Sachsen gehört noch zu den Bundesländern, die am Boom der Solarbranche teil haben. Zwar nicht über Solarenergiegewinnung im Land - die wird von der Landesregierung weiterhin ausgebremst. Aber in Sachsen haben mehrere der namhaften deutschen Solaranlagenbauer ihren Sitz. Sie haben 6.500 Arbeitsplätze geschaffen. Und Sachsens Staatsregierung könnte am Donnerstag ganz leicht etwas für diese Arbeitsplätze tun.

“Ministerpräsident Tillich muss in der Bundesratssitzung am kommenden Freitag, den 30. März, gegen die von der Bundesregierung geplante Kürzung der Solarförderung stimmen. Es geht um den Solarstandort Sachsen mit 6.500 Arbeitsplätzen. Ich erwarte, dass ihm das gesamte sächsische Kabinett heute dafür die nötige Rückendeckung gibt”, fordert Martin Dulig, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag.

Seit 2000 ist das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) in Deutschland in Kraft, im Grunde das wichtigste Gesetz, das den Ausbau einer alternativen Energiestruktur überhaupt erst so richtig in Gang gebracht hat. 2011 deckte Strom aus erneuerbaren Energien schon 20 Prozent des Bedarfs. Seit 2010 werden die Vergütungssätze für Solarstrom jährlich angepasst – heißt im Klartext: entsprechend der eingespeisten Menge gesenkt. Das ist so vorgesehen. 2010 sanken die Vergütungssätze um 2 Prozent und im Jahr 2011 um 3 Prozent pro 1.000 Megawatt. Damit wird für alle, die neue Solaranlagen in Betrieb nehmen, die Planbarkeit gewährleistet.

Doch wenn Minister von Lobbyvertretern gepiesackt werden, vergessen sie alles rationale Denken. Im Februar traten Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen vor die Presse und verkündeten, dass die Vergütung noch 2012 drastisch gesenkt wird – um bis zu 48 Prozent.

Sabotage nennt das Martin Dulig. “Selbstverständlich muss perspektivisch die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz abgesenkt werden. Aber ohne Sinn und Verstand bei der erneuerbaren Energiewirtschaft zu kürzen, ohne ihre Innovationskraft zu stärken, geht nicht. Die Solarbranche braucht Vertrauensschutz sowie Planungs- und Investitionssicherheit”, sagt der SPD-Mann.

Daher appelliere ich an den sächsischen Ministerpräsidenten: Stoppen Sie die Sabotage der Solarbranche durch die Bundesregierung und stimmen Sie am Freitag dem Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zu! Verhindern Sie die von der Bundesregierung vorgesehene Absenkung der Einspeisevergütung, weil sie drastisch überzogen ist! Herr Ministerpräsident, stimmen Sie für die Interessen des Freistaates Sachsen und lassen Sie sich nicht von falsch verstandener Parteiräson leiten!”

Denn hinter der deutschen Energiefrage drängt auch die Zeit. Sachsen pokert zwar hoch auf die heimische Braunkohle, die noch auf Jahre hinaus die Energiegrundlast im Freistaat produzieren soll. Doch es ist ziemlich unwahrscheinlich, ob überhaupt noch ein einziges sächsisches Kohlekraftwerk über das Jahr 2020 hinaus rentabel wird arbeiten können. Sachsen hängt zwar beim Ausbau der alternativen Energien gewaltig hinterher. Doch das bedeutet nicht, dass Sachsen nicht bald mit Strom aus Wind- und Solaranlagen überschwemmt wird. Denn mittlerweile kommt der Strom aus diesen Anlagen in Bereiche, wo er mit den Erzeugerpreisen aus konventionellen Anlagen locker konkurrieren kann, wahrscheinlich bald sogar preiswerter wird. Was ja Ziel des EEG war, das mittlerweile auch in anderen Staaten als Vorbild-Gesetz gilt.

