aber bis auf wenige Länder sind diese Literaturen für gewöhnlich auf den deutschen Buchmarkt nicht präsent. Oder genauer: waren es nicht, bis Voland & Quist und eine Handvoll weiterer mutiger Verlage hier wieder auf Entdeckungstour gingen.

Edo Popovic eröffnete die Reihe “sonar” mit dem Roman “Ausfahrt Zagreb-Süd”. Mit nun sechs auf Deutsch erschienenen Büchern gilt Popovic, der mittlerweile bei Random House/Luchterhand verlegt wird, als einer der bekanntesten kroatischen Schriftsteller im deutschsprachigen Raum. Neben weiteren kroatischen Autoren sind aber auch ungarische, tschechische, montenigrinische und mit Viktor Martinowitsch zuletzt ein weißrussischer Schriftsteller verlegt worden.

2010 wurde das Programm dann auch noch um eine Kinderbuchreihe ergänzt: der “Reggaehase Boooo” erlebte sein erstes Abenteuer. 2011 kam die Sparte Comedy (z. B. mit dem von Rainald Grebe herausgegebenen “Buch Dietmar”) sowie der erste Comic des Verlags hinzu: “Alois Nebel”. Bis heute hat der Verlag fast 100 Titel veröffentlicht: Bücher mit und ohne CD, dazu DVDs, Comics und Musikalben.
Verleger Sebastian Wolter: “Die ersten beiden Programmschwerpunkte Lesebühnenliteratur und Spoken-Word-Lyrik bilden nach wie vor den Kern unseres Verlagsprogramms. Dieses hat sich natürlich über die Jahre stetig weiterentwickelt, wir haben aber unseren Anspruch, junge, zeitgemäße, eher urbane und gern auch ungewöhnliche Literatur zu verlegen, nie aus den Augen verloren. Und erfreulicherweise haben uns die meisten Autoren aus den Anfangsjahren bis heute begleitet.”

Erste größere kommerzielle Erfolge erzielte Voland & Quist mit den “Zwiegesprächen mit Gott” des Berliner Lesebühnenautors Ahne, welche sich bis heute über 30.000 Mal verkauft haben, oder mit “Schmidt liest Proust” von Jochen Schmidt, das mittlerweile als Taschenbuch bei btb vorliegt. Auch die Graphic Novel “Alois Nebel” von Jaroslav Rudi” und Jaromir 99, deren Verfilmung 2013 in den deutschen Kinos zu sehen war, ist mit etwa 5.000 verkauften Exemplaren und zahlreichen sehr positiven Besprechungen in der Presse zu den großen Erfolgen des Verlags zu zählen. Der größte Verkaufserfolg war allerdings kein Buch, sondern Marc-Uwe Klings “Der falsche Kalender” mit über 75.000 verkauften Exemplaren.

2007 erhielten die beiden Jungverleger Wolter und Greinus eine erste Auszeichnung ihrer Arbeit in Form des Preises der Hanna Johannes Arras Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur in Dresden. 2010 folgte dann der Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung. In seiner Laudatio würdigte Herr Prof. Lehmann, Leiter des Goethe-Instituts, die Arbeit der Verleger: “Sie vertreten eine sehr eigenwillige und unmittelbare Form der Literaturvermittlung, eine, die vielfältige Zugänge schafft und trotzdem dem Buch unverändert viel zutraut. (…) Greinus und Wolter veröffentlichen mit einem sicheren Gespür junge, zeitgemäße Literatur (…) einem Prinzip sind sie treu geblieben, es ist ihr Markenzeichen geworden: jedes Buch erscheint mit beigefügter CD oder DVD, auf denen die Autoren ihre eigenen Stücke lesen. Diese Verbindung von gesprochenem und gedrucktem Wort ist neu und dank der Besonderheit erfolgreich. (…) Wer als Verlagsname den Teufel Voland aus Michail Bulgakows “Der Meister und Margarita” und den Friedensstifter Quist aus Harry Mulischs “Die Entdeckung des Himmels” wählt, von dem ist noch viel zu erwarten. Dresden hat einen experimentierfreudigen, quirligen und beweglichen Verlag gewonnen, der ausstrahlt. Dass er sich künftig mit dem Namen Kurt Wolff schmücken kann, ist nur legitim. Er steht für die Vielfalt und Unabhängigkeit des Verlagswesens und die ausgewiesene Expertise seiner Verleger. “

Doch nicht nur der Verlag, auch die Autoren und Autorinnen des Verlags wurden vielfach ausgezeichnet: So erhielt zum Beispiel Nora Gomringer nach vielen anderen Würdigungen ihrer Arbeit 2012 den renommierten Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik. Im selben Jahr wurde Lydia Daher der Bayerische Kunstförderpreis zuerkannt und Roman Simic erhielt in seiner Heimat Kroatien einen der wichtigsten Literaturpreise des Landes, den Jutarnij-List-Preis für das beste kroatische Prosawerk. Lesebühnenautor Volker Strübing wurde 2013 der erste Stadtschreiber Bayreuths und sein Geschichtenband “Der Junge mit dem Löffel im Hals und das Mädchen mit dem Rohr im Ohr” wurde als “ungewöhnlichster Buchtitel 2013” ausgezeichnet. Und 2015 wird Julius Fischer den Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen erhalten.

2010 erweiterten Wolter und Greinus ihre Aktivitäten um eine Booking-Agentur für Lesungen. Nach kurzer Zeit vertrat die Agentur jedoch nicht mehr nur Autoren des Verlags wie Ahne, Volker Strübing oder Kirsten Fuchs, sondern auch “externe” Schriftsteller wie Clemens Meyer, Marc-Uwe Kling, Jakob Hein oder Stefan Schwarz. Verleger Leif Greinus: “Unsere Booking-Agentur ergänzt das Programm des Verlags perfekt und hat sich auch finanziell zu einem zweiten Standbein des Verlags entwickelt.”

Voland & Quist konnte sich in den zehn Jahren seines Bestehens nicht nur am Buchmarkt, sondern auch bei juristischen Auseinandersetzungen behaupten: Der “Wanderhurenstreit” mit Droemer Knaur, den Voland & Quist in zweiter Instanz gewann, wird in die Verlagsgeschichte eingehen. Nicht nur stellt der Rechtsstreit um den satirischen Buchtitel “Die schönsten Wanderwege der Wanderhure” von Julius Fischer einen Präzedenzfall im Titelrecht dar, er wurde auch zum ersten Mal in der deutschen Rechtsgeschichte mit einem Crowdfunding-Projekt über Spenden finanziert.

Und noch ein Ausblick: Derzeit befindet sich die Kurzgeschichten-App “A Story A Day” in der abschließendenTestphase für iOS und Android, sie soll nun endlich im Oktober erscheinen. Dazu Leif Greinus: “Mit unserer App beschreiten wir Neuland: Kurzgeschichten werden unabhängig vom Format Buch in einem Abo-Modell für das Smartphone präsentiert. Wir wollen damit neue Formate für Literatur ausprobieren.”

Feiern will der Verlag sein Jubiläum freilich in Dresden, wo Leif Greinus das Verlagsbüro betreibt. Gefeiert wird am 25. Oktober in der Scheune Dresden.

www.voland-quist.de

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