Was in Deutschland tatsächlich fehlt, sind die notwendigen Transportleitungen und Speichersysteme. Das benennen NRW und Brandenburg in ihrem Antrag für den Bundesrat auch. Doch das Problem hat die Bundesregierung noch nicht einmal angepackt. Was aber erreicht die so kurzfristig aus der Tasche gezogene Kürzung? – Just am 26. März veröffentlichte das Umweltministerium selbst die Nachricht: “Erneuerbare Energien geben in Deutschland bereits mehr als 380.000 Menschen Arbeit”. Und im Detail: “Rund 280.000 Arbeitsplätze, etwa drei Viertel der für 2011 ermittelten Beschäftigung, sind der Studie zufolge auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zurückzuführen. Die Solarenergie hat im vergangenen Jahr mit insgesamt 125.000 direkt und indirekt der Branche zuzurechnenden Beschäftigten den größten Anteil an den Beschäftigten im Bereich der erneuerbaren Energien. Davon sind rund 111.000 der Photovoltaik zuzurechnen. Dahinter folgen Biomasse, mit rund 124.000 Beschäftigten, sowie die Windenergie mit mehr als 100.000 Beschäftigten.””Die Energiewende schafft völlig neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie ist das große Zukunftsprojekt für die deutsche Wirtschaft. Das eröffnet uns auch technologische und ökonomische Chancen für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Wirtschaftsstandort und Exportnation”, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen.

Doch die ungeplante Kürzung wirkt genau an diesem Punkt als Blockade. Und sie kann sehr schnell auch drastische Auswirkungen auf die sächsische Wirtschaft haben, die bislang von einer einzigen Branche dominiert wird: dem Automobilbau. Doch wie lang kann das gut gehen? – Die Jahre 2008 / 2009 haben deutlich genug gezeigt, wie schnell schon ein kleiner Dämpfer bei den weltweiten Automobilverkäufen die sächsische Wirtschaft in die Defensive bringt. Der Maschinenbau kann das nicht auffangen. Die Solarbranche wäre eine der wichtigsten Zukunftsoptionen. Der Umsatz in der Solarwirtschaft in Sachsen stieg von 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 2,85 Milliarden Euro im Jahr 2011. Das ist ein nennenswerter Beitrag zum BIP, der mit einer klugen Wirtschaftslenkung noch weiter steigen könnte.

Das Gesetz selbst, das jetzt die drastischen Kürzungen bringen soll, findet die sächsische Bundestagsabgeordnete Dr. Barbara Höll auch noch schlecht zusammengeschustert. “Neben der Höhe der geplanten Kürzungen strotzt das Gesetz vor handwerklichen Fehlern und gefährdet damit die Planungssicherheit der Branche. Dies bestätigten auch die Sachverständigen der Koalitionsfraktionen bei der Experten-Anhörung des Bundestags am 21. März. Das Vorgehen seitens der Bundesregierung ist hektisch, planlos und schlicht verantwortungslos. Die Koalitionsabgeordneten müssen die Notbremse ziehen und den Gesetzesentwurf im Bundestag stoppen. Bereits kurz nach Ankündigung der Regierungspläne wurden Bestellungen storniert und Bankkredite für Solaranlagen widerrufen. Installateure bleiben auf bestellter Ware sitzen, Investoren bricht die Finanzierung weg. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit.”

Dass der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Absenkung der Photovoltaikvergütung möglicherweise nicht zustimmen wird, hält Johannes Lichdi, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, für einen Hoffnungsschimmer. “Auch seine Forderung nach einer verstärkten Technologieförderung und einer Beteiligung der Länder an der Gesetzgebung des Erneuerbaren Energien Gesetzes sind richtig. Hoffentlich knickt Tillich mit seiner Position nicht ein, wenn nur die Absenkungsfristen verlängert werden”, sagt Lichdi. “Der Ministerpräsident kann bei seinem Forderungskatalog insbesondere auf die Unterstützung des sächsischen Mittelstands zählen. Zahlreiche Dresdner Unternehmen haben mit einem offenen Brief an ihre CDU-Wahlkreisabgeordneten gegen die Kürzungen protestiert, die Ehrenamtler der Bürgerkraftwerksinitiativen fordern die Verantwortlichen ebenfalls zum Widerstand auf.”

“Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik müssen im Rahmen der Energiewende Hand in Hand gehen. Daher sollte sich Tillich auch gegen die Begrenzung des Ausbaus auf 2,5 GW im Jahr wenden”, so Lichdi.

Gegen wen sich der Vorstoß von Rösler und Röttgen tatsächlich richtet, benennt die sächsische Bundestagsabgeordnete der Linken, Caren Lay: “Wer wie die Minister Röttgen und Rösler die Axt an die Fotovoltaik legt, gefährdet den notwendigen Umstieg auf Erneuerbare Energien. Die versprochene Energiewende fährt ohne den weiteren Ausbau der Solarenergie vor den Baum. Die Energiepolitik der Bundesregierung stellt die falschen Weichen. Die Einschnitte in die Solarförderung sind falsch und kurzsichtig – sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich. – Geplante Solarparks und andere Projekte fallen nun dem Rotstift zum Opfer. – Stadtwerke und Investoren stehen in den Startlöchern und werden nun brüskiert. Bereits die letzten Kürzungen haben viele Firmen in die Insolvenz getrieben – insbesondere im Osten gehen Tausende Arbeitsplätze verloren. Die Kürzungen sind nichts anderes als ein Arbeitsplatzprogramm für die Konkurrenz aus China, der die deutschen Firmen immer weniger standhalten können.”

Nachdem es freilich eine Zeit lang so aussah, als könnte der sächsische Ministerpräsident tatsächlich einmal Kontur zeigen, deutet seit gestern einiges auf eine sächsische Stimmenthaltung hin. Das deutet, wie die energiepolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Dr. Monika Runge, vermutet, darauf hin, dass sich CDU und FDP nicht auf eine klare Linie für die sächsische Solarbranche einigen konnten. Runge: “Sachsens CDU/FDP-Regierung ist offenbar energie- und technologiepolitisch handlungsunfähig. Erklärungen des Ministerpräsidenten sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden, die FDP kann sich unter Federführung ihres Minister-Totalausfalls Morlok als Innovationsbremse ausleben. – Scheinbar hat der Ministerpräsident erstmals versucht, seine Richtlinienkompetenz wahrzunehmen. Und prompt ist er gescheitert und hat sich als unfähig erwiesen, Sachsens Interessen zu wahren. Ich fordere die Vertreter Sachsens im Bundesrat auf, “Nein” zu sagen zu einem Plan, der energie-, umwelt-, wirtschafts-, industrie- und technologiepolitisch in die Sackgasse führt.”

Die Linke hat im Bundestag einen eigenen Antrag eingebracht, der ein Unterstützungsprogramm für die Solarbranche fordert und ein Maßnahmenpaket zur Beschleunigung der Energiewende enthält. Den Antrag “Mut zum Aufbruch ins solare Zeitalter”, Bundestagsdrucksache 17/8892 vom 6. März 2012, findet man hier: www.linksfraktion.de/antraege/mut-aufbruch-solare-zeitalter/

Den Antrag der Grünen im Sächsischen Landtag “Existenzgefährdende Kürzung der Solarförderung verhindern – Sächsische Solarindustrie erhalten” findet man hier: www.gruene-fraktion-sachsen.de/f02179f2.l

Die Erklärung Dresdner Unternehmen: www.vee-sachsen.de

Bürgerkraftwerksinitiativen: www.gruene-fraktion-sachsen.de/3e2783d8.l

Der Bundesratsantrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Brandenburg “Entschließung des Bundesrates zu den mit der EEG-Novelle vorgesehenen Änderungen bei der Förderung des Solarstroms” (Drucksache 151/12) finden Sie unter folgendem Link: www.bundesrat.de

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